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Armin Laschet im Interview„Ein Richtungswechsel wäre eine grundfalsche Entscheidung“

Lesezeit 10 Minuten
Laschet Interview 1

Armin Laschet: „Der Mensch Armin Laschet wird der Gleiche sein, vor und nach dem Parteitag.“

  • Am 16. Januar wählt die CDU ihren neuen Vorsitzenden. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Gespräch über seine Kandidatur, seine Kontrahenten – und die Corona-Krise.

Herr Laschet, die Fallzahlen gehen trotz verschärfter Corona-Maßnahmen nicht runter. Droht uns im schlimmsten Fall ein Lockdown bis Ostern? Armin Lascht: Völlig klar: Die Lage ist sehr ernst. Es wäre falsch, jetzt etwas auszuschließen. Die neuen strengeren Maßnahmen sind am Montag erst in Kraft getreten. Deren Wirkung müssen wir jetzt abwarten. Laut RKI werden wir frühestens ab dem 17. Januar wieder ein realistisches Bild von den Infektionszahlen haben, das auch das Geschehen der Feiertage abbildet. Derzeit wissen wir auch nicht, wie das mutierte Virus aus Großbritannien sich auf die Infektionslage bei uns auswirkt. Deshalb kann man jetzt nicht über die Länge des Lockdowns spekulieren. Wir müssen unsere Maßnahmen dem aktuellen Infektionsgeschehen anpassen und vorsichtig bleiben.

Müssen positive Coronatests stärker auf Mutationen untersucht werden - und wie schaffen wir das?

Es ist für die erfolgreiche Pandemiebekämpfung unbedingt notwendig, dass wir zeitnah über neue Varianten des Corona-Virus Bescheid wissen. Das führt uns Großbritannien vor Augen. Bund und Länder haben sich deshalb in der vergangenen Woche darauf geeinigt, die Entdeckung von Mutationen in Deutschland durch verstärkte Sequenzierung sicherzustellen. Bundesgesundheitsminister Spahn hat dazu eine Verordnung vorgelegt, die die Labore zu einer höheren Zahl von Sequenzierungen als bisher verpflichtet.

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Warum hat NRW die 15-Kilometer-Regel bei der Überschreitung der Inzidenzen von 200 Fällen pro 100.000 Einwohnern nicht einfach übernommen?

Wir haben sie übernommen und in der Regionalverordnung verankert. Nordrhein-Westfalen setzt die Vereinbarungen, die die Länder mit dem Bund getroffen haben, eins zu eins um. Die 15-Kilometer-Regel wird in Regionen mit einer 7-Tages-Inzidenz von über 200 im Rahmen unserer Hotspot-Strategie in Absprache mit den Kommunen umgesetzt.

Wie steht denn NRW im Corona-Krisenmanagement im bundesweiten Vergleich da?

Stand heute sind wir relativ gut durch die Krise gekommen. Obwohl wir in Nordrhein-Westfalen den am meisten verdichteten Raum in Europa haben, liegen wir bei den Kennzahlen im Mittelfeld. Aber wir stecken noch mitten in der Pandemie und wissen, dass sich die Lage schnell ändern kann. Die ostdeutschen Länder waren von der ersten Welle zum Beispiel kaum betroffen. Jetzt ist dort die Lage besonders dramatisch.

Beim Impfstart ruckelt es auch in NRW. Es gehe zu langsam voran, die Vorbereitung sei schlecht gelaufen, sagen Kritiker. Stimmt das und was erwarten Sie in den nächsten Wochen?

Nein. Der Flaschenhals ist derzeit die Verfügbarkeit des Impfstoffes, der musste ja erst einmal produziert und ausgeliefert werden. Das hat mit der Vorbereitung nichts zu tun, im Gegenteil - unsere Impfzentren sind seit dem 15. Dezember einsatzbereit. Wir impfen, wo wir können, mit dem Impfstoff, den wir haben. Die Priorität liegt zunächst bei den besonders verletzlichen Menschen in den Alten- und Pflegeheimen. Dort impfen wir jetzt als erstes. Mit der neuen Regel, dass aus einem BionTech-Fläschchen sechs statt nur fünf Dosen entnommen werden können, können wir mit diesem Impfstoff jetzt schlagartig 20 Prozent mehr impfen, das sind gute Neuigkeiten. Andere Impfstoffe stehen ebenfalls kurz vor der Zulassung, Astra Zeneca zum Beispiel hat diese Woche die Zulassung in der EU beantragt. Der Impfprozess wird sich jetzt zunehmend beschleunigen, je mehr produziert wird und je mehr Impfstoffe zugelassen sind.

Viele Menschen sind aber verärgert, weil sie bei den Hotlines zur Vergabe der Impftermine nicht durchkommen.

Wir müssen die festgelegte Impfreihenfolge einhalten. Die besagt: Nach den Alten- und Pflegeheimen kommt ab dem 18. Januar das Personal in den Kliniken dran, das mit Covid-Patienten zu tun hat. Danach kommen die über 80-Jährigen an die Reihe. Sie erhalten eine schriftliche Benachrichtigung vom Amt, in der die Terminvergabe erläutert wird, ab dann wird auch die Terminvergabe bei den Hotlines freigeschaltet sein. Alle anderen, die in der Impfreihenfolge nicht ganz oben stehen, können auch noch keine Termine vereinbaren, hier müssen wir noch um Geduld und Verständnis bitten. Der Plan der Bundesregierung ist, im Sommer jedem, der will, ein Impfangebot machen zu können.

Bis wann werden in NRW denn Klinik- und Pflegepersonal sowie alle Über-80-Jährigen durchgeimpft sein?

Einen genauen Zeitpunkt, bis wann all diesen Menschen eine Impfung angeboten werden kann, kann ich Ihnen noch nicht nennen. Es wird zudem sicher auch Leute geben, die jetzt noch nicht überzeugt sind von einer Impfung und sich dann erst im Sommer dafür entscheiden. Derzeit läuft die Impfkampagne gut an und die Impfstoffe, die Nordrhein-Westfalen erhält, werden zügig verimpft.

Brauchen wir eine Impfpflicht für das Klinik- und Pflegepersonal?

Eine generelle Impfpflicht würde viel Vertrauen in die Impfstoffe zerstören, das lehne ich ab. Gerade in der Pandemie sind wir auf das Vertrauen der Menschen angewiesen. Was aber richtig ist: Die Impfbereitschaft gerade bei Pflegekräften ist noch zu niedrig. Das muss deutlich besser werden.

In der CDU steht die Woche der Entscheidung an. Am Samstag wird der neue Parteichef gewählt. Können Sie nachts noch einschlafen, ohne an die Wahl zu denken?

Ja, klar. Wir stecken mitten in der Pandemie, mit all den damit verbundenen Herausforderungen. Gleichzeitig müssen wir den Blick auf die Zeit nach Corona richten. Wie geht es wirtschaftlich weiter? Was machen wir mit den gewaltigen Schulden? Dieser Situation gelten meine Gedanken.

Sagen Sie doch bitte mal in wenigen Sätzen, warum die CDU-Delegierten Sie am Samstag wählen sollten?

Wir bereiten uns auf wichtige Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg und auf die Bundestagwahl im September vor. Alle anderen Parteien werden verhindern wollen, dass die CDU nach 16 Jahren Angela Merkel weiterhin den Bundeskanzler stellt. Wir werden diesen Wahlkampf nur bestehen können, wenn wir die Breite der Volkspartei CDU auch in der neuen Führung abbilden und geschlossen auftreten. Ein Richtungswechsel wäre eine grundfalsche Entscheidung. Stattdessen will ich als neuer Bundesvorsitzender Christlich-Soziale, Liberale und Konservative zusammenführen. Führen und zusammenführen, das biete ich im Team mit Jens Spahn.

Armin Laschet, der Versöhner, der für ein Weiter-so steht? Reicht das als Botschaft?

Es wird kein Weiter-So nach der Pandemie geben. Deutschland steht vor einem Modernisierungsjahrzehnt, in dem alles auf den Prüfstand muss. Die Bürger erkennen an, dass die CDU gut regiert. Es wird uns zugetraut, Krisen am besten zu bewältigen. Deswegen muss die CDU von jemandem geführt werden, der gezeigt hat, dass er Wahlen gewinnen kann, dass er regieren kann, dass er Krise kann. Die Delegierten werden wissen, mit wem die Union die Bundestagwahl am besten gewinnen kann. Deswegen bin ich mit Blick auf den Samstag zuversichtlich. Die Zustimmung wächst spürbar.

Gehen Sie zu sanft mit Ihren Kontrahenten um? Friedrich Merz und zuletzt auch Norbert Röttgen wirkten aggressiver.

Wir sind alle in derselben Partei. Da treffen keine Welten aufeinander. Aber man erkennt Unterschiede zwischen uns dreien. Mir geht es nicht darum, die Welt besonders schön zu beschreiben oder immer nur zu kritisieren, was nicht geht. Sondern darum, zu erkennen, was möglich ist - und diese Ziele dann in wirkliches politisches Handeln umzusetzen.

Können Sie die Wahl gewinnen, ohne Emotionen zu wecken? Bei einem digitalen Parteitag sprechen sie ein schwarzes Loch hinein.

Es stimmt, die Rahmenbedingungen sind ungewöhnlich. Man hat überhaupt kein Echo und weiß nicht, wie die 1001 Delegierten reagieren. Man kann nicht in Gesichter gucken und Reaktionen ablesen, man spürt nicht die Schwingungen, die Atmosphäre des Raumes. Die Delegierten sitzen in ihren Wohnzimmern, erleben den Parteitag vielleicht mit ihren Partnern und Kindern. Das ist für alle, aber vor allem für die Redner eine völlig neue Situation.

Die "Flüsterer" und "Influencer", die bei Parteitagen üblicherweise zwischen den Reihen herumlaufen, wird es nicht geben. Nützt oder schadet Ihnen das?

(lacht). Ich lasse mich überraschen. Je mehr Familienmitglieder oder Freunde der Delegierten meine Rede auf dem Laptop oder im Fernsehen mitbekommen, desto besser für mich.

Glauben Sie an einem Sieg für einen Kandidaten im ersten Wahlgang?

Das lässt sich nicht sagen.

Sollte Merz dann vorne liegen und Sie wären Zweiter - könnten Sie dann auf die Stimmen des Röttgen-Lagers setzen?

Ich spekuliere da nicht mit. Ich werbe für meine Ideen, spreche mit Delegierten und erhalte viel Zustimmung - In ganz Deutschland, auch etwa im Osten.

Worauf führen Sie denn die gewachsene Zustimmung im Osten zurück?

Ich komme aus Aachen, westlicher geht es nicht. Wenn man dort herkommt, muss man den Kollegen in Ostdeutschland besonders gut zuhören und deren Einschätzungen und Lebenswirklichkeiten kennen und wertschätzen. Angela Merkel kam aus dem Osten und hatte dieses Grundgefühl. Ich habe seit 1990 gute Kontakte zu den ostdeutschen Landeverbänden gepflegt. Das hilft mir jetzt weiter.

Ist die schlimme Niederlage von Norbert Röttgen bei der Landtagswahl 2012 in NRW schon in Vergessenheit geraten?

Das müssen Sie die Delegierten fragen. Sicher werden sich aber einige erinnern, wie es uns gelungen ist, nach diesem Desaster im Team die NRW-CDU wiederaufzurichten und zur heutigen Geschlossenheit zu führen. Bis heute mit großem Erfolg.

Aus der Opposition ist zu hören, ein Sieg von Merz wäre ein Konjunkturprogramm für SPD und Grüne. Stimmt das?

Ich will nicht über die anderen Bewerber reden. Die Kandidaten sind ja mittlerweile nicht nur in Nordrhein-Westfalen gut bekannt.

Wie lange wird sich der ambitionierte Jens Spahn noch hinter Ihnen einreihen?

Jens Spahn setzt sich im Wettbewerb sehr für unser Team ein und macht einen sehr guten Job als Minister. Wir haben uns ein Modernisierungsjahrzehnt vorgenommen. Wir wollen dabei so viele Anstöße wie möglich geben. Darauf sind wir als Team angelegt, das setzen wir auch als Team um.

Es gab Berichte, dass Spahn die Unterstützung für eine eigene Kanzlerkandidatur sondiert haben soll... Will Ihnen da jemand schaden?

Jens Spahn hat das klar zurückgewiesen. Unser gemeinsames Angebot steht, die Aufstellung im Team ist klar.

CSU-Kanzlerkandidaten hat es mit Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber zweimal gegeben: 1980 gab es in der CDU scharfe Kritik an Helmut Kohl, 2002 an Angela Merkel. Ist die CDU 2021 einig genug, um Söder als Kanzlerkandidat zu verhindern?

Wir werden im Frühjahr gemeinsam mit der CSU besprechen, was gut und richtig ist.

Was sind die ersten Themen - neben Corona -  die Sie als CDU-Chef angehen würden?

Wir werden die wichtigen Energie- und Klimafragen beantworten und Europa gegenüber China und anderen Konkurrenten wettbewerbsfähig machen müssen. Ein weiteres Thema wird die innere Sicherheit sein. Der Kampf gegen Clan-Kriminalität muss bundesweit Priorität haben. Eine Sicherheitsoffensive im Schulterschluss mit allen Ländern, mit dem Bund und mit Europol muss auf der Agenda stehen, um die Zusammenarbeit zu intensivieren und zu verbessern. Außerdem gilt es natürlich, die CDU auf die anstehenden Wahlkämpfe vorzubereiten. Dabei müssen wir auch die Chancen der Digitalisierung weiter nutzen.

Für wie wichtig halten sie das Votum der Frauen-Union für einen Vorsitzenden Laschet?

Mich freut jedes Votum einer Parteigliederung wie auch die Unterstützung erfolgreicher Ministerpräsidenten wie Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel. Diese Empfehlungen zeigen, dass unser Konzept, die ganze Gesellschaft stärker in der Union abbilden zu wollen, Unterstützung findet. Der Zuspruch der Frauen in der Union ist mir deshalb so wichtig, weil die CDU besonders viel zu tun hat, um attraktiv zu bleiben. Das werde ich anpacken.

Friedrich Merz kritisiert, das Votum der Frauen-Union sei nur vom Vorstand getroffen worden, ohne die Mitglieder zu befragen.

Die Vorstände sind die gewählten Vertreter der Vereinigungen. Sie haben ein sehr genaues Gespür für die Stimmungen unter ihren Mitgliedern.

Wenn Sie gewählt werden, wie geht es dann in NRW weiter?

Die Arbeit im Land geht weiter. Ich habe nicht den Eindruck, dass es dem bayerischen Ministerpräsidenten und seinem Bundesland schadet, dass er in Berlin mit am Koalitionstisch sitzt.

Wie lange könnten Sie dann noch Chef der NRW-CDU bleiben?

Jetzt stehen erstmal andere Entscheidungen an.

Am Samstag entscheidet sich auch Ihre ganz persönliche Zukunft. Wie gehen Sie damit um?

Es ist klar, dass ich mich auf diesen Tag besonders gut vorbereite. Mir wäre es lieber, die Delegierten persönlich zu treffen, in einer Halle zu sehen und ihre Reaktionen zu spüren. Aber die Rahmenbedingungen sind nun mal so. Die Rede wird sicher anders sein als alle anderen, die ich in meinem bisherigen Leben gehalten habe. Der Mensch Armin Laschet wird aber der Gleiche sein, vor und nach dem Parteitag. Egal wie die Sache ausgeht. 

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