CoronavirusWas nach den Herbstferien auf Schüler zukommen könnte

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Corona Klassenzimmer

Bislang soll vor allem eines Schüler schützen: Lüften.

  • Bisher will das Schulministerium der Ansteckungsgefahr an Schulen mit häufigem Lüften begegnen.
  • Welche zusätzlichen Ideen könnten nach den Herbstferien in den Klassenzimmern greifen?
  • Von der Maskenpflicht bis zu Änderungen bei den Ferien: ein Überblick.

Düsseldorf/Köln – Die Infektionszahlen steigen. Was bedeutet das für den Schulbetrieb in Nordrhein-Westfalen nach den Herbstferien? Welche Maßnahmen sind angezeigt? Die Botschaft der Interessenverbände von Lehrern, Schülern und Elternvertretern an die Landesregierung ist eindeutig. Erstens: Sie fordern das Schulministerium des Landes auf, die Maskenpflicht im Unterricht ab Jahrgangsstufe fünf wieder zur Pflicht zu machen. Zweitens: Das Gesundheitsministerium müsse nachvollziehbare, abgestimmte und einheitliche Quarantäne-Regeln vorgeben, an die sich die Gesundheitsämter der Städte und Kreise halten müssen.

Rückkehr zur Maskenpflicht

Die Wiedereinführung der Maskenpflicht ist für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) „die vordringlichste Maßnahme“ für einen verbesserten Infektionsschutz. Ein einheitliches Vorgehen sei dringend erforderlich. „Die Lehrer wollen nicht länger den Kampf an den Schulen führen und auf die Masken hinweisen müssen“, sagt Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologen-Verbands NRW (PhV). „Bei diesen Infektionswerten kann man bei 30 Personen auf engstem Raum nicht mehr sagen: »Wir sehen von der Maske ab«.“

„Mit der Freiwilligkeit muss es ein Ende haben“, ergänzt Harald Willert, Vorsitzender der NRW-Schulleitungsvereinigung (SLV). „Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Landesregierung da immer noch zögert.“ Es gebe etliche Lehrer, die zur Risikogruppe zählen und auf Anraten der Ärzte nur bei einer Maskenpflicht unterrichten wollen. „Sollen wir etwa auf die verzichten?“

Alles zum Thema Jochen Ott

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Die Maskenpflicht sei das Mindeste für die Risikogebiete mit einem Inzidenzwert von mehr als 50 Infektionen auf 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, sagt Stefan Behlau, Vorsitzender des Landesverbands Bildung und Erziehung (VBE). „Wichtig ist, dass das Schulministerium voll dahinter steht und den Lehrern den Rücken stärkt, die an den Schulen die Diskussionen auszuhalten haben“, sagt Behlau. „Je eher die Informationen aus dem Schulministerium zum Schulstart laufen, desto besser ist das für alle Beteiligten, für Eltern, Schüler, Lehrkräfte und Schulleitungen. Wir haben ja zuhauf erlebt, dass die Schulmails leider erst freitags am späten Abend kamen.“

Auch für den SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty gibt es zur Maskenpflicht keine Alternative. Er kritisiert Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). „Bis jetzt haben wir von ihr nichts gehört, wie sie sich den Start nach den Ferien vorstellt. Aber weil Frau Gebauer wieder keinen Plan hat, wird ihr wohl nichts anderes einfallen, als erneut eine Maskenpflicht auch im Unterricht einzuführen. Das ist von allen Entscheidungen für die Kinder zwar nicht die beste, aber mit Blick auf die aktuelle Situation und die Planlosigkeit der Landesregierung leider die einzige Alternative, die jetzt noch kurzfristig umzusetzen ist.“

Einheitliche Quarantäne-Regeln

Der Philologen-Verband kritisiert die uneinheitlichen Entscheidungen einzelner Gesundheitsämter bei vergleichbaren Infektionsgeschehen. „Die Quarantänevorgaben der Gesundheitsämter müssen sich natürlich nach dem lokalen Infektionsgeschehen richten. Allerdings sollten die Kriterien einheitlich und für die Betroffenen nachvollziehbar sein. Alles andere führt zu Unverständnis, Missmut und Unsicherheiten“, sagt die PhV-Vorsitzende Sabine Mistler. Man habe das Gesundheitsministerium bereits vor einer Woche um eine Stellungnahme gebeten, bisher aber keine Antwort erhalten. „Wir haben permanent Jahrgänge, die inklusive Lehrern komplett wegfallen, obwohl nur eine Person infiziert ist. Da mussten komplette Schulen geschlossen werden“, so Mistler.

Rollierender Unterricht

„Wir haben schon im Sommer darum gebeten, dass das Schulministerium den Schulen erlauben soll, zusätzliche Flächen zum Beispiel von Kirchengemeinden und Vereinen nutzen zu können“, sagt Sigrid Beer, Schulexpertin der Grünen im Landtag. „Dort könnten zum Beispiel Übungsstunden für Kinder angeboten werden, die zu Hause nicht optimal betreut werden können.“

An den Universitäten gebe es viele Studenten, die sich über die Möglichkeit, durch die Betreuung von Schulkindern Geld hinzuverdienen zu können, freuen würden. „Dieses wertvolle Potenzial wird nicht erkannt – eine Ignoranz der Landesregierung, die dazu führt, dass vor allem die Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern als Verlierer aus der Corona-Krise hervorgehen.“

Für Jochen Ott, Schulexperte der SPD im Landtag, steht fest, „dass es bei einem rollierenden Unterricht zu einem höheren Arbeitsanfall an den Schulen kommt“. Die Landesregierung müsse jetzt den Lehrern Ausgleichsmöglichkeiten anbieten. „Beim rollierenden Unterricht sollten die Schüler bis zu achten Klasse möglichst in den Schulen beaufsichtigt werden – das würde das drohende Betreuungsproblem bei den Eltern von jüngeren Schülern entschärfen.“

Man habe das rollierende System ja vor den Sommerferien zum Teil punktuell ausprobiert, sagt Harald Willert, Chef der Schulleitervereinigung. Das Lernen zu Hause habe da unter der unzureichenden Digitalisierung gelitten. „Dieser Zustand lässt sich so schnell nicht ändern. Aber wenn die Kinder jetzt regelmäßig zur Schule kommen, können sich die Lehrer darauf einstellen und Aufgaben mitgeben, die sie im Distanzunterricht allein bearbeiten können.“

Das Drei-Stufen-System

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht eine Reduzierung der Lerngruppen oder Halbierung der Unterrichtsklassen als vordringlich an. Beides habe das Robert-Koch-Institut als Teil eines Drei-Stufen-Systems empfohlen. In Bayern gelte an den Schulen bereits seit September ein solcher Drei-Stufen-Plan. „Je nach Infektionsgeschehen gibt es dort abgestufte Maßnahmen vom Regelbetrieb unter Hygiene-Auflagen über die Maskenpflicht bis zu einem Wechselmodell aus Präsenz- und Distanz-Lernen“, sagt GEW-Landeschefin Maike Finnern. Wir haben von Anfang an ein solches gestuftes Vorgehen gefordert. In diese Richtung müsste es gehen.“

Verlängerung der Winterferien

Der Vorschlag, die Winterferien zu verlängern und dafür im Sommer einzukürzen, stößt auf wenig Gegenliebe. Der Chef des Schulleitungsverbands Harald Willert sagt, die Schulministerin hätte das Thema ohne jegliche Prüfung gleich zu den Akten legen sollen. „Einfache Lösungen sind immer schwierig“, sagt VBE-Chef Stefan Behlau. „Das betrifft nicht nur den Schulbetrieb, sondern alle Eltern, die ihre privaten wie beruflichen Planungen umwerfen müssten. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass nicht alle Berufsgruppen die Chance haben, im Homeoffice zu arbeiten.“

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