RekordtempoSo will NRW Vorreiter beim Radverkehr werden

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Das Land NRW will den Flickenteppich der Radwege zu einem Netz verknüpfen.

Das Land NRW will den Flickenteppich der Radwege zu einem Netz verknüpfen.

Düsseldorf/Köln – Eins darf sich die „Volksinitiative Aufbruch Fahrrad“ schon jetzt als Erfolg auf den Wimpel schreiben. Als sie im Juni 2018 auf dem Kongress Radkomm in Köln 206 687 Stimmen für den Ausbau der Rad-Mobilität und ein NRW-Fahrradgesetz präsentiert und diese einen Monat später im Landtag überreicht, ist das die erfolgreichste Unterschriftensammlung pro Fahrrad, die es in Deutschland je gegeben hat. „Ich hoffe, die Politik versteht diesen Weckruf“, sagt die Initiatorin Ute Symanski damals.

Die Politik ist beeindruckt. Es geht im Rekordtempo weiter. Bei der Anhörung im Verkehrsausschuss des Landtags im Oktober 2019 stimmen alle Fraktionen zu, das erste Fahrradgesetz in einem Flächenland auf den Weg zu bringen. Bisher gibt es nur eines in Berlin. Auch den Landtag passiert das Gesetzesvorhaben am 18. Dezember 2019 mit großer Mehrheit. Lediglich die AfD stimmt nicht mit.

Am Dienstag hat das Landeskabinett nun den Entwurf für ein „Fahrrad-und Nahmobilitätsgesetz“ vorgelegt, erarbeitet vom Verkehrsministerium. Es soll in diesem Jahr verabschiedet werden. Diesen Erfolg „haben wir einer starken und engagierten Fahrrad-Community zu verdanken“, sagt Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU). Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Was soll das Radgesetz bewirken?

„Damit schaffen wir die Grundlage für den weiteren systematischen Ausbau eines landesweiten Radwegenetzes in NRW“, sagt Wüst. Das Fahrrad werde zu einem „gleichrangigen Verkehrsmittel neben allen anderen und zur alltagstauglichen Alternative zum Auto.“

Was heißt das konkret?

Es wird ein Vorrangnetz mit landesweiten Verbindungen festgelegt, das mit Priorität geplant und gebaut werden soll. „Das ist neu“, sagt Wüst. „Bisher haben Kommunen und Kreise nach ihrem Bedarf geplant.“ Künftig soll ein Viertel aller Verkehrswege im Land auf das Rad entfallen. „Das ist kein unrealistischer Wert. Im Münsterland liegen wir schon deutlich darüber. Nicht zuletzt mit E-Bikes, Pedelecs und besserer Infrastruktur geht das überall“, sagt Wüst.

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Das Land will einen Bedarfsplan für Radschnellwege etablieren. Das kenne man bisher nur auf Bundesebene für Schienen, Straßen und Wasserwege und erhöhe die Planungssicherheit. Klagen gegen einen Radschnellweg hätten keine aufschiebende Wirkung mehr und würden auf eine Instanz verkürzt. Der Radverkehr müsse Teil einer vernetzten Wegekette sein, die sich digital planen und buchen lasse. NRW werde Radstationen fördern, wo die Menschen schnell und bequem auf andere Verkehrsmittel umsteigen können.“ Das Gesetz mache bisher freiwillige Aufgaben zu Pflichtaufgaben des Landes.

Was ist mit den Fußgängern?

Sie sollen auch mehr Rechte erhalten. „Wir machen kein reines Fahrradgesetz“, sagt Wüst. Es sei auch Rechtsgrundlage, um „besonders geschützte Räume“ für Fußgänger zu schaffen. Bei Ampelschaltungen wolle man Fußgängern, Rad- und Autofahrern gleiche Rechte einräumen.

Was ist mit dem Thema Sicherheit?

Die „Vision Zero“ – also das Bestreben, dass niemand im Straßenverkehr zu Schaden kommt – ist laut Wüst fest verankert. Die Förderung der Landesverkehrswacht wird zur gesetzlichen Pflichtaufgabe. In den nächsten fünf Jahren sollen alle landeseigenen Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen und größere Busse mit Abbiegeassistenten ausgerüstet werden.

Wer steckt hinter der „Volksinitiative Aufbruch Fahrrad“?

Rund 215 Verbände und Vereine bilden das Aktionsbündnis. Darunter sind alle großen Umweltschutz- und Mobilitätsverbände wie der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), der Verkehrsclub Deutschland (VCD), aber auch Nachbarschaftsinitiativen oder Sportvereine. Das Bündnis hatte die knapp 270 000 Unterschriften in 294 von 296 Kommunen des Landes gesammelt.

Was fordert das Aktionsbündnis?

„Auf diesen Moment haben wir lange gewartet“, sagt Ute Symanski. Die Initiatorin des Aktionsbündnisses sieht viele der Forderungen durch den Entwurf erfüllt. Am Ende müsse sich das Gesetz „an dem „elementaren Ziel von Aufbruch Fahrrad messen lassen“, bis 2025 einen Radverkehrsanteil von 25 Prozent zu erreichen. „Damit Mobilität in NRW funktioniert und sauber ist, brauchen wir viel mehr Radverkehr.“

Das Land will sich im Gesetz allerdings nicht auf das Zieljahr 2025 festlegen lassen. Das sei ja nur der erste Entwurf, sagt Symanski. „So eine Zielzahl kann auch motivieren. Wir brauchten damals auch nur 66 000 Unterschriften und haben mehr als 200 000 erreicht.“

Warum will Wüst sich nicht festlegen?

„Das Umsteigen hängt von der Motivation der Menschen ab“, sagt Wüst. Die wiederum „von einer ordentlichen Infrastruktur.“ Das Land werde ein Radvorrangnetz definieren, so Wüst. Darunter seien die Kommunen frei das Netz in ihrer Region so auszubauen, wie sie es für richtig halten. „Mit unserer Förderung. Am Geld wird es dabei auf absehbare Zeit nicht mangeln“, sagt Wüst. Mit einer Jahreszahl Druck aufzubauen, mache keinen Sinn. „Wir setzen auf Förderung und einen wertschätzenden Umgang miteinander.“

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