Corona-TestpflichtPolizeigewerkschafter spricht von Zwangs-Durchsetzung

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Die Test-Pflicht für Reiserückkehrer könnte laut Polizeigewerkschaft im Ernstfall mit Gewalt durchgesetzt werden.

Berlin – In Deutschland breitet sich das Coronavirus nahezu flächendeckend weiter aus. Die Zahl der Neuinfektionen lag am Mittwoch nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bei 684. Im Sieben-Tages-Schnitt liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen wieder bei rund 570 Fällen - zuvor lag der Wert wochenlang bei zwischen 300 und 500 Fällen täglich. Mitverantwortlich für den Anstieg ist nach Angaben des RKI die angelaufene Rückreisewelle. Anders als zu Beginn des Ausbruchsgeschehens ballen sich die Fälle nicht in einzelnen regionalen Hotspots. Dem RKI zufolge gibt es fast bundesweit viele kleine Infektionsherde.

Angesichts der steigenden Infektionszahlen mahnen Regierung und Opposition zur raschen Umsetzung der jüngst beschlossenen verpflichtenden Corona-Tests für Reiserückkehrer. Das Bundesgesundheitsministerium kündigte am Mittwoch an, der Bund werde die geplanten zusätzlichen Testmöglichkeiten finanzieren. Die Kosten würden durch einen erhöhten Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung übernommen, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.

SPD sieht Gesprächsbedarf

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich meldete in der Frage allerdings noch Gesprächsbedarf an. „Wenn die Allgemeinheit jetzt auch für solche Menschen bezahlen soll, die sich durch die Reise in ein Risikogebiet leichtsinnig in Gefahr begeben haben, finde ich das schwierig”, sagte Mützenich. Es gebe aber natürlich auch nachvollziehbare Reisen in Risikogebiete, etwa bei familiären Verpflichtungen, räumte der SPD-Fraktionschef ein. „Über dieses und andere Details werden wir noch einmal reden müssen”, so Mützenich weiter. Er forderte Spahn auf, die entsprechende Verordnung schnellstmöglich vorzulegen.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hingegen plädierte für eine pragmatische Lösung. „Wenn wir nicht die Kosten tragen, würden sich die Hochrisikobereiten nicht testen lassen. Also die Menschen, die sich an den Ferienorten, wie zuletzt in Spanien, rücksichtslos verhalten. Jetzt muss eine sehr schnelle und unbürokratische Lösung gefunden werden”, sagte er. Auch dass sich die privaten Krankenkassen nicht an den Kosten der Pflichtests beteiligen, ist aus Lauterbachs Sicht in der aktuellen Lage vertretbar. „Die bestehenden Ungerechtigkeiten des System sind im Moment kein wichtiges Thema.”

Verband sieht Bund in der Pflicht

Der Verband der Privaten Krankenversicherungen wies den Vorwurf zurück, die Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. „Wenn der Gesetzgeber Massentests von Menschen ohne Krankheitssymptome anordnet, ist das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zum Infektionsschutz. Nach Auffassung des Verbanden müssten die Kosten daher aus Steuermitteln gezahlt werden”, sagte ein Sprecher.

Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, kritisiert die Finanzierung der Tests durch die Allgemeinheit. „Es gibt keinen Grund, dass die Verkäuferin oder die Menschen, die aus Vorsicht oder Geldmangel auf eine Auslandsreise verzichtet haben, nun die Kosten für die Tests aller Reisenden mitzahlen sollen”, sagte er. „Eine zumindest anteilige individuelle Kostenübernahme ist zumutbar”, so Bartsch. „Sie hätte allerdings vor den Ferien verkündet werden müssen.”

Vorgehen bei Verweigerung unklar

Bereits in der kommenden Woche soll die Testpflicht in Kraft treten. Unklar ist noch, wie sie im Einzelfall umgesetzt wird, wenn Reiserückkehrer den Test verweigern. Theoretisch denkbar wäre auch eine Testung unter Anwendung von Gewalt. „Wenn die Verwaltungsanordnung zur Corona-Testpflicht durch Zwang durchgesetzt werden soll, ist das Aufgabe der Polizei. Wir müssen letztlich Recht durchsetzen und am Ende auch mit Zwang”, sagte Jörg Radek, Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Allerdings müsse die Entscheidung, wie konkret die Testpflicht durchgesetzt werden soll, noch auf Landesebene getroffen werden.

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Radek appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger: „Die Testpflicht erfordert ein hohes Maß an Verständnis von der Bevölkerung, denn so ein Test ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Grundsätzlich muss man zwischen der körperlichen Unversehrtheit des Einzelnen und den Interessen der Gesellschaft abwägen. Hier haben wir einen Fall, den wir im gesellschaftlichen Miteinander noch nicht hatten.” Der GdP-Vize fügte hinzu: „Ich rechne mit der Einsicht der Reiserückkehrer und einer Bereitschaft, sich freiwillig dem Corona-Test zu unterziehen.” (rnd)

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