HomöopathieSpahn möchte Kassen die Kostenübernahme nicht verbieten

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Globuli

Globuli stehen in Deutschland in der Kritik.

  • Bei einer Podiumsdiskussion hat Jens Spahn angekündigt, Krankenkassen die Kostenübernahme von Globuli nicht verbieten zu wollen.
  • Nach Meinung des Bundesgesundheitsministers habe die Homöopathie ihre Berechtigung.
  • Doch einige Politiker sehen das anders und kritisieren Spahn für seine Aussagen. Es ist ein moderner Glaubenskrieg ausgebrochen.

Berlin – Michael Porath ist offensichtlich ein Anhänger der Homöopathie. Der Mann aus Mecklenburg-Vorpommern greift zum Mikrofon und schaut hinüber zu dem Bundesgesundheitsminister auf dem Podium im Berliner China Club. Er sei beunruhigt über „Aussagen führender Funktionäre der Kassen, die Kostenübernahme infrage stellen“, sagt er ins Mikrofon. Was denn Jens Spahn dazu sage? Und wie er allgemein zur Alternativmedizin stehe?

Dienstagabend in der Hauptstadt: Der Bundesgesundheitsminister stellt sich beim „Berliner Salon“ den Fragen der Leser der Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). Und ist um kaum eine Antwort verlegen. Bei der Frage nach der Homöopathie holt der CDU-Politiker besonders weit aus. Weiß er doch, wie emotional das Thema diskutiert wird. Homöopathische Mittel, sie sind für manche nicht mehr als Scharlatanerie und Geschäftemacherei ohne nachweisbare Wirkung, andere jedoch schwören auf die kleinen Kügelchen. Darf also solch umstrittene Alternativmedizin von Krankenkassenbeiträgen bezahlt werden?

Jens Spahn: Es ist okay so, wie es ist

Alternativmedizin und Homöopathie, setzt der Minister an, hätten ihre Berechtigung. „Die spannende Frage ist, was zahlen Kassen und was nicht“, erläutert Spahn. Grundsätzlich gelte, aus Krankenkassenbeiträgen, „die wir alle finanzieren“, werde alles bezahlt, wo es einen Nachweis durch Studien gebe, dass es auch in der Behandlung wirke. Aber die Kassen könnten Globuli und Co. als sogenannte frewillige Satzungsleistung übernehmen.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Jens Spahn

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Er, argumentiert Spahn, sei dafür, Debatten richtig einzuordnen. Für Arzneimittel würden die Kassen jährlich bis zu 50 Milliarden Euro ausgeben, für Homöopathie dagegen lediglich 20 Millionen Euro. Darüber könne man jetzt wochenlang „mit ganz viel Emotion“ diskutieren und denen, „die auf diese Behandlung setzen“, voll vor den Kopf stoßen. Angesichts der „Verhärtungen“ in der Debatte müsse man aber auch fragen, ob es das wert sei. Dann sagt Spahn einen Satz, der den Gegnern der Homöopathie nicht gefallen kann. „Ich habe mich entschlossen: Es ist so okay, wie es ist.“

Jörg Kachelmann regt sich über Aussage auf

In 18 Monaten als Gesundheitsminister hat Spahn manche heikle Themen angepackt, etwa die Impfpflicht für Masern. Von einem Verbot der Homöopathie als Kassenleistung lässt er lieber die Finger. Zu groß wäre vielleicht der Ärger mit den lautstarken Anhängern dieser „besonderen Therapierichtung“, zu gering der Nutzen für die Krankenkassen, wenn man die Kostenerstattung verbieten wollte. Doch mit seiner aktuellen Positionierung hat er sich ebenfalls einen Proteststurm eingefangen. Und zwar von den Gegnern, die die Gelegenheit nutzen, in die Offensive zu gehen.

„Es kann nicht sein, dass ein plumpes Betrugsschema wie Homöopathie durch Krankenkassen bezahlt wird und skrupellose PolitkerInnen das so hinnehmen, weil sie es können“, schreibt etwa der Wetterexperte Jörg Kachelmann auf Twitter, wofür er viel Zustimmung bekommt.

Auch in der Politik lässt die Kritik an Spahns Haltung nicht lange auf sich warten. „So wenig Wirkstoffe, die Kügelchen haben, so wenig Rückgrat hat Jens Spahn, der die Placebos weiterhin von den Kassen bezahlen lässt“, sagte Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag.

Lauterbach: Der Staat muss zur Wissenschaft stehen

Koalitionspartner und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der die Kostenübernahme schon seit Jahren bekämpft, sieht durch den Spahn-Vorstoß sogar die Wissenschaft an sich in Gefahr. „So okay ist es nicht, wenn wir die Wissenschaft der Medizin aufgeben, nur weil es wenig kostet, medizinischen Unsinn zu bezahlen“, sagt der Gesundheitsökonom. „Der Staat muss zur Wissenschaft stehen. Auch im Konflikt. Immerhin stirbt der Patient, wenn er falsch behandelt wird.“

Tatsächlich sind die Regeln für die Erstattung von Medikamenten und Behandlungen in Deutschland eigentlich sehr klar. Die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Leistungen müssen laut Sozialgesetzbuch „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein. Bei herkömmlichen Medikamenten muss daher mit umfangreichen Studien nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich einen Nutzen haben. Davon wird sogar der Preis abhängig gemacht, den die Kassen an die Pharmaunternehmen zahlen.

Kassen sehen Homöopathie als Marketingmaßnahme

Das alles gilt aber nicht für homöopathische Mittel. Sie gehören zwar nicht zum regulären Leistungskatalog der Kassen, diese können die Übernahme der Kosten von Behandlungen und Globuli-Kügelchen aber freiwillig als sogenannte Satzungsleistung übernehmen. Das tun viele Kassen, allerdings zumeist nur mit einer Obergrenze. „Dass die Krankenkassen den gesetzlichen Rahmen für Angebote jenseits des einheitlichen Leistungskatalogs unterschiedlich nutzen, ist gut, denn das erhöht die tatsächliche Wahlfreiheit der 73 Millionen gesetzlich Versicherten“, heißt es offiziell beim Spitzenverband der Kassen. Der Satz macht aber auch deutlich, dass die Kassen die Homöopathie eher als Marketingmaßnahme verstehen.

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Als Begründer der Homöopathie gilt der deutsche Arzt Samuel Hahnemann. Er formulierte vor über 200 Jahren das sogenannte Ähnlichkeitsprinzip: „Wähle, um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll.“ Da er mit entsprechenden Substanzen bei Tests an Patienten zu starke Reaktionen auslöste, verdünnte er die Mittel extrem stark. Er war davon überzeugt, dass Verdünnung die Heilungswirkung verstärkt. Heutige homöopathische Mittel sind allerdings so stark verdünnt, dass sie oft nur wenige oder kein einziges Atom der ursprünglichen Tinktur enthalten. Die anschließend auf Zucker-Kügelchen verteilten Substanzen sollen quasi aus der Erinnerung heilen.

FDP fordert, dass Patienten Globuli selbst bezahlen

Kein Wunder also, dass sich derartige Rezepturen wissenschaftlichen Erkenntnissen entziehen. Zuletzt hat die höchste französische Gesundheitsbehörde den Stand der Wissenschaft dazu gesichtet und eigene Studien angestellt. Sie prüfte fast 1200 verschiedene Globuli und analysierte mehr als 1000 wissenschaftliche Publikationen. Das Ergebnis: keine Wirkung. Deshalb wird die 1984 eingeführte teilweise Kostenerstattung nun nach einer Übergangszeit wieder abgeschafft.

Die FDP hierzulande will einen pragmatischen Weg einschlagen: keine Verbote, sondern die homöopathischen Mittel behandeln wie Nahrungsergänzungsmittel aus der Drogerie, also Vitamine, Eisen oder Magnesium. Jeder, der die Homöopathie wolle, solle sie auch bekommen, sagt die Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnos. Die Mittel müssten dann aber auch selbst bezahlt werden.

Klare Unterstützung für Spahn kommt hingegen von den Grünen. Sie begrüße die „unaufgeregte Haltung des Gesundheitsministers zu dieser momentan wieder sehr emotional geführten Debatte“, sagte die Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche dem RND.

Die Komplementärmedizin sei eine wichtige Ergänzung zur Schulmedizin. Sie empfiehlt dem Gesundheitsminister allerdings, die Aufmerksamkeit nun wieder auf „weitaus wichtigere Themen“ zu richten: „Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass der akute Pflegekraftmangel mehr Aufmerksamkeit bekommt.“

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