Was bedeuten die Wahlergebnisse?„Für die Union kommt der Führungswechsel ungelegen“

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

 Armin Laschet (CDU) hält nichts von Alleingängen bei der Impfstoffbestellung.

  • Sophie Schönberger ist Co-Direktorin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Universität Düsseldorf.
  • Sie bewertet die Wahlergebnisse in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Und ihre Aussagekraft für die Bundestagswahl im Herbst.

Frau Professorin Schönberger, gibt es nach dem Sieg der Grünen in Baden-Württemberg und der SPD in Rheinland-Pfalz einen Kretschmann- oder einen Dreyer-Effekt, von dem die beiden Parteien im Bund lernen könnten? Den Effekt sehe ich vor allem im Amtsbonus, von dem die jeweilige Partei immer dann profitiert, wenn es nicht ganz schlecht läuft. Die Tendenz verstärkt sich in Zeiten wie diesen mit ihrer Ungewissheit und Situationen wie der Pandemie, die wir so noch nie erlebt haben. Eine schlechte Nachricht für alle Parteien im Bund, denn die Amtsinhaberin tritt nicht wieder an.

In der Tat. Für die Union kommt der Führungswechsel wenngleich unvermeidbar, so doch denkbar ungelegen. Trotzdem ist im Bund von einem gewissen Unionsbonus auszugehen im Sinne von „bekannt und bewährt“.

Allen Corona-Pannen zum Trotz?

Alles zum Thema Armin Laschet

Bevor das kippt, müsste schon noch mehr passieren als das Geruckel, das wir im Moment erleben.

Geht das Ministeramt, aus dem der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kommt, als Amtsbonus durch?

Nein, dieser Bonus beschränkt sich tatsächlich auf die Spitzenperson. Das hat die SPD ja als Partnerin in der großen Koalition ja nun schon mehrfach erlebt. Die Regierungsbeteiligung ist ihr am Ende jeweils eher schlecht bekommen.

Die Grünen wollen mit aller Macht an die Regierung im Bund. Ist Kretschmann als Typ dafür das Erfolgsmodell?

Der Sieg eines eher untypischen Grünen ist eher ein Indiz, dass die Partei vor einer Zerreißprobe steht. in der Frage, wie sehr sie auf die Option als Juniorpartnerin in einem Bündnis mit der Union setzt.

Was heißt das taktisch?

Als bürgerlich-ökologische Wohlfühlpartei links von der Union können die Grünen gewiss Stimmen von der CDU/CSU abziehen, wie sich am Ausgang der vergangenen Wahlen zeigt. Aber solche Erfolge gibt es nicht zum Nulltarif. Man zahlt immer einen Preis dafür. In diesem Fall wäre dies das Abwandern linker Wähler.

Ist das am Ende dann nur ein Rechenexempel?

Am besten fahren die Grünen bis zur Bundestagswahl, wenn sie weiter versuchen, die gegenwärtige Bandbreite potenzieller Wähler auch weiterhin zu bedienen. Das ist im Grunde das Modell, nach dem früher die Volksparteien funktioniert haben: nicht der einseitige, auf eine spezifische Klientel ausgerichtete Kurs, sondern die Ausrichtung auf Vielfalt.

Gibt Kretschmanns Erfolg denn zumindest einen Hinweis für die Entscheidung der „K-Frage“ bei den Grünen: Habeck oder doch Annalena Baerbock?

Unter der gerade genannten Prämisse ist die Doppelspitze das Cleverste, was die Grünen machen können. Sie bietet die beste Gewähr, den programmatischen Spagat in Personen zu verkörpern.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die „Fundis“ und die „Realos“ von früher gibt es zwar als idealtypisches Gegenüber nicht mehr, aber die Spannungen sind immer noch vorhanden, was für eine große Partei aber auch völlig normal ist. Ich halte die „K-Frage“ allerdings insgesamt für überbewertet.

Warum?

Auch wenn man sich das vielleicht ungern eingesteht, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass eine andere Partei als die Union den Kanzler stellt. Für das Funktionieren der Demokratie ist das keine berauschende Botschaft. Auch deshalb kommen die anderen Parteien und präsentieren ihre „Kanzlerkandidaten“, die in Wahrheit doch nur Spitzenkandidaten ohne echte Anwartschaft auf das Kanzleramt haben. Insofern ist die K-Frage als reale Machtfrage nicht so spannend.

Die von Robert Habeck anvisierte Position als stärkste Kraft...

...mag ein anregendes politisches Planspiel sein. Aber dass in den nächsten zwei, drei Bundestagswahlen wirklich so kommt, halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Die AfD hat in beiden Landtagswahlen nach ihren Erfolgen in der Zeit der Flüchtlingskrise jetzt deutlich verlorenWie stark schätzen Sie in der Corona-Krise den Einfluss einer Proteststimmung auf den Ausgang der Bundestagswahl im September ein?

Der Protest, von dem die AfD in den vergangenen Jahren profitieren konnte, war ein Vor-Pandemie-Protest, der sich aus einer Position relativer Sicherheit heraus auf bestimmte „ Missstände“ richtete. In der Pandemie ist dieses Gefühl von Sicherheit geschwunden, ohne dass es der AfD genutzt hätte.

Aber warum nicht?

Weil der AfD wird nicht zugetraut wird, dass an einer so existenziell schwierigen Lage wie der Pandemie etwas Wesentliches ändern könnte. Ich finde es interessant, dass in beiden Ländern die Freien Wähler recht gut abgeschnitten haben. Diese Entwicklung könnte mittelfristig auch auf Bundesebene spannend werden. Sie verdankt sich – wie in Bayern - einem konservativen Wählerspektrum, das sich von der Union abwendet, ohne bei der AfD zu landen, die sich immer weiter nach Rechts bewegt und ein Problem mit der Abgrenzung nach Rechtsaußen hat.

KStA abonnieren