Infizierte sollen nicht an den PrangerWie eine Corona-App funktionieren könnte

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Handy-Tracking in Zeiten der Corona-Krise sinnvoll sein.

Handy-Tracking in Zeiten der Corona-Krise sinnvoll sein.

Köln/Berlin – Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, sollen zeitnah auch Standortdaten von Smartphones genutzt werden. Die schnelle Verfügbarkeit einer solchen Technik gilt als eine Möglichkeit, die Ausbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 zu bremsen, wenn irgendwann die aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens gelockert werden. Unter anderem geht es darum, die nur in begrenzter Menge vorhandenen Corona-Tests zielgerichtet einsetzen zu können. Wie Infektionsketten anhand von Standortdaten aufgedeckt werden könnten – alle wichtigen Fragen und Antworten:

Gibt es bereits eine einsatzfähige Corona-App?

Bislang gibt es noch keine fertige Tracking-App, sondern nur ein offenes technisches Konzept namens PEPP-PT, das von einem Team von rund 130 Mitarbeitern aus 17 Instituten, Organisationen und Firmen in Europa entwickelt wurde.

Was beinhaltet das Konzept?

Im Gegensatz zu vielen Tracking-Apps aus Asien sollen Infizierte nicht an den Pranger gestellt werden. Vielmehr sollen freiwillige Anwender nachträglich alarmiert werden, wenn sie sich in der Nähe eines positiv getesteten Corona-Infizierten aufgehalten haben. Das setzt allerdings voraus, dass die infizierte Person das System auch verwendet. Die App soll grenzüberschreitend in ganz Europa funktionieren.

Wie funktioniert das technisch?

Technisch setzt das Projekt auf der Bluetooth-Technologie auf, die für die Datenübertrag zwischen Geräten über kurze Distanz gut geeignet ist. Über Bluetooth werden beispielsweise kabellose Kopfhörer oder Musikanlagen in Autos mit einem Smartphone verbunden. Der Einzelhandel verwendet die Technologie vereinzelt, um Kunden auf Sonderangebote in der Nähe aufmerksam zu machen.

Hat man die Corona-App installiert, sendet das Smartphone regelmäßig per Bluetooth eine ID, quasi wie ein kleiner mobiler Leuchtturm. Gleichzeitig lauscht die App auf die ID-Signale der anderen Nutzer, die sich in der Nähe befinden. Befinden sich zwei Anwender in der Reichweite des anderen, tauschen sie ihre IDs aus und speichern sie verschlüsselt lokal ab. Damit unterscheiden sie sich fundamental von den Pranger-Apps, die auch die GPS-Signale aufzeichnen und das gesamte Datenpaket an staatliche Stellen melden.

Wie werden Nutzer über eine mögliche Infektion informiert?

Bei einer Annäherung an eine infizierte Person schlägt die App nur nachträglich Alarm. Der Anwender wird nur über die Tatsache informiert, dass er sich in der Nähe eines infizierten Menschen befunden hat. Man erfährt dabei nicht, wer die infizierte Person war oder wo man sich begegnet ist.

Wer ist an der Entwicklung beteiligt?

An dem Projekt sind hochrangige wissenschaftliche Einrichtungen beteiligt, darunter allein drei Fraunhofer Institute, die Technischen Universitäten Berlin und Dresden, die Universität Erfurt, die Schweizer Top-Universität ETH Zürich, aber auch staatliche Einrichtungen wie das Robert Koch-Institut sowie Technologiefirmen wie Vodafone und Arago. Chris Boos, Chef des IT-Unternehmens Arago, sitzt im Digitalrat der Bundesregierung.

Auf der Website des Projektes PEPP-PT erklären die Initiatoren, eine Gesundheitskrise dürfe nicht zu einer Schwächung der Privatsphäre führen, für die so viele Generationen zuvor gekämpft hätten. „Die Entwicklung eines solchen Systems ist eine Herausforderung, aber eine, die es wert ist, angenommen zu werden.“ PEPP-PT sei eine Kerntechnologie, die einen international einsetzbaren Proximity-Tracing-Mechanismus bietet. „Auf dieser Grundlage kann jedes Land seine eigene Anwendung entwickeln und seine eigene sichere Infrastruktur bereitstellen.“

Funktioniert die Technologie ohne Einschränkungen?

Vodafone unterstützt das Projekt bei der Entwicklung der Technologie. Dabei musste auch berücksichtigt werden, dass die Bluetooth-Sensorik durch modellspezifische Eigenschaften eines Smartphones beeinflusst wird, also etwa durch das Antennen-Design sowie das Gehäuse eines Smartphones.

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Ist das alles Theorie oder wurde es bereits getestet?

In der Berliner Julius-Leber-Kaserne beteiligten sich nach Angaben der Bundeswehr etwa 50 Soldaten an einem ersten großen Praxis-Test für die Anwendung. Dabei kalibrierten sie die Technologie im Freien und in Gebäuden. (mit dpa)

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