„Wir werden überrollt“Die Corona-Krise ist wieder in den Kliniken angekommen

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Noch halten die Kliniken der hohen Belastung stand.

  • Die Anzahl der Intensivbetten für schwer erkrankte Corona-Patienten gilt in NRW noch als ausreichend und kann bei Bedarf weiter ausgebaut werden.
  • Doch die Belastungsgrenzen sind klar erkennbar. Die Krise ist zurück in den Krankenhäusern, auch in Köln.
  • Ein Lagebericht.

Köln – Mit dem heutigen Tag treten die neuen Corona-Regeln in Kraft. Das Ziel ist klar: Die Zahl der Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus muss gesenkt werden. Gelingt es, die Kurve abzuflachen, oder müssen immer mehr an Covid-19-Erkrankte stationär behandelt werden?

Die entscheidende Frage ist, wie lange die Kliniken einen massiven Anstieg an Corona-Patienten verkraften können. Erst in zwei bis drei Wochen zeigt sich, ob die Maßnahmen greifen. Auch in den Kölner Krankenhäusern ist die Situation angespannt. Wir haben nachgefragt.

Wie viele Intensivbetten gibt es in den Kölner Krankenhäusern?

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Auf den Intensivstationen von 20 Krankenhäusern stehen 466 Intensivbetten zur Verfügung. Davon waren am Freitag noch etwa zehn Prozent frei, wie Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärte. Allerdings sind die meisten Kliniken in der Lage, die Kapazitäten rasch hochzufahren. „Wir haben generell 14 Intensivbetten, diese Zahl können wir sofort um fünf bis neun Betten aufstocken“, sagt Dr. Michael Waldner, ärztlicher Direktor und Chefarzt der Urologie am St. Elisabeth-Krankenhaus (Hohenlind).

Bei den städtischen Kliniken gibt es 16 Betten auf der Infektionsstation. „Zusätzlich haben wir zwei Stationen ausschließlich für Covid-19-Patienten reserviert, eine in Merheim mit 18 Betten, eine in Holweide mit 22 Plätzen“, erläutert Professor Horst Kierdorf, Ärztlicher Direktor der Kliniken der Stadt Köln. Außerdem würden Aufwachräume in der Nähe der Operationssäle mit Überwachungseinheiten ausgerüstet, so dass bis zu zehn weitere Intensivbetten entstehen.

„Im Evangelischen Krankenhaus Kalk halten wir zehn Beatmungsbetten sowie weitere neun Intensivüberwachungsbetten im Regelbetrieb vor. Bei Bedarf können wir die Kapazität an Beatmungsbetten mehr als verdoppeln“, sagt Dr. Kilian Kalmbach, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Operative Intensivmedizin und Schmerztherapie. In den vier Häusern der Stiftung der Cellitinnen zur hl. Maria stehen Intensivplätze sowie Intermediate-Care-Einheiten (IMC) mit Beatmungsplätzen bereit. Das Heilig Geist-Krankenhaus hat elf Intensivplätze, das St. Franziskus-Hospital 14, das St. Marien-Hospital 16 und das St. Vinzenz-Hospital 21. Alle vier Kliniken haben zusammen auch noch 31 IMC.

Wie sieht es bei der Uniklinik Köln aus?

Die Uniklinik verfügt im Regelbetrieb über etwa 125 Betten auf Intensivstationen mit Beatmungsmöglichkeiten – verteilt auf unterschiedliche Fachgebiete wie Herzchirurgie, Anästhesiologie, Infektiologie, Onkologie, Kardiologie, Neurologie oder Pädiatrie. Die Covid-Patienten werden auf der internistischen Intensivstation behandelt. „Wir sind aufgrund vorliegender Notfallkonzepte gut darauf vorbereitet, unsere Behandlungskapazitäten unter Extrembedingungen – gerade für die schwersterkrankten Patienten mit Covid-19 – kurzfristig um mehr als 50 Prozent steigern zu können“, erklärt Christoph Wanko, stellvertretender Pressesprecher der Uniklinik. Professor Michael Hallek, Direktor der Klinik für Innere Medizin, erklärte jüngst, dass innerhalb von 24 Stunden zehn zusätzliche Betten für Intensivpatienten frei gemacht werden können. Die Gesamtzahl der Intensivbetten an der Uniklinik könne binnen weniger Tage auf bis zu 200 Betten erhöht werden.

Wie verteilen sich die Corona-Patienten auf die Kliniken?

Am Freitag gab es laut Christian Miller, Chef der Kölner Berufsfeuerwehr, 224 Corona-Patienten in Köln, davon wurden 45 Erkrankte auf einer Intensivstation behandelt. Die Patienten verteilen sich sehr unterschiedlich (alle Zahlen Stand 30. Oktober). In den Krankenhäusern in Merheim und Holweide gab es 36 Covid-Patienten auf der Normalstation, 17 auf der Überwachungsstation. „Wir werden seit etwa zehn Tagen von einer Welle mit Corona-Patienten überrollt“, erklärt Horst Kierdorf.

In der Uniklinik waren es 14 Covid-19-Patienten, acht auf der Intensivstation. Laut Dieter Kesper, Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung der Cellitinnen, zu der das Krankenhaus der Augustinerinnen, das St. Antonius-, das St. Agatha- und das St. Hildegardis Krankenhaus gehören, wurden in den vier Häusern rund 50 Patienten im Zusammenhang mit Covid-19 behandelt. Intensivbetten seien nicht mehr an allen Standorten verfügbar. Es könnten noch Kapazitäten auf den Normalstationen geschaffen werden.

Die Zahl der Intensivbetten ist eine Sache, wie sieht es bei den Pflegekräften aus?

Bereits in der ersten Phase der Corona-Pandemie haben die Krankenhäuser Pflegekräfte aus verschiedenen Bereichen geschult, um sie bei Bedarf auf den Intensivstationen einzusetzen. „Wir würden auch gerne zusätzliche Mitarbeiter einstellen, aber es gibt keine“, sagt Michael Waldner aus Hohenlind. Die städtischen Kliniken Köln haben sich früh auf die zweite Welle vorbereitet und mit Leiharbeitskräften verstärkt. „Damit haben wir schon im September begonnen“, sagt Kierdorf.

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Die Uniklinik Köln ist ebenfalls darauf vorbereitet, „Pflegekräfte aus anderen Bereichen in die Arbeit auf den Intensivstationen zu integrieren.“ Dieter Kesper weist in dem Zusammenhang auf ein zusätzliches Problem hin. „Sollten vermehrt Mitarbeiter erkranken, kann es in den nächsten Wochen vorkommen, dass nicht genügend Pflegepersonal für die Betreuung der Intensivpatienten vorhanden sein wird. Wir betrachten die aktuelle Situation daher als sehr ernst. Was uns ebenfalls Sorge bereitet, ist die wirtschaftliche Tragweite der Pandemie. Denn das Unterstützungsprogramm der Bundesregierung für die Krankenhäuser ist ausgelaufen. Die Finanzierung für die Behandlung von Covid-19-Patienten ist zu gering, um die Kosten zu decken.“

Können alle Corona-Patienten untergebracht werden?

„Jeder Covid-19-Patient bekommt in einer der Kölner Kliniken einen Platz. Allerdings beobachten wir seit etwa zwei Wochen, dass die Rettungswagen länger brauchen, um diese Plätze zu finden und die Patienten unterzubringen“, sagt Professor Christian Karagiannidis, Sprecher des DIVI-Intensivregisters der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Ein Grund ist, dass Kliniken in dem Register mehr freie Betten angeben als verfügbar sind, obwohl einige wegen Personalmangels nicht genutzt werden können. „Das heißt, in Deutschland gibt es weniger freie Intensivbetten als angenommen. In Köln melden die meisten Kliniken aber richtige Daten.“ Karagiannidis ist Ärztlicher Leiter der Lungenintensivstation des Krankenhauses in Merheim.

Patienten mit schweren Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs müssen weiter behandelt werden. Wie sicher können sie sich im Krankenhaus fühlen? 

Dazu Dr. Andreas Schlesinger, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Pneumologie am St. Marien-Hospital: „Als Krankenhaus mit pneumologischem (also lungenmedizinischem) Schwerpunkt haben wir in unserem Haus seit Ausbruch der Pandemie regelmäßig Covid-19-Patienten professionell versorgt. Die Behandlung infektiöser Patienten ist Ärzten und Pflegekräften durch den Umgang mit anderen hochinfektiösen Lungenerkrankungen vertraut, ebenso besteht ein hohes Bewusstsein für die entsprechenden Hygienemaßnahmen.

Für Michael Waldner ist das Krankenhaus sogar „einer der sichersten Orte derzeit. Jeder, der stationär aufgenommen wird, wird auf das SARS-CoV-2-Virus getestet. Wer ein positives Testergebnis hat, kommt auf die Isolierstation. Also ich denke, das Ansteckungsrisiko ist beim Busfahren höher.“  

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