Konkurrenten unter sich: Armin Laschet und der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (r.).
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Köln –
Herr Loubichi, Sie sind laut Münchner Parteizentrale das erste CSU-Mitglied Kölns. Vorher waren Sie sehr viele Jahre lang CDU-Mitglied. Was ist da vor einigen Wochen passiert?
Ich bin Ende der 1980er in die CDU eingetreten, weil mich die Aufrichtigkeit einiger Politiker auf kommunaler Ebene und Landesebene beeindruckt hatte. Zwischendurch habe ich mein Parteibuch schon einmal abgegeben. Damals, zum Ende der Ära Kohl, während der Schmiergeldaffäre, musste ich feststellen, dass der Wertekanon, der da von vielen Politikern gelebt wurde, nicht mehr meinem entsprach. Jetzt hat mich seit geraumer Zeit gestört, dass die CDU vor allem in den neuen Bundesländern ihre rechte wie linke Flanke öffnet. Da hätte man sich viel deutlicher abgrenzen müssen.
Sie spielen auf Hans-Georg Maaßen an, der jetzt zur Bundestagswahl für die CDU als Direktkandidat in Thüringen antritt?
Stefan Loubichi ist Wirtschaft-Informatiker und Kölner CSU-Mitglied.
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Genau. Was er beispielsweise zur Hetzjagd in Chemnitz gesagt hat, wie er damals versucht hat, Druck auf die Sicherheitsbehörden auszuüben und die These der Bundesregierung von einer „Hetzjagd“ in Zweifel zu ziehen, das war und ist für mich untragbar. Dieser Mann hat der Union schon genügend Gründe für ein Parteiausschlussverfahren gegeben. Warum zögert die CDU da? Die Grünen haben doch auch klar gesagt, einen wie Boris Palmer, den wollen wir bei uns nicht. Der Anstand hätte es geboten, dass Armin Laschet als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat sich auch bezüglich Maaßen so klar äußert. Vielleicht hätte ein Parteigericht Maaßen aus formellen Gründen nicht rausgeworfen, aber man hätte es versuchen müssen. Auch das Paktieren mit der AfD in manchen Kreisen ist für mich inakzeptabel. Das ist ein No-Go und darf niemals der Fall sein. Aber auch mit den Linksextremen machte die CDU zur Not mindestens in einem Fall gemeinsame Sache, wenn es denn dem eigenen Machterhalt dient. In Mecklenburg-Vorpommern hat die CDU einer Verfassungsrichterin zugestimmt, die einer antikapitalistischen, vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung angehört.
Wo war der Punkt erreicht, als Sie dachten, jetzt reicht es?
Sowohl bei der Wahl des CDU-Bundesvorsitzenden als auch bei der Kür des Kanzlerkandidaten. Da hatte ich den Eindruck, dass die CDU in ihren Entscheidungsprozessen den Bezug zur Basis verloren hat. Es geht mir hier nicht um die entsprechenden Personen, sondern wie die Personen „gefunden“ wurden.
Ja! Meines Erachtens haben viele Leute in der CDU nicht erkannt, dass wir eine auf ökologischer Nachhaltigkeit basierende Politik brauchen. Das hat Söder verstanden. Die Leute erwarten zu Recht, dass man ihnen sagt: Zu diesem Datum ist Schluss mit den veralteten umweltschädlichen Mineralkraftstoffen, den Kurzstreckenflügen oder dem ganze Landschaften zerstörenden Braunkohleabbau. Wir brauchen da klare Visionen. Kein: Schauen wir mal. Ich habe einen fünf Jahre alten Sohn. Ich will eine Politik, die meinem Sohn eine lebenswerte Zukunft ermöglicht.
Was halten Sie von Armin Laschet?
Er mag ein guter Ministerpräsident für NRW sein. Aber mir fehlt bei ihm manchmal die Verbindlichkeit. Das mag auch an der CDU-FDP-Koalition und ihrer teilweise old-fashioned-neoliberalen Wirtschaftspolitik liegen, aber er ist „Chef“ dieser Koalition. Eine derartige Politik kann aber nur eine Übergangslösung sein. Und da muss man dann auch mal einen deutlichen Kurs fahren: sich klar zu ökologischer Politik bekennen. Auch und gerade wenn man dafür unbequem werden muss und der Autolobby oder der industriellen Landwirtschaft nicht nach dem Mund reden kann. Auch in der Corona-Krise ist mir Laschets Handeln nicht immer positiv aufgefallen. Da war mir zu viel Hin und Her. Möbelhäuser auf, Museen zu. Das finde ich nicht nachvollziehbar. Wo bleibt da der Mut zur Konsequenz?
Das klingt alles fast, als wären Sie besser bei den Grünen eingetreten.
Naja, der ganz klassische CDUler war ich nie. Meine Freunde sagen, ich bin ein grüner Schwarzer mit einer sozialen Seele. Ich bin italienischer Migrant aus einer Arbeiterfamilie, verheiratet mit einer Araberin und bereits, bevor ich diese Frau kennengelernt habe, zum Islam konvertiert. Dennoch: Ich bin bei der Union, weil mir die Verankerung der religiösen Werte wichtig ist. Und zwar aller Religionen, vor allem bei den mir bekannten Religionen Christentum, Islam, Judentum.
Und die Muslime werden von der CSU besser vertreten?
Ich finde ja. Die CSU fällt manchmal mit harschen Worten im Bierzelt auf. Ich habe sie aber immer offener und toleranter erlebt als die Schwesterpartei. Meine Frau und ich haben zum Beispiel ein Kind aus Marokko adoptiert. Da gab es eine riesige Unterstützung von Kollegen aus der CSU in Bayern. Da war immer klar: Es ist doch völlig egal, wo das Kind herkommt und was das für eine Religion hat. Es geht ja um den Menschen. Und das entspricht genau meiner Vorstellung. Ich bin gern im Kölner Dom, ich habe Freunde im Synagogenverband, ich bin jetzt selbst Moslem. Diese Weltoffenheit ist mir extrem wichtig.
Nun ist Markus Söder auch nicht schon immer für seine ökologische Ader und religiöse Weltoffenheit bekannt.
Das stimmt. Den Markus Söder von vor drei Jahren hätte ich mir nicht als Kanzler gewünscht. Aber: Der Mann hat sich entwickelt. Christlich gesprochen: Er hat sich vom Saulus zum Paulus gewandelt. Manche sagen, das habe er nur getan, weil er sich jetzt nach dem Willen des Volkes richtet. Ich sage: Es ist gut seine Meinung zu ändern, wenn man begriffen hat, dass man falsch lag. Das ist für mich Stärke! Wir machen alle jeden Tag Fehler, aber man muss aus den Fehlern lernen.
Und sein anhaltendes Gestichel jetzt? Kostet das der Union im September Stimmen?
Fehlende Geschlossenheit schadet einer Partei immer. Und es gehört zu gutem Stil, dass man nicht gegeneinander schießt, wenn man zusammen eine Wahl gewinnen möchte. Trotzdem: Ich glaube immer noch daran, dass Söder Kanzler werden könnte. Merkel hat 2002 auch erstmal Stoiber den Vortritt gelassen und 2005 hat es dann für sie geklappt. So könnte ich mir das bei Söder auch vorstellen.
Das wäre wohl dann am wahrscheinlichsten, wenn die nächste Bundeskanzlerin nicht Laschet, sondern Baerbock hieße.
Warum nicht? Ich mache keinen Hehl daraus, dass meiner Meinung nach die Zukunft in Schwarz-Gün liegt. Oder in Grün-Schwarz. Das wäre für mich auch ok. Und Baerbock jetzt wie Teile der CDU vorzuhalten, sie habe keine Regierungserfahrung, finde ich nicht korrekt. Obama hatte auch keine Regierungserfahrung und dann waren alle begeistert. In jedem Fall glaube ich, dass aus dieser Konstellation bereichernde Ideen erwachsen. Wir brauchen den inneren tiefen Geist, dass wir diese veralteten Strukturen aufbrechen müssen. Mit Union und den Grünen kommen wir weiter. In Köln klappt das doch auch gut.
Was stört Sie noch an der CDU?
Die verkrusteten Strukturen. Es gibt kaum Quereinsteiger, überall nur CDU-Eigengewächse. Das führt dazu, dass viele Politiker keine Ahnung von der Materie haben, die sie vertreten müssen. Ein Paul Ziemiak hat noch nie etwas anderes gemacht als Politik. Von Philipp Amthor müssen wir gar nicht erst reden. Und auch ein Jens Spahn hat nicht die fachliche Kompetenz in Sachen Gesundheitspolitik wie ein Gesundheitsminister Karl Lauterbach gehabt hätte. Der weiß immerhin, wovon er spricht. Und wir müssen damit aufhören, dass politische Jobs nur nach Parteibuch vergeben werden und die fachliche Kompetenz zweit- oder drittrangig ist. Ein Justizminister ist in der Regel Jurist, wieso kann ein Bankkaufmann Gesundheitsminister in einer Pandemie sein und bleiben, wenn er am laufenden Band Versprechungen macht, die er dann immer wieder zurücknehmen muss?
Zur Ehrenrettung: Gibt es auch CDUler, die Sie schätzen?
Natürlich. Hermann-Josef Arentz schätze ich sehr für seine offene, kompetente Art. Dann unsere Kanzlerin: Die halte ich für eine tolle, bewundernswerte Politikerin. Gerade in der Flüchtlingskrise, aber auch in der Finanzkrise ist sie über sich hinausgewachsen. Daniel Günther aus Schleswig Holstein macht auch eine super Arbeit.
Was müsste passieren, damit sie wieder in die CDU eintreten?
Wichtig sind mir die Themen. Die CDU müsste sich ernsthafter für ökologische Nachhaltigkeit, gerechtere Bildungschancen, mehr soziale Gerechtigkeit und die Unterstützung von Migranten einsetzen. Im Moment ist das meiner Meinung nach sehr verbesserungsfähig. Insofern will ich meine Parteizugehörigkeit eigentlich so belassen. Das ist für mich stimmig.