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„Memori Ahr“Ein Stelenweg erinnert entlang der Ahr an die Flutkatastrophe

7 min
Eine Gruppe Menschen steht im Halbkreis um ein Rednerpult, an dem Landrat Markus Ramers steht. Im rechten Bildrand befindet sich eine Stele.

Die erste von 34 Stelen entlang der Ahr steht im Quellort Blankenheim. Dort wird am Weiher an die Flut erinnert.

Der Weg hat 34 Stelen. Jetzt wurde die erste Stele in Blankenheim eingeweiht. Bis Ende 2026 soll das Projekt abgeschlossen sein.

„Memori Ahr“ heißt ein Stelenweg, der an die Flutkatastrophe, ihre Opfer und den Wiederaufbau in den betroffenen Orten entlang des Flusses und seiner Nebenbäche erinnert. Insgesamt 34 Stelen sollen zwischen der Quelle und der Mündung in den Rhein aufgestellt werden. Jetzt wurde die Stele für den Quellort Blankenheim am Weiher eingeweiht.

135 Tote forderte das verheerende Hochwasser vom 14. auf den 15. Juli 2021 allein entlang der Ahr in Rheinland-Pfalz, 40.000 Menschen verloren dort teilweise ihr gesamtes Hab und Gut. Häuser wurden zerstört, Brücken von den Fluten weggerissen. Auch vier Jahre danach wirken die Schrecken dieser schlimmsten Naturkatastrophe in der Region seit vielen Jahrhunderten nach. Im Kreis Euskirchen forderte sie 26 Tote, 49 waren es in NRW insgesamt. Keine Toten hatten die Menschen in der Gemeinde Blankenheim zu betrauern.

Dennoch kostet der noch nicht beendete Wiederaufbau auch dort rund 17 Millionen Euro. Das ist allerdings nur ein Bruchteil der Summen, die etwa für die Kommunen in der Nachbarschaft auf rheinland-pfälzischer Seite veranschlagt werden: 1,8 Milliarden sind es in der Verbandsgemeinde Altenahr, 1,2 Milliarden in Adenau.

Sieben Menschen starben auf dem Campingplatz Stahlhütte

Ja, man sei sich dessen bewusst und umso dankbarer, dass die Gemeinde Blankenheim dennoch Teil des Memori-Ahr-Projekts geworden sei, so Blankenheims Bürgermeisterin Jennifer Meuren bei der Einweihung der Gedenkstele am Weiher. Dort steht jetzt eine der vierseitigen, 2,40 Meter hohen Skulpturen aus Cortenstahl. Geschaffen hat sie der aus Kirchdaun bei Bad Neuenahr stammende Grafikdesigner Andreas Schmickler. 17 der 34 geplanten Stelen zwischen Blankenheim und der Mündung der Ahr in den Rhein bei Sinzig sollen bis zum Jahresende aufgestellt sein, alle 34 bis Ende 2026.

Natürlich war man auch in der Gemeinde Blankenheim vor vier Jahren von dem schockiert, was schon wenige hundert Meter jenseits der Landesgrenze mit einer ersten Tragödie begonnen hatte. Sieben Tote forderte das Hochwasser auf dem nahen Campingplatz Stahlhütte. Sechs Camper und eine Feuerwehrfrau verloren in den Fluten ihr Leben. Den Opfern wurde schon im Herbst 2021 eine Gedenkstele am Ahrufer gewidmet.

Landrat Markus Ramers sprach von seinen Erinnerungen an die Flutnacht

Bei der Einweihungsfeier der Blankenheimer Memori-Ahr-Stele erinnerte auch Landrat Markus Ramers an das, was er – gerade noch jung im Amt – in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 miterlebt hatte. 700 Quadratkilometer der Kreisfläche seien am Ende von den Verwüstungen betroffen gewesen, die die Hochwasser von Erft, Olef und Urft sowie zahlreicher, sonst so kleiner Gewässer verursacht hatten.

In etlichen Orten richtete das Wasser enorme Verwüstungen an, Gemünd und Bad Münstereifel wurden wohl am härtesten getroffen. Eine weitere Katastrophe wurde verhindert, weil an der Steinbachtalsperre der Dammbruch verhindert und damit die Orte unterhalb geschützt wurden: Feuerwehr, THW und Bundeswehr setzten über Tage hinweg enorme Pumpkapazitäten ein – und Hubert Schilles baggerte unter Einsatz seines Lebens den Grundablass frei.

Unzählige Helfer packten nach der Flutkatastrophe mit an

„Wir hatten damals in den ersten 24 Stunden an die 8000 Notrufe in der Leitstelle“, so Ramers, der sich im Rahmen der Einweihung in Blankenheim neben all dem Schrecken der Katastrophe auch gerne an die „unvorstellbare Unterstützung durch die Blaulicht-Familie und unglaubliche Hilfsbereitschaft der unzähligen Freiwilligen“ erinnerte.

Bürgermeisterin Jennifer Meuren brachte das Beispiel von Helfern aus Hamburg an: Mit ihrem Fahrzeug voller Spaten seien sie angereist und hätten gefragt, wo sie die Hilfsmittel denn abgeben sollten. Bis heute halte diese für ihn bis dahin nicht vorstellbare große Hilfsbereitschaft an – aus ganz Deutschland, auch aus Europa, berichtete ein sichtlich bewegter Horst Gies, Landtagsabgeordneter aus Bad Neuenahr und ehrenamtlicher Beigeordneter des Kreises Ahrweiler.

Doch so groß der damalige Schrecken, so bemüht alle Ahr-Anliegerkommunen beim gemeinsamen Hochwasserschutzkonzept sind, so groß ist die Gefahr des Vergessens. Das ist der Ansatz für „Memori Ahr“, wie die Initiatorin Annette Holzapfel erklärt. Sie will mit dem Stelenprojekt erinnern. Denn, so Ramers: „Diese Naturkatastrophe wird wie die schöne Landschaft auf immer mit unserer Region verbunden sein.“

Bürgerinitiative „Memori Ahr“ will einen Weg der Zukunft schaffen

Anfang 2022 hatten sich mit Holzapfel 31 Männer und Frauen zur Bürgerinitiative „Memori Ahr“ zusammengefunden, um einen „Weg der Erinnerung für die Zukunft“ zu schaffen, der durch alle von der Flut betroffenen Orte an der Ahr führt. „Ein Weg der Zukunft“, so Holzapfel, „weil wir als Gesellschaft stolz sein können auf das bis dahin unbekannte Ausmaß an Zusammenhalt und Solidarität“. Der Wiederaufbau des Ahrtals mit seinen Leuchtturmprojekten sei ein wichtiges Thema nicht nur auf den Stelen selbst, sondern auch in der begleitenden virtuellen Ausstellung, die per QR-Code von jedem Stelenstandort aus aufrufbar ist.

In der Dokumentation im Internet sind 50 Erlebnisberichte aus den einzelnen Orten, Fotos und Videos mit 35 Zeitzeugen zu finden. Die Online-Dokumentation hat das rheinland-pfälzische Kulturministerium finanziert. 33 der geplanten 34 Stelen werden in Rheinland-Pfalz von den Anliegerkommunen und dem Kreis Ahrweiler bezahlt, die Blankenheimer Stele von der Kreissparkasse Euskirchen, Kosten dafür rund 3200 Euro.

Jede der Stelen hat vier Seiten. Eine, die der Flut als solcher gewidmet ist, dargestellt mit Fotos, Grafiken und Texten. Eine zweite Stelenseite greift ein übergeordnetes Thema auf, etwa den Hilfseinsatz der Blaulicht-Familie – Feuerwehr, THW, DRK und andere Rettungsdienste sowie Polizei – auf. Zwei Seiten sind dem Flutgeschehen vor Ort gewidmet. Die Texte zu Blankenheim inklusive des Wiederaufbaus hat Michelle Karschat, Mitarbeiterin in der Verwaltung, verfasst. Sie ist auch Autorin des „Bankenheim“-Eintrags in der virtuellen Dokumentation.

So verbindet „Memori Ahr“ im Gedenken der Katastrophe zwei Landkreise und zwei Bundesländer. „Es soll auch unsere Fähigkeit, einander zu helfen und zu unterstützen, bewusst machen“, so Annette Holzapfel. Der Stelenweg, der in Blankenheim seinen Anfang nimmt, soll, so ihre Hoffnung, „auch erinnern an das Großartige im Menschen“.


Orte des Erinnerns

Das Gedenken an die Flutkatastrophe und ihre Opfer im Ahrtal hat entlang der vom Hochwasser betroffenen Orte schon früh verschiedene Gedenkstelen und Erinnerungsorte gefunden. Im Herbst 2021 wurde am Ahrufer bei Stahlhütte eine 2,60 Meter hohe und rund 3,5 Tonnen schwere Stele aus Eifeler Basalt errichtet, die an die sieben Toten auf dem Campingplatz Stahlhütte unweit der Landesgrenze erinnert. Die Idee hatte ein Ehepaar, das damals auf dem Campingplatz war, die Steinmetzarbeiten besorgte ein Fachbetrieb aus Marmagen.

„Hier in Ahrdorf teilen wir den Schmerz all jener, die in den Fluten so viel verloren haben“, steht auf der Gedenktafel an der oberen Ahrbrücke nach Ahrdorf.

In einem Gedenkstein ist eine Grabkerze eingelassen. Auf dem Basaltstein stehen die Namen der Verstorbenen.

Dieser Basaltstein am Ahrufer unterhalb des Campingplatzes Stahlhütte erinnert an die sieben Menschen, die bei der Flutkatastrophe gestorben sind.

Oberhalb von Blankenheimerdorf wird mit der Gedenkstätte des Landes der 49 Opfer gedacht, die die Flutkatastrophe in NRW gefordert hat. Am Ende eines Feldes pflanzte Ministerpräsident Hendrik Wüst 2022 symbolisch die 49. Linde.

Orte der Information

Andreas Schmickler kam an den Auftrag für den Entwurf der Cortenstahl-Stelen fast durch einen Zufall. Der Werbegrafiker erstellt eigentlich in erster Linie Wander- und touristische Informationstafeln. Anfang 2022 arbeitete er an einem Buch über die Flutkatastrophe, als man ihn zu einem ersten Treffen der neu gegründeten Bürgerinitiative „Memori Ahr“ einlud. Und dann nahen die Dinge ihren Lauf.

Annette Holzapfel und Andreas Schmickler stehen an einer Stele, auf der „Die Flut in Blankenheim“ steht. Es sind mehrere Bilder zur Flutkatastrophe mit Textelementen versehen.

An der Blankenheimer Stele: Initiatorin Annette Holzapfel und Grafikdesigner Andreas Schmickler.

Die Wahl des Materials war einfach. „Der Cortenstahl ist wetterbeständig. Der hält ein paar Jahre“, so Schmickler. Die vier 2,40 Meter hohen Seitenteile, zwei davon werden vor Ort einbetoniert und alle Seiten verschraubt, haben eine unregelmäßige Spitze. „Sie wirkt wie abgebrochen.“

„Die Stele soll so zum Beispiel an abgebrochene Brückenpfeiler erinnern“, so Schmickler. Wer genauer hinschaut, erkennt in dem wellenartigen Kantenverlauf aber auch den stilisierten Verlauf der Ahr, die Hänge der Uferberge und Brücken. Darunter sind auf Alu-Dibond-Tafeln an zwei Seiten unter dem in den Stahl eingefrästen Namen des Standortes Informationen zum Geschehen zu finden. „Das ist alles nicht gerade wenig an Informationen. Eine Viertelstunde braucht an wohl für alles,“ sagt Schmickler. Die Mühe halte er aber für angemessen: „Schließlich geht es hier ja nicht um eine Spielerei.“