Politikwissenschaftler Thomas Poguntke findet die schlechte Stimmungslage in den NRW-Großstädten beunruhigend – und nennt Gründe dafür.
Politologe zum „NRW-Check“„Dass nur 8 Prozent der Menschen mit den Schulen zufrieden sind, ist schon ein Hammer“

Blick auf den Schulhof der GGS Nesselrodestraße (Symbolbild). In NRWs Großstädten sind die Menschen mit den Schulen insgesamt sehr unzufrieden.
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Herr Professor Poguntke, was ist Ihnen im aktuellen NRW-Check besonders aufgefallen?
Thomas Poguntke: Als Erstes die klare Bestätigung der These: Auf dem Land lebt sichs besser. Das spricht aus allen Antworten. Die einzige Ausnahme ist das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs, das naturgemäß in Großstädten besser ist. Dass dort aber nur noch acht Prozent der Menschen mit den Schulen zufrieden sind – das ist schon ein Hammer. Gerade auch, weil die Schulpolitik eine der letzten verbliebenen Länderkompetenzen ist.

Thomas Poguntke (r.) ist seit 2011 Co-Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Uni Düsseldorf.
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„Zufriedenheit“ ist ein weiches Kriterium, fast so wie die „gefühlte Temperatur“ beim Wetter. Wie handhaben Sie als Politikwissenschaftler diesen Faktor?
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Die Zufriedenheit der Wählerinnen und Wähler ist politisch außerordentlich relevant. Die Menschen machen ihre Unterstützung für eine Partei und ihre Entscheidung am Wahltag ganz wesentlich von ihrer Zufriedenheit mit den Lebensbedingungen in ihrer Kommune abhängig. Selbst man nun herginge und die Zustände zum Beispiel an den Schulen anhand von Daten „objektivieren“ wollte, würde das die alltägliche Wahrnehmung nicht überblenden. Deshalb tun Politiker gut daran, sehr sorgsam auf die Zufriedenheitswerte zu achten. Und übrigens: So furchtbar weit ist auch die gefühlte Temperatur nicht von dem entfernt, was das Thermometer zeigt.
Dass die Stimmungslage in den Großstädten so ausnehmend schlecht ist, müsste Oberbürgermeistern und Stadträten zu denken geben, oder?
Die Umfrage-Ergebnisse sind nicht immer der mangelnden Qualität von Kommunalpolitik geschuldet. Nehmen Sie die Schulen. Großstädte tun sich schwerer damit, gute Lehrkräfte zu gewinnen als kleine Kommunen, wo– nur ein Beispiel – für dasselbe Geld besserer Wohnraum zu bekommen ist. Auch die Migrationsproblematik konzentriert sich auf die Großstädte. Trotzdem, da haben Sie Recht, ist die verbreitete Unzufriedenheit in den Städten Nordrhein-Westfalens mit mehr als 500.000 Einwohnern beunruhigend.
Stichwort Migration – dieses Thema hat sich im „NRW-Check“ aktuell wieder auf Platz eins der Liste mit den größten Problemen Nordrhein-Westfalens geschoben. Dabei hören wir doch ständig, dass die Zahl von Asylsuchenden stark sinkt.
Damit schwindet aber noch lange nicht der Problemdruck. Es geht hier vor allem um die Art und Weise, wie die Kommunen damit umgehen können. Also: Gibt es genügend Sprachkurse? Wie sieht es mit der Integration aus, insbesondere an den Schulen? Solche Fragen haben sozusagen einen sehr langen Nachlauf.
Werfen wir noch einen Blick auf die Landesregierung!
Da setzt sich im „NRW-Check“ ein Trend fort, der für die beiden Koalitionspartner CDU und Grüne sehr unterschiedlich komfortabel ist.
Nämlich?
Ministerpräsident Hendrik Wüst ist mehr und mehr auf dem Weg zum Landesvater – mit hohen Zustimmungswerten auch jenseits des eigenen Lagers. Zusammen mit ihm sind die CDU-Minister Herbert Reul und Karl-Josef Laumann die einzigen wirklich bekannten und beliebten Politiker. Gegen dieses Trio fallen die Grünen im Kabinett deutlich ab – angefangen bei der stellvertretenden Ministerpräsidentin Mona Neubaur.
Die Fokussierung auf den Regierungschef in NRW entspricht allerdings dem, was in der Landespolitik generell zu beobachten ist.
Das ist richtig. Gleichwohl wird man für NRW sagen müssen, dass die Schwäche des grünen Spitzenpersonals in der Regierung ein Problem für die Grünen als Regierungspartei ist. Hingegen ist es speziell Hendrik Wüst über die Jahre gelungen, auch bei den Wählern anderer Parteien peu à peu hier ein Prozentpünktchen zu holen, da ein Pünktchen zuzulegen. Am Ende trägt das zu einem deutlichen Landesbonus der CDU im Vergleich zur Bundespartei bei. Wüst mit seiner NRW-CDU sorgt im Land für ein diffuses Wohlbefinden. Gut für ihn, für alle anderen ein strategisches Problem.
Thomas Poguntke, geb. 1959, ist Politikwissenschaftler und seit 2011 Co-Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Uni Düsseldorf.