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„Mir fehlte der Anlass zu Argwohn“Wie Hendrik Wüst die Rahmede-Untersuchung wahrscheinlich beendet hat

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Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, steht vor dem Untersuchungsausschuss im Landtag.

Hendrik Wüst (CDU) war von 2017 bis zu seinem Amtsantritt als Regierungschef im Oktober 2021 Landesverkehrsminister. Deshalb befragte ihn der Untersuchungsausschuss zum Desaster um die Rahmede-Talbrücke als Zeugen.

Arg- und ahnungslos in der Sache - so präsentierte sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zum Desaster um die Rahmede-Talbrücke. Warum die Details trotzdem spannend sind.

Nach 37 Sitzungen in zwei Jahren, nach knapp 100 Zeugen, die zu den Hintergründen des Desasters um die inzwischen längst gesprengte Rahmede-Talbrücke befragt wurden, darf man eine Prognose wagen: Dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss, einer von fünfen, die der NRW-Landtag in dieser Legislaturperiode eingesetzt hat, dürfte sich ergebnislos totlaufen.

Nicht, dass es nicht noch offene Fragen gäbe. Allen voran die, warum das marode Bauwerk, das alle Prüfungen im Auftrag des Landesbetriebs Straßen NRW bis Ende 2020 mit der Note befriedigend überstanden hatte, elf Monate nach der Übernahme durch die neue Autobahngesellschaft des Bundes urplötzlich als einsturzgefährdet galt. Eine Brücke, von der es bereits 2014 hieß, sie lasse sich nicht mehr sanieren, deren Neubau danach dennoch immer weiter hinausgeschoben wurde. Und schließlich: Wer trägt dafür die Verantwortung?

Jede Menge offene Fragen, aber Bedrängnis? Null

Bei der Zeugenvernehmung von Hendrik Wüst, die am Montag mehr als drei Stunden dauert, gelingt es nicht einmal dem SPD-Landtagsabgeordneten Gordan Dudas, den Ministerpräsidenten in Bedrängnis zu bringen.

Wüst, in dessen Amtszeit als Landesverkehrsminister ein Großteil der Vorgeschichte liegt, die im Dezember 2021 zur plötzlichen Sperrung führte, muss nur ein simples Muster bemühen, um Dudas und sein FDP-Pendant Christof Rasche ins Leere laufen zu lassen. Der Neubau sei wegen der stabilen Prüfergebnisse nicht mit oberster Priorität angegangen worden. Selbstverständlich sei mit dem Landesbetrieb Straßen NRW immer wieder über Abschnitte der A45 gesprochen worden. Rahmede wurde demnach dabei aber nie problematisiert, obwohl man mit Straßen NRW alle 14 Tage kritische Projekte besprochen habe.

Mit der Selbstsicherheit eines Verkehrsministers, der nach eigenen Angaben nach seinem Amtsantritt im Frühsommer 2017 einen Masterplan gegen den Sanierungsstau aufgestellt, 600 Millionen Euro zusätzlich nach NRW und 211 zusätzliche Stellen bei Straßen NRW geschaffen hat, spricht Wüst aus, was am Ende der Untersuchungen zum geflügelten Wort werden könnte: „Mir fehlte der Anlass zu Argwohn.“ Als Hausspitze müsse man sich auf das Urteil seiner Fachleute verlassen. „Als Politiker pfuscht man da nicht rein.“

Auch der letzte Trumpf sticht nicht

Das sei eine hübsche Werbeveranstaltung gewesen, muss selbst SPD-Obmann Gordan Dudas einräumen, dessen Sachkompetenz unbestritten ist. Der Landtagsabgeordnete aus Lüdenscheid hat sich allein aus persönlicher Betroffenheit durch alle Akten gefressen, auf jede Sitzung akribisch vorbereitet. Doch auch sein vermeintlich letzter Trumpf sticht nicht.

Es geht um den Entwurf eines brisanten Besprechungsprotokolls der Autobahn GmbH vom September 2021, das vor kurzem öffentlich wurde. Demnach waren schon zwischen 2010 und 2014, in der Amtszeit des damaligen SPD-Verkehrsministers Michael Groschek, bei statischen Berechnungen „enorme Defizite“ bei der Rahmede-Brücke festgestellt worden. Schnellstmöglich müsse der Ersatzneubau erfolgen, heißt es darin. Aus internen Tabellen gehe überdies hervor, dass schon im Mai 2021 bei einer Ortsbegehung zahlreiche Mängel an der Brücke protokolliert wurden. Das Protokoll der Sitzung mit zwölf Teilnehmenden, von denen einige schon als Zeugen im Untersuchungsausschuss befragt wurden, wird nach internen Abstimmungen so nie veröffentlicht.

Brisant? Schon, aber nicht für Hendrik Wüst. Doch während Dudas die marode Rahmede-Talbrücke mit Verweis auf die Autobahn GmbH, die bei ihren Untersuchungen eine „eklatant falsche Verkehrsführung“ für Lkw auf der Brücke attestiert hat, auf eine Gefahrenstufe hebt, bei der Menschenleben gefährdet waren, gibt sich Wüst betont zurückhaltend. Man habe alle Projekte einschließlich der Akten wie vereinbart im Januar 2021 an die Autobahn GmbH und damit an den Bund übergeben.

„Ich habe keine weiteren Fragen mehr“, beendet Gordan Dudas leicht resigniert das Duell mit dem Ministerpräsidenten. „Hätte ich in London bei den Buchmachern gewettet, wie das heute ablaufen wird, wäre ich wahrscheinlich Millionär. Sie konnten nicht zur Aufklärung beitragen. Sie hatten Erinnerungslücken. Zeugen konnten nicht gehört werden, die hätten gehört werden müssen. Wir werden uns an dieser Stelle leider wiedersehen müssen.“

Eröffnung für Frühjahr 2026 von Bundesverkehrsminister Schnieder versichert

Ob es dazu kommen wird, ist fraglich. Hendrik Wüst richtet den Blick nach vorn. Spätestens im Frühjahr 2026 werde der erste Teil der neuen Brücke eröffnet. Das habe ihm Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder versichert. „Vielleicht sogar schon früher.“ Die neue Brücke werde ein „Aufbruchsignal“ sein, der Beweis, dass Deutschland Projekte schnell umsetzen kann.

Für den Untersuchungsausschuss dürfte sich dann kein Mensch mehr interessieren. Das befürchtet sogar Gordan Dudas.