Studie zu KohleausstiegGutachten hält Baumfällungen im Hambacher Forst für unnötig

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Tagebau Hambach

Region – Ließe sich mit Rückenwind Strom erzeugen – im Moment könnte Hubert Weiger nachts den gesamten Hambacher Forst ausleuchten.

Am Tag vor dem Besuch der Kohle-Kommission in der Stadt Bergheim im Rheinischen Braunkohlenrevier und den damit verbundenen Großdemonstrationen der RWE-Beschäftigten widerspricht der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Köln den Aussagen des Energiekonzerns RWE, wonach der Tagebau ohne das Abholzen des Waldes nicht fortgeführt werden könne.

Das sei „billige PR“, sagt Weiger, selbst Mitglied der Kohle-Kommission. „Es ist unerträglich, wie RWE mit falschen Behauptungen auch die eigene Belegschaft aufstachelt.“ Der BUND-Boss weiß nur zu gut, dass der Forst längst zu einem Symbol geworden ist. „Hambi bleibt! Das ist der erste deutsche Wald, der es zu einem Kosenamen gebracht hat.“ Ein Großteil der Bevölkerung begreife nicht, warum man den Hambacher Forst, einen Jahrtausende alten Wald, für einen ohnehin auslaufenden Energieträger roden müsse. „Wir müssen den Strukturwandel endlich als Gemeinschaftsverantwortung begreifen. Er darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden“, sagt Weiger.

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Die Umweltschützer haben beim renommierten Öko-Institut in Freiburg eine Studie in Auftrag gegeben, wonach der Tagebau selbst bis zu seinem geregelten Auslaufen fortgeführt werden kann, ohne einen weiteren Baum anzutasten.

Das Öko-Institut hat vier Szenarien mit Gesamtfördermengen zwischen 78 und 493 Millionen Tonnen untersuchen lassen – zwei davon (78 oder 162 Millionen Tonnen) entsprechen den Vorgaben des Word Wildlife Fund (WWF), die beiden anderen den Plänen des Bundesumweltministeriums (181 oder 493 Millionen Tonnen).

Nur Schnellausstieg kommt in Betracht

Für den BUND kommt nur die WWF-Variante mit dem Schnellausstieg, also mit der geringsten Fördermenge in Betracht. „Wenn wir die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius beschränken wollen, wie es im Paris-Abkommen völkerrechtlich bindend geregelt ist, dürfen im Tagebau Hambach nur noch 78 Millionen Tonnen gefördert werden“, sagt Weiger.

Dann wäre spätestens in fünfeinhalb Jahren Schluss – und das auch nur, wenn die Förderung von derzeit knapp 40 Millionen Tonnen jährlich kräftig gedrosselt würde.

Für BUND-Chef Weiger ist das alles denkbar, ohne dass auch nur ein Licht in Deutschland ausgeht. „13 Millionen Tonnen fallen weg, weil fünf Kraftwerkblöcke wie lange geplant in die Sicherheitsbereitschaft gehen.“ Weitere 13 Millionen würden gar nicht als Kraftwerkskohle benötigt, sondern zu Briketts verarbeitet, unter anderem in Baumärkten verkauft. Das seien rein privatwirtschaftliche Interessen. „Mit Energiesicherheit hat das nichts zu tun“, ergänzt der stellvertretende Landesvorsitzende Thomas Krämerkämper. Das habe das Oberverwaltungsgericht bei seinem Rodungsstopp auch so gesehen. „Die wechselnden RWE-Argumente, der Hambacher Forst könne nicht gerettet werden, haben schon das Gericht nicht überzeugt.“

BUND hält Szenarien für undenkbar

Die beiden Szenarien des Bundesumweltministeriums, die bis 2050 eine Verringerung der Treibhausgase um 80 oder 95 Prozent vorsehen, halten die Umweltschützer für undenkbar. „Deutschland muss endlich wieder seine Klimaschutzrolle ernst nehmen. Wir sind im weltweiten Maßstab zu weit nach hinten gerutscht.“

Der BUND hat überdies die Böschungssysteme des Tagebaus Hambach analysiert und mit den Richtlinien der Bergbau-Behörden abgeglichen. Ergebnis: Würde die Böschung in einem steileren Winkel gestaltet, wäre eine Braunkohleförderung über viele Jahre bis zu 490 Millionen Tonnen möglich. „Das entspricht einem Puffer von zwölf Jahren“, so der stellvertretende NRW-Landeschef Krämerkämper.

Aus Sicht des RWE-Konzern machen das Öko-Instituts und der BUND mit der Studie „gezielt Stimmung gegen die Braunkohle und gegen den Tagebau Hambach“, heißt es in einer Mitteilung. Es sei „allzu offensichtlich, „dass die ohnehin aufgeheizte Debatte weiter befeuert wird“. 

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