Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

UnterrichtsverbotOberbergische Musikschuldozenten sind verärgert

Lesezeit 4 Minuten

Mit einer Reihe von Youtube-Videos gibt Joséphine Pilars de Pilar Gesangsunterricht auf Distanz.

Oberberg – Ist Klavierunterricht riskanter als eine Schulstunde in Physik? Dass der Musikschulbetrieb mit dem Teil-Lockdown wieder ausgesetzt werden muss, löst bei vielen Dozenten Verärgerung aus: Wieso darf in denselben Räumen, in denen morgens große Klassen zusammenkommen, nachmittags keine Geigenstunde stattfinden?

Im WDR-Rundfunk hat Ministerpräsident Armin Laschet am Montag die Entscheidung gerechtfertigt. Es gehe darum, die Infektionswelle zu brechen. Das sei nur zu schaffen, wenn alle unnötigen Kontakte vermieden würden. Er versprach aber im Hinblick auf die Musikschulen: „Wir werden uns das in zwei Wochen noch mal genau ansehen.“

Einzelunterricht müsse doch möglich sein

„Absolute Verständnislosigkeit“ herrsche bei vielen Dozenten, sagt Peter Even. Persönlich könne er das Kalkül der Politik nachvollziehen, dass jede Ausnahme vom Teil-Lockdown es schwieriger mache, die Infektionswelle zu brechen. „Und es ist klar, dass große Chor- und Orchesterproben ausfallen müssen“, gesteht der Leiter der Musikschule Gummersbach zu. „Aber Einzelunterricht sollte doch möglich ein.“ Die Musikschule habe sich mit Trennwänden, Listen und anderen Infektionsschutzmaßnahmen ganz gut auf einen Corona-Betrieb eingestellt.

Dr. Dirk van Betteray leitet die Musikschulen in Morsbach sowie in Wiehl und Nümbrecht und ist „sehr erbost“ über die undifferenzierte Corona-Schutzverordnung der NRW-Landesregierung, die einfach jede Art von Musikschulunterricht untersagt hat. „Das zeigt die geringe Wertschätzung, die hier der Kulturarbeit entgegengebracht wird.“ Er hat eine Petition unterschrieben, in der eine Korrektur gefordert wird.

Verärgerung über mangelnde Logik

Van Betteray ärgert sich über die mangelnde Logik der Regeln: „Wir sind offenbar keine Schule, sonst wären wir weiterhin geöffnet. Aber wir sind auch keine Dienstleister wie die privaten Musiklehrer, sonst dürften wir ebenfalls weitermachen.“ Der Vorsitzende des Landesverbandes der Musikschulen in NRW, Bernd Smalla, hält es nicht für angemessen, dass die 160 Musikschulen in NRW wie Freizeiteinrichtungen behandelt werden: „Wir gehören zur kommunalen Bildungslandschaft.“

Tatsächlich geht man auch in Oberberg davon aus, dass Kooperationen mit den allgemeinbildenden Schulen weitergeführt werden dürfen. Das gilt etwa für das Angebot „Musik entdecken“ an den Wiehler Grundschulen und die Bläserklassen am Engelskirchener Aggertalgymnasium.

Protestnote an das Kultusministerium

Der für das letztere Angebot zuständige Musikschulleiter in Engelskirchen, Thomas Zerbes, hat schon am vergangenen Freitag eine Protestnote an das Kultusministerium geschickt: „Man hat mir geantwortet, dass sie die Regelung korrigieren wollen.“ Zerbes bedauert, dass die NRW-Talente bei „Jugend musiziert“ einer Wettbewerbsverzerrung ausgesetzt sind, weil sie in der heißen Vorbereitungsphase auf das Vorspielen, das im Januar stattfindet, nicht unterrichtet werden.

Peter Evens Sorge ist, dass die Gummersbacher Musikschuleltern abspringen. „Beim ersten Mal gab es keine Abmeldewelle, alle waren sehr solidarisch. Hoffentlich sind sie es diesmal auch.“ Dirk van Betteray beklagt, dass es nach den Sommerferien nur wenige Neuanmeldungen gab, sodass Abgänge nicht kompensiert werden konnten.

Zurück zum Distanzlernen

Mit bitterem Humor kommentiert van Betteray, dass selbst der Online-Unterricht nicht vom Verbot ausgenommen wurde: „Die Viren, die man sich am Computer einhandeln kann, sind doch anderer Art.“ Der Landesvorsitzende Smalla berichtet auf Anfrage, dass der Distanzunterricht nach einer ersten Intervention beim Ministerium am Montag denn auch wieder gestattet wurde: „Wir nutzen unsere Drähte.“

Nun müsse man eben wieder auf Distanzlernen umschalten, sagt Peter Even, bevor er sich wieder in den Schlagzeugkeller begibt, um ein neues Drumvideo für seine Schüler aufzunehmen. Die meisten Dozenten würden auf im ersten Lockdown bewährte Verfahren zurückgreifen. „Eine echte Interaktion zwischen Lehrer und Schüler ist damit aber nicht möglich. Der Präsenzunterricht ist nicht zu ersetzen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Das sieht Joséphine Pilars de Pilar ganz ähnlich. Die Wiehler Sängerin macht aber das Beste aus den erneuten Zwangsferien und nahm bereits das fünfte Video der Reihe „Singen lernen mit Joséphine“ auf, um es bei Youtube hochzuladen. Damit wirbt sie auch neue Schüler an – jüngst sogar zwei Mädchen aus Wiesbaden. „Es ist wichtig, dass man dranbleibt.“ Neben dem Fernunterricht aus dem heimischen Internetstudio nutzt Pilars de Pilar die freie Zeit für die Vorbereitung neuer Programme. „Wer jetzt schläft, fällt hinterher durchs Raster“, glaubt die Sopranistin.

Aber auch hier ist die große Frage: Wann ist „hinterher“? Dirk van Betteray sagt: „Wenn es nach vier Wochen weitergeht, lässt sich damit leben.“