Woelki spielt auf ZeitKardinal im Streit mit Theologen der Uni Bonn

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Rainer Maria Woelki

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki

  • Der Dauerkonflikt mit der Universität Bonn um eine zentrale theologische Professur sagt viel aus über das Staat-Kirche-Verhältnis.

Köln/Düsseldorf – Im Dauerkonflikt zwischen Kardinal Rainer Woelki und der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn um die Besetzung eines Lehrstuhls für Dogmatik, spielt der Kölner Erzbischof auf Zeit. Das NRW-Wissenschaftsministerium teilte auf Anfrage mit, Woelki habe die Anfrage nach dem „Nihil obstat“, der kirchlichen Unbedenklichkeitserklärung, nicht beantwortet. Damit hat er nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die vorgesehene Frist verstreichen lassen.

Im September hatte das Ministerium gemäß den Bestimmungen des Preußenkonkordats zwischen Staat und Kirche bei Woelki angefragt, ob er Einwände gegen die Lehre oder den Lebenswandel des von der Uni Bonn ausgewählten Kandidaten habe, des 56 Jahre alten Trierer Dogmatik-Professors Johannes Schelhas.

Nach Ablauf von drei Monaten gilt kirchenrechtlich die Vermutung einer Verweigerung des Nihil obstat. Schelhas’ Ruf durch die Universität auf den seit 2015 vakanten Lehrstuhl, einen zentralen Posten in der Fakultät, verliert seine bindende Wirkung. Das Erzbistum bestritt auf Anfrage das Bestehen einer Frist und teilte mit, Woelki habe Dekan Claude Ozankom zu einem Gespräch eingeladen, in dem das Verfahren „zu einer positiven Klärung geführt“ werden solle.

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Wie vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ zuerst berichtet, verhinderte Woelki schon 2016 die Berufung des ursprünglich vorgesehenen Bewerbers durch Intervention in Düsseldorf und erreichte so eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Dem Vernehmen nach stieß er sich vor allem daran, dass die Fakultät seinen Favoriten, den Augsburger Dogmatiker und Kölner Priester Thomas Marschler, nicht berücksichtigt hatte. Im laufenden Verfahren soll Marschler wieder nicht Kandidat der Universität gewesen sein. Stattdessen benannte sie einzig und allein Schelhas (Unico-Loco-Liste).

Zum Stand der Dinge sagte ein Kenner der Materie, Woelki wolle dem Wunsch des Ministeriums nach Beruhigung entsprechen. Das Gesprächsangebot an die Fakultät sei eine Hinhaltetaktik gegenüber Düsseldorf. Der Kirchenrechts-Professor Thomas Schüller (Münster) sprach von einer „Schneise der Verwüstung“, die Woelki mit seinem „Feldzug gegen die Bonner Fakultät schon jetzt in die Universitäts-Landschaft von NRW“ schlage. „Offensichtlich verschleppt der Kardinal bewusst das Nihil obstat. Allein das richtet großen Schaden an.“ Der Staat müsse sich auf Verfahrenstreue verlassen können. „Der Kardinal spielt den Gegnern einer institutionellen Privilegierung der Kirchen in die Hände. Es hat den Anschein, dass ihm die Präsenz der Theologie an staatlichen Universitäten egal ist.“ Zudem setze Woelki „ohne erkennbaren sachlichen Grund die Integrität des Kandidaten für den Bonner Lehrstuhl ins Zwielicht“, so Schüller. Weder das Bonner Rektorat noch die Fakultät wollten sich auf Anfrage äußern. Auch Schelhas lehnte dies ab.

Einflussnahme auf die Bewerberliste ist unzulässig

Für die Vorauswahl bestand Woelki auf einem „Priesterverfahren“. Dieses schließt von vornherein sämtliche Theologinnen und nicht-geweihte Theologen aus. Das Recht dazu steht dem Ortsbischof zu. Es ist aber in der wissenschaftlichen Community umstritten, weil die fachliche Qualifikation von Bewerbern damit zu einem nachrangigen Kriterium wird.

Eine Einflussnahme des Bischofs auf die Bewerberliste selbst ist dagegen unzulässig, weshalb Woelkis Eingreifen 2016 als Verletzung der Wissenschaftsfreiheit und als Bruch der völkerrechtlichen Regelungen zwischen dem Land NRW und dem Vatikan über die Lehre der katholischen Theologie an staatlichen Universitäten gewertet wurde. Woelkis Generalvikar Markus Hofmann behauptete nun Mitte November in einer Sitzung des Kölner Diözesanpastoralrats, es habe „Hinweise auf zahlreiche mögliche Verstöße gegen staatliches Recht bei der Aufstellung der Liste, insbesondere gegen die verfassungs- und hochschulrechtlich gebotene Beachtung des Leistungsprinzips“ gegeben. Daher habe Woelki das Ministerium als Aufsichtsbehörde „um Prüfung gebeten“ und damit „von einem Recht Gebrauch gemacht, das laut Grundgesetz jedem Bürger zusteht“.

Was bei gutgläubigem Hören plausibel klingt, ist doppelt brisant. Denn ob der Erzbischof vom Ministerium überhaupt Unterlagen aus dem – für alle Beteiligten strikt vertraulichen – Berufungsverfahren hätte bekommen dürfen, ist mindestens fraglich. In Düsseldorf dürfte die Erklärung aus Köln zudem Stirnrunzeln ausgelöst haben, weil diese – so ein politischer Insider – „den Anschein einer Rechtsaufsicht des Erzbischofs durch die Hintertür erweckt“. Die amtierende Landesregierung sei bestimmt nicht gewillt, dem zu folgen. Prompt betonte eine Ministeriumssprecherin, dass „ein rechtsaufsichtliches Verfahren nicht stattgefunden“ habe.

Unter den Theologieprofessoren und sogar bei Bischöfen stößt Woelkis Agieren zusätzlich auf Befremden, weil er als Chef der Wissenschaftskommission in der Bischofskonferenz eine besondere Verantwortung für die theologische Lehre in ganz Deutschland hat. „Eigentlich sollte der Kardinal die Interessen der katholischen Theologie gegenüber dem Staat und den staatlichen Universitäten schützen und stärken“, sagt ein mit den Vorgängen vertrauter externer Fachvertreter. „Was er tut, ist genau das Gegenteil.“

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