Proteste gegen BraunkohleRichter äußert Sympathien für Klima-Aktivisten von Lützerath

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Ein Protestplakat am Rande des Tagebaus Garzweiler

Erkelenz – Vordergründig geht es am Dienstag im Amtsgericht Erkelenz um Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Polizeibeamte. Ersteres, so wird es der Vorsitzende Richter im Urteil ausführen, haben die beiden Klima-Aktivisten begangen, als sie am 5. Januar am Ortseingang von Lützerath im Rheinischen Revier das Dach eines Einfamilienhauses besetzen. Die eigentlichen Bewohner sind zu diesem Zeitpunkt längst weg, weil das Haus wie das gesamte Dorf dem Braunkohle-Tagebau Garzweiler weichen soll.

Niklas R. und Moritz B. haben sich an diesem Morgen aneinander gekettet, harren mit drei weiteren Kohlegegnern dort oben aus, weil sie die Zerstörung der Häuser nicht widerstandslos hinnehmen wollen.

Vom Vorwurf des Widerstands freigesprochen 

Warum sie sich zu dieser Aktion entschlossen haben, begründen die Aktivisten vor Gericht in einem ausführlichen Statement. Im Januar habe RWE damit begonnen, „Häuser in Lützerath zu zerstören. Seitdem ist Lützerath ein halbes Dorf, die südliche Hälfte wurde dem Erdboden gleich gemacht. Wir stehen hier heute wegen ‚Hausfriedensbruch‘ vor Gericht. Wenn das ein Witz sein soll, ist es ein schlechter.“

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Lützerath sei „das letzte ernstzunehmende Hindernis bei der Erweiterung des Tagebaus um das riesige Areal zwischen Holzweiler und Keyenberg. Unter diesen Feldern liegen hunderte Millionen Tonnen Kohle. Und die müssen dort zwingend bleiben.“

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Der Aufforderung, das Dach freiwillig zu räumen, kommen Niklas R. und Moritz B. nicht nach, leisten aber auch keinen Widerstand, als Polizisten sie mit einem Hubsteiger vom Dach holen. Die Lage sei völlig entspannt gewesen, man habe mit den Demonstranten reden können, bestätigen vier beteiligte Polizeibeamte im Zeugenstand.

Geringe Geldstrafen wegen Hausfriedensbruch

Solch ein passives Verhalten sei kein Widerstand, damit müsse der Staat leben können, erläutert der Richter mit Verweis auf etliche Urteile im Zusammenhang mit Protesten gegen Stuttgart 21. Die Angeklagten hätte sich schließlich nicht an einem Gegenstand festgekettet und damit eine physische Barriere errichtet. Dass ein Polizist sie mit einem Trennschleifer voneinander getrennt habe, sei letztlich ein freundlicher Akt gewesen. „Er hätte sie auch so irgendwo absetzen können. Dann hätten sie sehen können, wie es weitergeht.“

Mildes Urteil: Je 200 Euro Geldstrafe

Das Urteil fällt milde aus. Niklas R. und Moritz B. müssen je 200 Euro Geldstrafe zahlen. Im Normalfall stelle man solche Verfahren ein, sagt der Richter. Wenn einer der Anklagepunkte jedoch „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ laute, sei das nicht möglich, selbst wenn die Staatsanwaltschaft – wie geschehen – diesen Vorwurf im Laufe der Verhandlung fallen lasse.

Soviel zum Urteil, das so erwartet worden war. Überraschend offen hingegen sind die Einordnungen des Richters. Er könne die Zweifel der Kohlegegner in weiten Teilen nachvollziehen. Wie man den Frieden in einem Haus brechen könne, das seit langem leer steht und so aussieht, „als ob es auf seine Hinrichtung wartet, ist sicherlich ein Punkt“.

Richter sagt, es sei frustrierend, was die Politik tue

Er komme selbst aus einem Dorf in der Nähe das Tagebaus und auch für ihn sei es bei einer Fahrradtour belastend zu sehen, dass „Entwässerungsstationen in den Boden gerammt und die Landschaft zum Abbaggern genutzt wird“. Er habe schließlich auch zwei Kinder. Mit Blick auf die Ergebnisse des Klimagipfels in Glasgow sei es schon frustrierend zu sehen, „was die Politik tut“.

Man werde sich auch in Zukunft „der Maschinerie der Zerstörung physisch in den Weg stellen“. Nur an Demonstrationen teilzunehmen, reiche schon lange nicht mehr aus, kündigen die Aktivisten an. Selbst die Staatsanwältin muss konstatieren, dass ihre Absichten „grundsätzlich löblich“ seien. „Sie müssen nur gucken, dass Sie die Kurve kriegen und alles legal bleibt.“

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