Die Vorkaufsoption und der Rückkehr-Fahrplan enthalten viele Fallstricke und Ausnahmeregelungen, kritisieren die Interessenten.
Gerettetes KohledorfEnttäuschung in Morschenich – Rückkehrer dürfen Grundstücke nicht kaufen
Ernüchtert, enttäuscht, desillusioniert. Das ist die Stimmungslage unter den Umsiedlern des Braunkohledorfes Morschenich im Tagebau Hambach nach der Informationsveranstaltung der Gemeinde Merzenich über die Bedingungen, die mit einer Rücksiedlung in ihre alte Heimat verbunden sind. Die ist – theoretisch – möglich, nachdem die NRW-Landesregierung den Alt-Eigentümern und ihren Kindern eine zeitlich befristete Vorkaufsoption für ihre Grundstücke eingeräumt hat.
„So haben wir uns das nicht vorgestellt“, sagt Calvin Köcher, der wie sein Freund Lennart Bongart zurückwill. Die Rückübertragung des Dorfes vom RWE-Konzern an die Gemeinde macht es möglich, sie wurde im vergangenen Dezember für einen Kaufpreis von 36,8 Millionen Euro besiegelt. Die Zahl der Rückkehrwilligen scheint überraschend groß, immerhin 60 Interessenten waren zu der Versammlung gekommen. „Das ist deutlich mehr, als wir erwartet hatten“, sagt Köcher.
Grundstücke werden nur noch in Erbpacht angeboten
Bereits vor dem Treffen mit Bürgermeister Georg Gelhausen (CDU) habe man den ersten Dämpfer erhalten. Dass die Rücksiedler ihre alten Grundstücke kaufen können, ist in dem Verfahren der Gemeinde Merzenich im Gegensatz zu den fünf Dörfern, die im Tagebau Garzweiler liegen und das gleiche Verfahren durchlaufen müssen, gar nicht vorgesehen. Die Gemeinde will Eigentümerin von Grund und Boden bleiben, um ihn der Spekulation zu entziehen. Eine Rückkehr der Menschen in ihre alten Häuser wird nur auf Erbpachtbasis möglich sein.
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„Damit könnten wir uns vielleicht noch anfreunden, wenn der Preis stimmt“, ergänzt Lennart Bongart. Das Verfahren für einen möglichen Rückerwerb der Häuser enthalte aber derart viele Ausschlusskriterien, dass man nicht sicher sein könne, am Ende doch noch zu scheitern. Überdies sei alles mit erheblichen Risiken verbunden.
Drei Monate haben potenzielle Umsiedler jetzt Zeit, ihr Interesse an einem Kauf ihres alten Hauses schriftlich zu bekunden. Sollten sie sich dafür entscheiden, folgt im Anschluss eine Hausbesichtigung. Danach bestellt die Gemeinde einen Gutachter, der klären muss, ob das Haus überhaupt noch saniert werden kann und der den Verkehrswert ermittelt. „Wir müssen uns mit zehn Prozent den Kosten beteiligen, obwohl wir bis heute nicht konkret wissen, welcher Sanierungsstandard angesetzt wird“, sagt Köcher.
Drei Monate Frist, um das Interesse an der Rückkehr zu bekunden
Senkt der Gutachter den Daumen – ist Schluss. Auf dem alten Grundstück neu zu bauen, ist gar nicht erst vorgesehen. „Wenn das Haus nach den Kriterien der kommunalen Entwicklungskonzepte nicht sanierungsfähig ist, ist die Sache zu Ende. Es abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, ist nach den Kriterien des Vorkaufsrechts nicht möglich“, bestätigt Merzenichs Bürgermeister Georg Gelhausen (CDU).
Zur Frage des Sanierungsstandards enthält das Informationsblatt des NRW-Kommunalministeriums nur vage Aussagen. Die Kommune ist danach verpflichtet, ein „neues dörfliches Gemeinschaftsleben sowie Um- und Neubau in einer klimaschützenden und -angepassten und/oder flächensparenden und/oder ressourcenschonenden Bauweise“ zu „befördern“. Für Bürgermeister Gelhausen steht damit fest: „Sanierung heißt in diesem Fall nicht, ich baue neue Fenster ein, mache ein neues Dach drauf und das war es dann. Damit sind weitere Dinge verbunden.“
Weitere Dinge? „Das kann bei einer energetischen Sanierung alles oder nichts bedeuten und ist völlig unkalkulierbar“, so Köcher. Und das für ein altes Haus auf einem Grundstück, das einem nicht mehr gehört? „Dieses Risiko einer Sanierungsverpflichtung wird niemand eingehen können.“
Doch damit ist die Liste der Risiken noch längst nicht abgeschlossen. Auf Rücksiedler, die das alles akzeptieren, könnten weitere Probleme zukommen. Die Gemeinde Merzenich hat in diesen Tagen den Startschuss zur Erstellung eines Masterplans gegeben, der klären soll, wie sich das Dorf Morschenich unter dem neuen Namen Bürgewald künftig entwickeln soll. Was soll erhalten bleiben? Welche neue Infrastruktur ist erforderlich? Und – vor allem – wie wird die künftige Energieversorgung aussehen in einem Tagebaudorf, in dem es nicht einmal ein Gasnetz gibt, weil die Braunkohle vor Ort reichlich und billig vorhanden war? Geheizt wurde mit Kohlestrom – oder mit Öl.
Deshalb könne man nicht ausschließen, dass nach Fertigstellung des Masterplans die Gemeinde auf die Hauskäufer zukomme, weil sie einen Teil des Grundstücks für öffentliche Infrastruktur benötige und „mein Garten auf einmal kleiner wird“, sagt Bongart.
Und so sieht es ganz danach aus, als sei das Rücksiedlungsprogramm von vornherein zum Scheitern verurteilt. „Bisher liegen erst zwei schriftliche Interessensbekundungen vor“, sagt der Bürgermeister.
Calvin Köcher und Lennart Bongart haben die Hoffnung auf eine Rückkehr nach Bürgewald noch nicht ganz aufgegeben. „Ich werde wohl abwarten, bis die Gemeinde den Masterplan erstellt hat und neue unbebaute Grundstücke als Bauland anbietet“, sagt Köcher. Eine Bevorzugung bei der Vergabe wird es für Alt-Morschenicher im neuen Bürgewald, das schon 2040 einen eigenen Zugang zu dem dann halb gefüllten Hambach See haben könnte, dann wohl nicht mehr geben.