Schulöffnung in NRW„Vor dem Schultor verabschieden sich die Schüler mit Handshake“

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Neuer Schulalltag: mit Mundschutz auf dem Schulhof (Symbolbild)

Neuer Schulalltag: mit Mundschutz auf dem Schulhof (Symbolbild)

  • Vergangenen Donnerstag haben die Schulen in NRW teilweise wieder geöffnet.
  • Die Schulleiter sind sich einig: nach innen konnten die geltenden Abstansregeln eingehalten werden – das Problem liegt vor der Schule.
  • Außerdem fühlten sich nicht alle Schulen von der Landesregierung gut vorbereitet.

Köln – Sie haben Wege ausgetüftelt, Pfeile geklebt, Laufwege getestet und Einbahnstraßenschilder gebastelt. Es gibt zeitversetzten Unterricht, Einlasskontrollen an den Schulklos und namentlich beschriftete Schülerpulte. Mit Engagement und Organisationsgeschick haben die Lehrer ihre Schulen coronatauglich gemacht.

Wie es wirklich gelaufen ist, das werden erst die Infektionszahlen in einer Woche ausweisen. Aber die erste organisatorische Bilanz der Schulleiter fällt einhellig aus: Nach innen hat alles gut funktioniert. Aber außerhalb der Gebäude beginnt eine riesige Problemzone: „Wir robben auf dem Boden rum und kleben Pfeile, und beim Blick aus dem Fenster sieht man die Schüler, die sich vor dem Schultor mit Umarmung und Küsschen begrüßen“, fasst die Schulleiterin des Dreikönigsgymnasiums, Barbara Wachten, die Situation zusammen. Die Schulgebäude seien „Hochsicherheitszonen, in denen alles besser organisiert ist als in jedem Supermarkt.“

Vor dem Schultor funktionieren die Abstandsregeln kaum

Im Gebäude hielten sich alle Schüler sehr diszipliniert an die Regeln. Aber vor dem Schultor sei das Abstandsgebot überhaupt nicht automatisiert. Ein Dilemma, das alle Schulleiter bestätigen: Es falle selbst Oberstufenschülern unglaublich schwer, das Verantwortungsbewusstsein in den Pausen oder nach der Schule durchzuhalten, bestätigt Lüder Ruschmeyer, Leiter am Gymnasium Kreuzgasse. Da säßen sie doch im Grüngürtel auf der Wiese im engen Kreis zusammen. „Oder verabschieden sich vor dem Schultor mit Handshake“, ergänzt Antje Schmidt, Schulleiterin des Albertus-Magnus-Gymnasiums.

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Absicht unterstellt den Schülern niemand. „Wenn man sie darauf hinweist, entschuldigen sie sich und gehen auseinander“, so Wachten. Man könne das nicht hundert Prozent kontrollieren. So bleibt nur das gebetsmühlenartige Wiederholen der Regeln, die strikte Pausenaufsicht und die mahnenden Mails.

„Noch Luft nach oben“ bei der Corona-Organisation in Schulen

Bezüglich der Unterstützung durch die Stadt, die für die Hygienemaßnahmen im Gebäude verantwortlich ist, gibt es ein unterschiedliches Echo: Während in vielen Schulen ausreichend Desinfektionsmittel und Sprühflaschen zur Verfügung stehen, gibt es andere, die den Vorwurf von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), die Kommunen seien als Schulträger nicht gut vorbereitet gewesen, nicht unbegründet finden.

„Ich würde mal sagen, da ist Luft nach oben“, so Ruschmeyer. In seiner Schule seien zwei Sprühflaschen mit vier Litern Desinfektionsmittel angekommen. Es gebe Kommunen, in denen das deutlich besser gelaufen sei.

Die Stadt Köln hat nach Angaben von Schuldezernent Robert Voigtsberger innerhalb kürzester Zeit 3650 Liter Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt, obwohl das Land die Vorgabe erst vor einer Woche ausgegeben habe. Ab dem 4. Mai müssen darüber hinaus alle Schüler mit einer Bedeckung von Mund und Nase in die Schule kommen. „Wir sprechen ausdrücklich nicht von Maskenpflicht“, so Voigtsberger. Auch Schals und Tücher seien möglich. Dafür seien die Eltern verantwortlich.

Das fragile Konstrukt „Schulöffnung“

Wie fragil die Lage trotz all der Vorkehrungen ist und wie schnell aus einer vorsichtigen Öffnung wieder eine komplette Schließung wird, zeigt das Beispiel des Norbert-Gymnasiums in Dormagen. Nach zwei Tagen Schule wurden die Abiturienten wieder nach Hause geschickt, weil im Haushalt eines Schülers ein Corona-Fall aufgetreten war. Obwohl der Test des Schülers aktuell keine Infektion zeigte, wurde die ganze Schule zur Sicherheit geschlossen.

Für den Abiturjahrgang sehen sich die Schulen organisatorisch gut aufgestellt. Aber sie alle treibt die Frage um, wie es weitergehen soll, wenn mehr Schüler kommen. „Ich rechne schon nächste Woche mit der nächsten Jahrgangsstufe“, sagt Schulleiterin Schmidt. Was ist infektionstechnisch verantwortbar? Derzeit sitzen im Gymnasium Kreuzgasse nur fünf Schüler plus Lehrer in einem Klassenraum, streng orientiert an den Vorgaben des Robert Koch-Instituts.

Wenn man mehr Gruppen in die Schule holen würde, seien diese Bedingungen räumlich nicht mehr darstellbar. Erst recht nicht, wenn das Land – analog zu den Kitas – plötzlich größere Gruppen zulassen sollte. „Wer erklärt mir, warum dann plötzlich im Unterricht 15 Schüler sitzen dürfen, wenn das vorher nicht vertretbar war?“, so Ruschmeyer. „Vielleicht geht noch eine weitere Stufe. Alles darüber wäre nicht händelbar“, sagt Schmidt. Derzeit gehen in Köln 22 600 Schüler in die Schule. Vor allem die Berufskollegs könnten laut Voigtsberger bald an ihre Kapazitätsgrenze stoßen.

Schichtsystem als möglicher Lösungsweg

Das vom Philologenverband ins Spiel gebrachte Schichtsystem – eine Woche analoger und eine Woche digitaler Unterricht – sei grundsätzlich keine schlechte Idee, so Schmidt. Es stelle aber hohe Anforderungen an die Organisation und sei personell schwer abzudecken. Zudem sei die Digitalausstattung der Kinder mit Endgeräten in vielen Elternhäusern nicht gegeben.

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Dies dürfe nicht vorausgesetzt werden, da sonst viele Kinder hinten runterfielen. „Hier sollte die Stadt die Schulen bei der Einführung von effizienten digitalen Unterrichtstools unterstützen.“ Der Schulausschuss des Kölner Rates beauftragte die Verwaltung, kurzfristig zu helfen. Die Schulen sollen instruiert werden, „dass sie mobile Endgeräte wie Laptops und Tablets, die sich an der Schule befinden, an bedürftige Schüler kostenlos für die Zeit des Homeschoolings verleihen“. Langfristig bleibe das Ziel, alle Schüler dauerhaft mit digitalen Endgeräten auszustatten. Nach Angaben von Voigtsberger würde das 52 Millionen Euro kosten.

Schulen und Stadt forderten die Landesregierung auf, für bessere Planbarkeit zu sorgen: „Es braucht frühere Informationen, um sich auf weitere Jahrgangsstufen gut vorzubereiten“, sagte Wachten. Das Land müsse mit mehr Vorlauf sagen, unter welchen Bedingungen weitere Schüler in die Schulen kommen sollen, ergänzte Voigtsberger. Die Stadt warte auf Entscheidungen, wie es in den Grundschulen weitergehen kann.

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