DigitalisierungWie sich die Wirtschaft im Rheinland zur Smart Economy entwickelt

Lesezeit 4 Minuten
Köln mit Netz

Symbolbild

Köln – Bevor unser Land von der verheerenden Corona-Welle erfasst wurde, glaubten viele, dass Schlagwörter wie Smart City, Industrie 4.0 oder Digitalisierung zwar die Zukunft sein könnten, aber erst in weiter Ferne, wenn überhaupt. Im Januar 2020, als man in der Bundesrepublik noch weit entfernt war von einer Pandemie mit all ihren Folgen, war auf der Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums folgender Text zu lesen: „Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Durch das Internet getrieben, wachsen reale und virtuelle Welt zu einem Internet der Dinge zusammen. Mit dem Projekt Industrie 4.0 wollen wir diesen Prozess unterstützen.“

Schwelle rasant überschritten

Dass wir diese Schwelle nun mit Rasanz bereits überschritten haben, bezweifelt angesichts des stark digitalisierten Arbeitsalltags heute wohl niemand mehr. Vor zehn Monaten war der Gang ins Büro die Norm, und das Homeoffice die seltene Ausnahme. Die Pressekonferenz, Netzwerkabende und die Messe vor Ort waren gängige Treffpunkte und Schnittstellen der Wirtschaftsmultiplikatoren.

Das hat sich – wenn auch alles andere als freiwillig – deutlich gewandelt. Videokonferenzen sind als selbstverständliche Zusammentreffen durch Corona für viele Arbeitnehmer zum Alltag geworden. Technische Probleme der Anfangszeit mit Netzausfällen, mangelnder Disziplin oder schlicht fehlenden Digitalkenntnissen sind beinahe vergessen. Sie ist also da, die Smart Economy, die noch vor wenigen Monaten als Zukunftsmusik erschien.

Elementarer Baustein der Smart Economy – zu deutsch kluge, schlaue oder intelligente Wirtschaft – ist die Digitalisierung zentraler Wirtschaftsbereiche, auch als Industrie 4.0 bekannt. Das bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen in der Industrie mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie. Zu den Möglichkeiten zählen flexible Produktion, wandelbare Fabriken, optimierte Fabriken und Kreislaufwirtschaft.

Ideengeber ist die Smart City

Glaubt man der Industrie, dann ist die Region gut aufgestellt. „Wir haben heute ganz andere Möglichkeiten, Smart Mobility, Smart Working und Smart Living. Dafür bietet gerade ein Ballungsraum mit Millionen Menschen beste Chancen“, sagt Arndt Kirchhoff, Präsident des Arbeitgeberverbandes Unternehmer NRW, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Voraussetzung für eine „smarte“ Region sei aber etwa „ein stabiles Mobilfunknetz für teilautonomes Fahren“. „Junge Leute wollen heute Leben, Arbeiten und Wohnen viel enger miteinander kombinieren, hier können wir von den Start-ups lernen“, so Kirchhoff, Unternehmer aus dem Bereich der Automobilzulieferer.

Als Ideengeber und Pionier für den Begriff Smart Economy darf sicher die Smart City gelten. Der Begriff wird seit den 2000er Jahren von unterschiedlichen Akteuren in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Stadtplanung verwendet, um technologiebasierte Veränderungen und Innovationen in urbanen Räumen zusammenzufassen.

„Nordrhein-Westfalen ist ein bedeutender Standort für digitale Trends, Zukunftstechnologien und die Digitalökonomie und damit gut gerüstet auf dem Weg zur »Smart Economy«“, sagt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).

Im aktuellen Smart City Index des Branchenverbands Bitkom erreicht die größte Stadt des Bundeslandes Köln immerhin den dritten Platz hinter Hamburg und München. Erfolgsfaktoren für eine gute Platzierung seien nicht nur eine gute Finanzkraft, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder, „sondern allen voran eine umfassende und in die Stadtentwicklung integrierte Digitalstrategie“.

Köln punktet mit Glasfasernetz

Köln punktet laut Bitkom mit seinem Glasfasernetz und dem Breitbandausbau, außerdem mit Konzepten zur Bürgerbeteiligung, mit der Stärkung der Einbindung der stadtgesellschaftlichen Digitalszene sowie mit digitalen Angeboten im Kulturbereich. „Das Ranking zeigt, dass wir in Köln auf dem richtigen Weg sind, und das ist Ansporn zugleich, die Digitalisierung weiter mit voller Konzentration und Nachdruck anzugehen“, sagt Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Wie sich in der Messebranche künftig die digitale mit der analogen Welt vernetzen lässt, hat die Kölner Messe in den vergangenen Monaten zwangsweise erfahren. Die Videospiel-Messe Gamescom und das Digitalmarketingtreffen Dmexco ziehen in normalen Zeiten Besuchermassen in die Stadt. Bei der Gamescom waren es im vergangenen Jahr 373 000 Menschen, bei der Dmexco 40 000. Beide Messen fielen zwar nicht aus, fanden jedoch nur virtuell statt – die Deutzer Hallen blieben leer.

Während die Spielemesse auf ihrer virtuellen Plattform Gamescom Now unter den mehr als zehn Millionen Live-Teilnehmern aus über 180 Ländern vor allem Verbraucher zählte, hatten die Dmexco-Macher die Aufgabe, ein Portal zu programmieren, dass die Bedürfnisse von Fachbesuchern befriedigen würde. Also bauten sie innerhalb von drei Monaten eine eigene Event-Plattform auf, über die sich Video-Chats, Podiumsdiskussionen, Vorträge und Fragerunden realisieren ließen. Damit schafften sie es, das zu ermöglichen, was sonst Auge in Auge geschieht: netzwerken, Wissen austauschen, Geschäfte anbahnen. Mehr als 20 000 Menschen nahmen teil.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch wenn die Branchentreffen bald wieder in Deutz über die Bühne gehen – die digitalen Formate sind gekommen, um zu bleiben. „Digitale Bausteine sind logische Ergänzungen für ein Hybrid-Format, das die Messe der Zukunft bestimmen wird“, lautet das Fazit von Messechef Böse. „Wissen und Inhalte im Netz, Erlebnis und Netzwerken vor Ort – das wird das Erfolgsmodell sein.“

KStA abonnieren