„Katastrophale Bedingungen“Fleischindustrie beutet osteuropäische Arbeiter aus

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Mitarbeiter eines Schlachthofs arbeiten am Fließband.

Mitarbeiter eines Schlachthofs arbeiten am Fließband.

Düsseldorf – Florin G. zerlegt in einem westfälischen Schlachtbetrieb Schweine im Akkord. Obwohl er 40 Stunden in der Woche Schwerstarbeit leistet, bekommt er von seinem Bruttolohn von 1820,29 Euro nur 958,40 Euro ausgezahlt. Laut der Abrechnung, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, werden von seinem Nettogehalt direkt Miet- und Transportkosten in Höhe von 350 Euro abgezogen, die auf andere Konten überwiesen werden.

„Der Fall zeigt, wie eine Reihe von weiteren Profiteuren hier die Hand aufhalten“, sagt Armin Weise von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG) in Bielefeld. „Die gezielte Ausbeutung und die Aktivitäten professioneller Menschenhändler bei der Vermittlung von Arbeitskräften in der Fleischwirtschaft wurden bislang überwiegend mit einem Schulterzucken hingenommen.“

17.000 Beschäftigte kontrolliert

Das will NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann jetzt ändern. Bei einer unangekündigten Kontrolle waren von Juli bis September 30 Schlachthöfe mit insgesamt 17.000 Beschäftigten unter die Lupe genommen worden. Alle „wesentlichen Player“ seien untersucht worden. „Das Ergebnis ist deprimierend“, erklärte der CDU-Politiker. Die Arbeitsbedingungen seien „katastrophal“.

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In 26 Betrieben wurden gravierende Arbeitsschutzmängel festgestellt. An Schneidemaschinen fehlten Schutzeinrichtungen, Rettungswege waren verstellt, Gefahrstoffe falsch gelagert. In 3000 Fällen wurde die gesetzliche Arbeitszeit überschritten – zum Teil hatten Beschäftigte mehr als 16 Stunden am Tag gearbeitet oder während der Schicht keine Pause gemacht. In 900 Fällen wurde keine arbeitsmedizinische Vorsorge durchgeführt.

Die Zahlen dürften noch weiter ansteigen, da es sich bei der Auswertung nur um eine Zwischenbilanz handelt. In der Fleischindustrie arbeiten ganz überwiegend Arbeitnehmer aus Ost- und Südosteuropa. Inländische Arbeitskräfte stünden für die anstrengende Arbeit in den Schlachthöfen kaum zur Verfügung, erklärte Laumann.

Mit Mindestlohn gelockt

In den armen ländlichen Regionen werden Männer unter Hinweis auf den deutschen Mindestlohn nach Deutschland gelockt. Allerdings werden für die Job-Vermittlung, die Bereitstellung der nötigen Papiere und den Transport nach NRW hohe Gebühren verlangt.

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Der Gewerkschaft NGG sind Fälle bekannt, in denen vierstellige Beträge zu entrichten waren. Wenn Job und Unterkunft aus einer Hand vermittelt würden, stünden die Osteuropäer oft voll in der Abhängigkeit von Subunternehmern der Fleischbetriebe. Aufgrund der Sprachbarrieren würden sich die Betroffenen meist schwertun, sich gegen Knebelverträge zu wehren.

Das Arbeitsministerium will die Arbeitnehmer jetzt mit einer Broschüre auf Bulgarisch, Polnisch, Rumänisch und Ungarisch über ihre Rechte aufklären. Darin ist unter anderem nachzulesen, dass die Unterkunft pro Person mindestens acht Quadratmeter groß sein muss. „In jedem Schlafraum dürfen maximal acht Betten stehen“, heißt es in dem Merkblatt. Und: „Wenn Ihr Arbeitsplatz kalt und nass ist, muss Ihr Arbeitgeber sicherstellen, dass Sie regelmäßig untersucht werden, damit Sie gesund bleiben.“

Regionale Schwerpunkte der Kontrollen waren die Regierungsbezirke Münster und Detmold. 2018 wurden in NRW rund 693 000 Rinder, 17,2 Millionen Schweine und 100 000 Schafe geschlachtet.

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