Henns Top-5-RestaurantsDas waren die Besten in Köln 2021 und was kommt 2022?

Lesezeit 10 Minuten
digas-172139227_MDS-KR-2020-07-22-71-163285956

Atemberaubende Aussicht im KölnSky. 

Köln – Das Jahr 2021 war wahrlich kein normales Jahr für die kulinarische Szene. Zwar konnte in den meisten Monaten geöffnet werden, aber mögliche Lockdowns schwebten stets drohend über den Gastronomen und Gastronominnen, dazu kamen sich ständig verändernde G-Regelungen, und der enorme Schwund an Mitarbeitern in Küche sowie Service.

2021 ging es nicht um die Entwicklung kreativer Restaurant-Konzepte, sondern schlicht ums wirtschaftliche Überleben. Das bedeutete fast immer kulinarisch auf Nummer sicher zu gehen, wichtige Themen wie Nachhaltigkeit blieben da leider auf der Strecke. Im Bereich der Spitzenrestaurants haben – Stand jetzt – viel mehr Adressen überlebt, als man zu Beginn der Pandemie befürchtete.

Spannende Neueröffnungen Ende 2021

Zum Ende des Jahres hin gab es dann aber sogar eine Handvoll spannender Neueröffnungen – ein bisschen war es bei diesen aber wie Bäumchen-wechsel-dich. Im neuen „Rays“ sind drei ehemalige, zentrale Kräfte des „Ox & Klee“ tätig, im „Prunier“ zwei des „Maximilian Lorenz“, und am 21. Dezember öffnete schließlich Julia Komp, vom „Lokschuppen“ kommend, ihr neues Restaurant „Sahila“ in den Räumlichkeiten des früheren „L’Accento“. Das „Pure White“ schließlich zog vom Belgischen Viertel nach Rodenkirchen.

Alles zum Thema Julia Komp

Was kommt 2022?

2022 soll es am 2.2. mit einer spannenden Neueröffnung weitergehen. 2-Sterne-Koch Daniel Gottschlich startet am Alter Markt sein zweites Restaurant. Beim „Pvls“ soll auf modernem Fine-Dining-Niveau auch die römische Vergangenheit Kölns auf den Teller kommen.

Die spannendste Entwicklung 2021 war eine kulinarische Neuausrichtung, die auch mit Daniel Gottschlich zusammenhängt. Dieser baute sein Restaurant „Ox & Klee“ mutig, viele sagen gewagt, zu einem Restaurant mit internationalem Ansatz um: nur noch ein Menü über Monate, keinerlei Sonderwünsche, großes Küchentheater zum Preis von 230 Euro. Mittlerweile hat er das Konzept nachgebessert, auf Allergien und Unverträglichkeiten wird versucht einzugehen (wenn sie vorher mitgeteilt werden).

Was verspricht 2022 sonst noch? Vielleicht die Wiedereröffnung des Dom Hotels mit einer Dependance von Koch-Legende Joachim Wissler? Oder eine neue Gastro auf Schloss Lerbach, das unter möglichen neuen Besitzern ebenfalls vor der Wiedereröffnung steht? Leider wohl auch 2022 unbespielt bleiben dagegen zwei der großartigsten Gastro-Locations Kölns: die Bastei am Rheinufer und der Colonius. Und auch eine große Markthalle, wie sie in anderen Städten für kulinarische Dynamik sorgt, ist immer noch nicht in Sicht.

Carsten Henns Top 5 Restaurants 2021:

Restaurant des Jahres: „La Société“

„Früher war mehr Lametta“ heißt es in Loriots berühmtem Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“. Der Restaurantführer „Gusto“ bemerkte sehr richtig, dass dieser Satz noch auf kein Restaurant so gut passte, wie auf das runderneuerte „La Société“. Es war vom Interieur her zuvor fraglos das einzigartigste Sternerestaurant Deutschlands. Wie glücklich war ich deshalb, als der wunderbare Maître Stefan Helfrich, der das Haus seit 1988 mit Verve und Witz leitet, bei meinem Testbesuch um 22 Uhr ein wenig Lasershow an die Decke warf und das alte „La Société“ ein wenig zurückkehrte. Ein bisschen mehr Lametta dürfte ruhig wieder Einzug halten, auch wenn der neue Stil ausgesprochen gelungen ist und der Raum wirklich enorm gewonnen hat.

Noch etwas dürfte für meinen Geschmack ruhig wieder auferstehen: die Kölschen Tapas, jahrzehntelang der Signature Dish als Gruß aus der Küche. Ich gebe zu: Sie haben mich irgendwann enorm gelangweilt, und kulinarisch war das Thema schon lange erledigt. Aber zu sehen, was einem so hochbegabten Koch wie Leon Hofmockel dazu einfällt, mit dem Blick des Imis auf die Kölner Brauhausküche, das würde mich dann doch interessieren.

Ein Gericht wie Brust & Keule vom Perlhuhn / Schwarzwurzel / Erdnuss mag wenig aufregend, ja fast gewöhnlich klingen. Das gleiche gilt für Seeforelle / Petersiliengraupen, aber Hofmockel ist ein Koch, der solch klassische Kombinationen zu echten Ereignissen werden lässt. Durch seinen grandiosen Geschmackssinn, durch seine Präzision und das Fine-Tuning im Spiel der Aromen, Konsistenzen und Temperaturen verleiht er Gerichten geschmackliche Tiefe und Komplexität, die jeden Gast in den Bann zieht. Dazu kommt mit Thomas Planberger ein sich zu neuen Höhen aufschwingender Patissier und Helfrichs ebenso freundliches wie kompetentes Service-Team. Zu loben ist auch der noch junge Sommelier Maximilian Altermann, der passend zum Küchenstil nicht auf Hipness sondern auf traditionelle Qualität setzt. Das „La Société“ ist ein Kleinod, das auf den zweiten Stern zusteuert.

La Société, Kyffhäuserstraße 53, 50674 Köln

Neu-Eröffnung des Jahres: Prunier Cologne

Bei manchen Lücken im kulinarischen Angebot merkt man erst, dass sie existierten, wenn sie endlich geschlossen werden. So ist es auch beim „Prunier“ in der Nähe des Doms, das einen ins Paris des Art Deco entführt und seinen Gästen die Chance bietet, Kaviar und Lachs von geradezu exzeptioneller Qualität zu einem für diese Ware äußerst günstigen Preis zu genießen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Der Zwischenhändler wurde ausgeschaltet, denn der Erzeuger betreibt das Restaurant selbst.

Probieren Sie zum Beispiel Caviar-Toast mit confiertem Eigelb nach Jean-Georges Vongerichten (19 €) oder ganz schlicht, aber mit frappierendem Aromen-Zusammenspiel: Büffelmilch-Burrata mit Zitronenolivenöl̈und Caviar (15 €). In Sachen Lachs begeistert das Fillet Tsar Nikolaj mit Jalapeno und leichter Wasabi-Mayonnaise (13 €, jeweils kleine Portionen). Und keine Angst, dass Sie hier ein ganzes Menü verspeisen müssen. Selbst wenn Sie nur eine Kleinigkeit essen und ein Glas Wein trinken, sind Sie herzlich willkommen.

Aber, und das ist wichtig, das „Prunier“ ist viel mehr als eine Kaviar-Schleuder mit Lachstranchen-Präsentation. Man kann auch ein ganzes Menü ohne die beiden Edelzutaten bestellen. Und am Herd steht der hochbegabte Enrico „Enno“ Hirschfeld, zuvor jahrelang Küchenchef im Sternerestaurant „Maximilian Lorenz“. Von 12 bis 21.30 Uhr kocht er eine Bistro-Karte, abends zusätzlich ein Fine-Dining-Menü.

Viele Plätze hat das kleine Restaurant nicht, eine Reservierung für den Abend ist deshalb schwer angeraten. Restaurantleiterin und Sommelière ist die wunderbare Ronja Morgenstern, zuvor ebenfalls im „Maximilian Lorenz“ tätig und als Fräulein Stern im Digitalen unterwegs. Die ausgewiesene Expertin in Sachen Schaumwein hat ihre Weinkarte passend zum Restaurant ebenso klassisch wie Frankreich-lastig ausgerichtet. Vertrauen Sie ihr bei der Weinauswahl ruhig blind, sie weiß was sie tut. Und falls Sie lieber zuhause Kaviar, Lachs und andere Spezereien genießen: Im vorderen Bereich befindet sich eine Feinkostboutique.

Prunier Cologne, Am Hof 48, 50667 Köln

Das könnte Sie auch interessieren:

Menü des Jahres: Caruso Pasta Bar

Das Problem mit persönlichen Lieblingsrestaurants ist ja, dass es für mich schwieriger wird, dort einen Tisch zu bekommen, wenn ich Ihnen davon erzähle. Bei der Caruso Pasta Bar ist das ohnehin nicht einfach, denn es gibt drinnen gerade einmal rund 16 Plätze, spontan geht da fast nie etwas (im Sommer stehen die Chancen etwas besser, weil dann ein paar Tische draußen stehen). Aber ich teile dieses Restaurant gerne mit ihnen, denn Anna und Marcello (der tatsächlich mit dem berühmten Tenor Enrico Caruso verwandt ist) haben es verdient, dass bei ihnen jeder Abend ausgebucht ist. Sie leitet mit viel Herzlichkeit den Service, er schafft in der kleinen Küche.

Hier ist alles handgemacht, und es gibt – das schließt ausdrücklich die Sternerestaurants mit ein – mit die beste Pasta Kölns. Da das viele Gäste wissen und deshalb bevorzugt Pasta-Gerichte bestellen, freuen Anna und Marcello sich besonders, wenn man auch etwas anderes von der kleinen Karte ordert (immer gibt es auch köstliche vegetarische Alternativen). Stets wird mit guten Zutaten gekocht, manchmal traditionell, manchmal mit kreativen Drehs kombiniert. Dazu gibt es eine kleine, italienische Weinkarte. Soul Food aber auch Soul-Atmosphäre! Bestellt werden müssen pro Person immer mindestens drei Gerichte, die zusammen 33 € kosten. Ich selbst nehme meist vier für 40 € (5 kommen auf 45 €).

*Lesen Sie hier: Caruso Pasta Bar zieht ins Agnesviertel, in das ehemalige „Metzger und Marie"

Hier mal ein exemplarisches 4-Gang-Menü:

Octopus | Süßkartoffel | Sesam-Mayo | Gremolata | Pane Carasau

Gerösteter Blumenkohl Cappellacci | Spinat | Rosinen | Nüsse-Crumble | Veggie Jus

Pappardelle | Wildschwein-Ragout 48 Stunden gegart | Kresse

Kürbis | Mascarpone-Ganache | Espresso-Gel | Amarettini-Savoiardi-Streusel

Aber nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es existiert hier kein festes Menü! Meist stehen ein Dutzend Gerichte auf der Karte und Sie wählen völlig frei daraus aus. Drei Pasta-Gänge? Kein Problem! Dreimal Fisch und Meeresfrüchte? Warum nicht! Drei Desserts? Sweets for my sweet, sugar for my honey! Alles ist unkompliziert hier. Herrlich!

Caruso Pasta Bar, Salierring 46, 50677 Köln

Geheimtipp des Jahres: Köln Sky

Dieses Restaurant gibt es eigentlich gar nicht. Oder zumindest nicht immer. Es ist temporär. Und die Öffnungstage stehen nicht fest, sondern wechseln jeden Monat. Man findet sie nur auf der Homepage des Köln Sky – weshalb es lohnt, diese im Blick zu behalten. Nirgendwo isst man mit schönerem Blick über Köln. Auf der Schäl Sick, in der 28. Etage des Kölntriangle-Hochhauses, umgangssprachlich auch als LVR-Turm bekannt, mit Blick auf Hohenzollernbrücke und Dom.

Wäre aber nur der Blick wunderbar, würde ich das Köln Sky, dessen Chef Michael Stern hier eigentlich mit Events sein Geld verdient, nicht empfehlen. Aber hinter dem Herd steht mit Sönke Höltgen Kölns unbekanntester Spitzenkoch. Seit sieben Jahren schon ist er im Unternehmen, vorher war er unter anderem im Restaurant Jörg Müller (Sylt), bei Dieter Müller auf Schloss Lerbach, und im Husarenquartier (Erftstadt) tätig. Für Höltgen stellen die seltenen Restaurantabende eine besondere Freude dar, weil er dann wieder ein kleines Publikum bekochen darf. Was nicht heißt, dass er Events nicht ebenfalls schätzt, aber es sind halt zwei Paar Schuhe. Eine kleine Vorwarnung: Wenn es post-pandemisch wieder mehr Events und Hochzeiten gibt, werden die Restaurantabende deutlich seltener stattfinden.

Höltgens Thema ist die kulinarische Harmonie, kleine Kontraste gestaltet er immer mannschaftsdienlich. Er kombiniert zum Beispiel Tranchen von der geräucherten Entenbrust ganz traditionell mit Entenleber-Trüffel und Williams-Birnen-Chutney, oder eine offene Lasagne mit gebratener argentinischer Rotgarnele pfiffig mit Winter-Trüffel, Grünkohl-Crunch und Champagner-Fumet.

Bedenkt man zu solchen Köstlichkeiten den Ausblick sind 70 Euro für ein Menü mit vier Gängen (86 Euro für eines mit fünf) schon fast ein Schnapper. Dazu kommt eine Weinliste, die Zeugnis für Michael Sterns Sammelleidenschaft ist und die meisten Sommeliers in Köln blass werden lässt. Auch sein Digestiv-Wagen ist eine Augenweide und bietet wahre Schätze.

Köln Sky, Ottoplatz 1, 50679 Köln

Mittagstisch des Jahres: Bouschong

Auch abseits der Sternegastronomie wird in Köln ganz hervorragend gekocht – manchmal allerdings nur mittags. Im Dezember 2018 eröffneten Marcus Lorenz-Linke und Koch Tim Weber das „Bouschong“ in einem kleinen Ecklokal in der Weyerstraße (Griechenmarktviertel) und seitdem ist es zu einer Institution geworden.

Kein Wunder, muss man sagen, denn die beiden machen eigentlich alles richtig. Zum einen sind da die Zutaten: Gemüse kommt über die Bauernrunde, Fleisch zum Beispiel vom Bio-Metzger aus Morsbach, Kaffee von Van Dyck, das Brot wird selbst gebacken, wie auch Kuchen und Teilchen, die es nachmittags hier gibt (zum Beispiel Zitronen-Mohnkuchen oder Amaretto-Gugelhupf). Einweg-Plastikverpackungen lehnen sie ab, beim Take-away setzen sie konsequent auf Mehrweg, und eine kostenlose Wasserstation existiert auch, ganz nach dem Motto „Dat Wasser vun Kölle is jot“.

Ob Pasta Bolognese (10,90 €), Grünkohleintopf (11,90 €), gegrilltes Käsesandwich (7,90 €), Hirschragout mit Wirsing-Kartoffelstampf (13,90 €) oder Bulgur-Karottensalat (8,90 €): Saisonal ist der Ansatz und erlaubt ist auf der kleinen Karte, was schmeckt. Seit diesem Jahr gibt es an manchen Abenden auch einen Pop-up mit Pinsa (eine Art fluffiger Pizza). Angeboten werden Pinsas mit solch klingenden Namen wie Cheesus Christ, Schammpingjong oder Chorweilers Rache (Mozzarella, Kartoffel, Zwiebeln, Apfelmus).

Wer über Gastronomie in den 20er Jahren spricht muss über Konzepte wie das „Bouschong“ sprechen. Hier wird Nachhaltigkeit, Regionalität und Saisonalität gelebt, hier wird an den Grundprodukten nicht gespart, richtig gut gekocht und unprätentiös-schnörkellos angerichtet.

Nur 25 Plätze besitzt das Lokal, zu dessen Gründung Weber und Lorenz-Linke bei einer Reise nach Lyon inspiriert wurden. Dort werden Bistros Bouchon genannt, was dann einfach eingekölscht wurde. Von solchen Bistros wie dem Bouschong kann eine Stadt wie Köln nicht genug haben!

Buschong, Weyerstraße 98, 50676 Köln

**Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Dezember 2021.

KStA abonnieren