Am Freitag gibt's Zeugnisse. Welche Erinnerungen und Erwartungen in Noten stecken und was sie mit diesen persönlichen Lebenswegen zu tun hatten.
Wie wichtig waren Noten für Sie?Erfolgreiche Kölnerinnen und Kölner erinnern sich an ihre Zeugnisse

„Es gab diesen einen tollen Lehrer, Herr Süsterhenn, der uns mit seiner Leidenschaft für die deutsche Sprache angesteckt hat“, erinnert sich Mareike Marx, Intendantin des Hänneschen-Theaters.
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Sieben Menschen aus Köln mit bemerkenswertem Werdegang sprechen über ihre Schulzeit und darüber, was sie von Noten halten.
„Ich persönlich setze grundsätzlich lieber auf Sog, statt auf Druck“
Mareike Marx eröffnete 2011 mit 26 Jahren als Intendantin das Metropol Theater, seit 2022 ist sie Intendantin des Hänneschen-Theaters:
Ich war als Schülerin sehr verträumt und habe viel aus dem Fenster gesehen. Gerade in der Grundschule. Aber, wenn ich darüber nachdenke, gab es damals schon Dinge, die mich unheimlich interessiert und die auf meinen späteren Werdegang hingedeutet haben. Lesen und schreiben fand ich immer toll, in Mathe war ich diejenige, die sich häufig wegträumte. Und das ist so lustig, weil ich genau das bei meinem Sohn heute auch beobachte. Er hat jetzt das erste Schuljahr hinter sich gebracht und auch er guckt gerne aus dem Fenster, lässt sich ablenken und ich denke: Kenne ich. Vielleicht bin auch deshalb ziemlich entspannt. Ich weiß, wie schwer es mir damals manchmal gefallen ist, mich zu konzentrieren. Aber heute mache ich beruflich genau das, was mich erfüllt.
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Meine Noten waren immer ganz gut, nur in Mathe hatte ich in der Grundschule schon eine schlechte Note. Das hat mich natürlich schon beschäftigt. Geholfen hat mir allerdings, dass meine Eltern sehr gelassen waren. Ich habe noch zwei Brüder und wir haben zum Beispiel immer das gleiche Zeugnisgeld bekommen, egal ob der eine jetzt besser oder schlechter war. Es ging weniger um Noten als darum, sich Mühe zu geben. Ärger wegen einer schlechten Note haben wir nie bekommen.
Ich habe dann mein Abitur auf der Willy-Brandt-Gesamtschule gemacht. Ich denke gerne daran zurück, weil die Lehrer unheimlich viele Projekte mit uns gemacht haben. Ich kann mich gut an die Ausstellung vom NS-Dok „Zwangsweise Kölsch“ erinnern. Wir durften ehemalige Zwangsarbeiter kennenlernen, sind zu ihnen nach Holland gefahren, haben sie dann nach Köln eingeladen und mit ihnen lange geredet. So etwas vergisst man nicht.

Mareike Marx ist seit 2022 Intendantin des Hänneschen-Theaters, sie sagt: „Es ist wichtig herauszufinden, wofür man brennt - und das kann man tatsächlich auch in der Schule entdecken. Geben wir den Kindern dafür Zeit.“
Copyright: Uwe Weiser
Es gab wunderbare Zirkus- und Theaterprojekte. Und es gab diesen einen tollen Lehrer, Herr Süsterhenn, der uns mit seiner Leidenschaft für die deutsche Sprache angesteckt hat. Wir spürten einfach, wie sehr er die Sprache liebte. Ich wollte damals schon Schauspielerin werden und zum Theater gehen und dieser Lehrer hat meinen Wunsch mit seinem Unterricht nur noch befeuert. Ich weiß noch, wir haben Theaterstücke mit verteilten Rollen gelesen und jeder musste dafür ein bisschen aus seiner Komfortzone raus. Es gab sicher Mitschüler, die das ganz schrecklich fanden. Ich fand es toll.
Als mein Sohn nun von der behüteten Kita in die erste Klasse kam, war das am Anfang eine ganz schöne Umstellung. Er fragte mich nach den ersten Wochen, wie viele Tage er noch zur Schule gehen müsse. Ich habe dann gesagt: Schatz, das kann ich dir schneller in Jahren sagen. Ich glaube nicht, dass ich mit Druck bei ihm viel erreichen würde. Ich persönlich setze grundsätzlich lieber auf Sog, statt auf Druck. Mein Mann und ich versuchen, auf spielerische Weise mit unserem Sohn zu lernen und sein Interesse zu wecken. Die Lehrerinnen und Lehrer seiner Grundschule sind sehr engagiert, trotz der vielen Herausforderungen, die der Schulalltag mit sich bringt. Die Kinder sollen herausfinden, wo ihre Interessen liegen. Nicht jeder muss ein Einser-Kandidat sein, damit etwas aus ihm wird. Es ist viel wichtiger herauszufinden, wofür man brennt - und das kann man tatsächlich auch in der Schule entdecken. Geben wir den Kindern dafür Zeit.
„So schrecklich sich manche schlechte Note in dem Moment angefühlt hat - so unwichtig ist sie schnell geworden“
Mirko Drotschmann, Journalist, Moderator von Terra X und „Mr. Wissen2Go“
Schulnoten können manchmal ganz schön fies sein. Sehr gut erinnere ich mich zum Beispiel noch an meine erste sechs im Vokabeltest in Englisch in der 5. Klasse, oder an die 5+ in der wichtigen Vergleichsarbeit in Mathe in Klasse 10, die auch noch doppelt gewertet wurde. Allerdings muss ich rückblickend sagen: So schrecklich sich manche schlechte Note in dem Moment angefühlt hat - so unwichtig ist sie schnell geworden. Denn hier und da mal auszurutschen, kann wirklich jedem passieren. Aber es kommen auch bessere Zeiten. Dafür muss man manchmal kämpfen und sich reinhängen, aber jedes kleine Erfolgserlebnis hilft, sich zu motivieren.
Natürlich kann man darüber diskutieren, wie sinnvoll Schulnoten generell sind. Zumindest mir haben sie aber geholfen, mich einzuschätzen, manchmal auf den Boden der Tatsachen geholt zu werden - und zum Glück waren sie immer wieder auch eine Belohnung für harte Arbeit und Einsatz bis spät in die Nacht.

„Mir haben Noten geholfen, mich einzuschätzen“, sagt TV-Moderator Mirko Drotschmann.
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Ich hatte in Geschichte sehr gute Lehrerinnen, die das Fach auf spannende Art und Weise vermittelt haben: Mit Anekdoten, Rollenspielen, Zeitzeugen-Berichten und anderen Hilfsmitteln. Das hat dabei geholfen, sich Dinge einzuprägen. Als Schüler hat es mir Spaß gemacht, Referate zu halten. Letztlich mache ich heute nichts anderes, nur in etwas abgewandelter Form.
„Noten sollen keinen Karriereweg verhindern - dazu braucht es einen Systemwechsel“
Christiane Woopen, Medizinerin, Philosophin, Direktorin des „Center for Life Ethics“ der Universität Bonn, ehemals Vorsitzende des Deutschen und Europäischen Ethikrats.
Generell würde ich auf Zeugnisse mit Schulnoten nicht verzichten. Wir leben in einer kompetitiven Welt. Dem Wettbewerb müssen sich junge Menschen stellen, spätestens wenn sie die Schule verlassen. Deshalb ist es gut, sie darauf vorzubereiten. Und für manch einen fiele eine Motivation zum Lernen weg, wenn es dafür am Ende keine Noten gäbe.
Ich selbst bin vielleicht nicht das allerbeste Beispiel dafür. Ich bin ziemlich easy durch meine Schulzeit gerauscht, hatte immer Spaß am Lernen. Wenn dann im Zeugnis eine 1 stand, habe ich mich gefreut, klar. Aber das war nicht mein Antrieb. Ich weiß allerdings noch genau, welch panische Angst Mitschülerinnen hatten, wenn es auf die Zeugnisse zuging. Die Vorstellung, sitzenzubleiben, die eigene Klasse verlassen zu müssen und ein ganzes Jahr zu verlieren – das steckt man nicht so einfach weg.

„Noten können die innere Motivation verschütten“, sagt Christiane Woopen, Leiterin „Center for Life Ethics“ der Universität Bonn.
Copyright: Reiner Zensen
Die Kehrseite des Notensystems ist, dass manche nur noch für Noten lernen und die innere Beziehung zu den Inhalten verlieren – also zu dem, worauf es in der Bildung eigentlich ankommt. Noten können die innere Motivation verschütten, weil ein äußeres Belohnungssystem den eigenen Antrieb und das ganz persönliche Interesse in den Hintergrund schieben. Wenn ich als Jugendliche nach ein paar Tagen Pause wieder Lust darauf hatte Klavier zu spielen, war alle Lust dahin, wenn meine Mutter mir auf dem Weg dorthin zurief: „Du musst endlich mal wieder Klavier üben, sonst darfst Du nachher nicht Fernsehen gucken.“ In der Psychologie nennt man das „Crowding-out-Effekt“.
Ich denke auch an ein Fach wie Sport: Wenn man die Noten an bestimmte objektive Leistungen bindet, fallen unsportliche Schülerinnen und Schüler fast unweigerlich durchs Raster. Die können sich noch so sehr anstrengen – am Ende wird nie eine gute Note stehen. Warum bewertet man da nicht einfach den individuellen Einsatz? Wertschätzung für Anstrengung statt Noten für das Ergebnis.
Es kann sich doch jemand hervorragend als Jurist oder Ärztin eignen, der oder die aber mit höherer Mathe nichts anfangen kann. Warum muss solchen Leuten die Mathe-Note den Numerus clausus verderben?
In unserem „Haus für junges Denken“ an der Uni Bonn machen wir Workshops mit Schulklassen und -kursen, um ein Thema aus dem Unterricht ethisch zu reflektieren: da geht es zum Beispiel um globale Gerechtigkeit, Sterbehilfe oder Klimawandel. Die Schülerinnen und Schüler machen begeistert mit, weil sie alles sagen dürfen – ohne anschließende Bewertungen. Die begleitenden Lehrkräfte sagen meist: „Wow, so offen und kreativ haben wir die Klasse noch nie erlebt“ – mit dem doppelten Mut, einfach mal einen Gedanken zu formulieren und ihn dann aber auch selbstkritisch zu hinterfragen. In der Schlussrunde sagen viele: „Das Thema ist viel größer als ich dachte und ich schaue nun immer mal, wie man etwas auch anders sehen kann.“
Neulich kam bei so einem Kurs der Ärger der Schülerinnen und Schüler heraus, dass Noten ihnen Lebens- und Berufswege verbauen können. Das stimmt zweifellos, und das finde ich wahnsinnig schade. Es kann sich doch jemand hervorragend als Jurist oder Ärztin eignen, der oder die aber mit höherer Mathe nichts anfangen kann. Warum muss solchen Leuten die Mathe-Note den Numerus clausus verderben?
Wäre es da nicht besser, spätestens in der Oberstufe zu unterscheiden? Auf der einen Seite die Fächer, die für die Allgemeinbildung wichtig sind, in denen dann aber das Engagement bewertet wird, nicht die Leistung. Und auf der anderen Seite Fächer, die den Einzelnen persönlich wichtig sind, für die sie Talent und innere Motivation mitbringen, was dann auch mit Leistungsnachweisen und Noten verbunden ist. Das wäre ein wichtiger Beitrag, dass Noten keine Karrierewege verhindern.
Und ich bin sicher, ein solcher Systemwechsel würde auch den Stellenwert der Benotung und der Zeugnisse für Schülerinnen und Schüler insgesamt verändern, so dass der Kern von Bildung mehr zur Geltung kommt. Da geht es nämlich darum, dass Inhalte eine Bedeutung für mich ganz persönlich erhalten und ich eine Beziehung dazu entwickle, die mein Leben beflügelt.
„Im Fach Deutsch habe ich mich oft gefragt, was uns Dichter eigentlich mitteilen wollen – ich hätte mir klarere Worte gewünscht“
Julia Komp wurde 2016 zu Deutschlands jüngste Sterneköchin und 2020 zur Köchin des Jahres gewählt. Sie betreibt das „Sahila“ und die „Yu*lia Mezze Bar“ in Köln.
Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, erinnere ich mich daran, dass das Lernen für Klausuren oft sehr zeitintensiv war. Heute denke ich manchmal: Schön wär’s, wenn das noch meine größte Herausforderung wäre. Ich war eine gute Schülerin mit ordentlichen Noten – mit der Rechtschreibung habe ich mich allerdings etwas schwergetan. Schreiben fand ich nie besonders spannend. Und im Fach Deutsch habe ich mich oft gefragt, was uns Dichter eigentlich mitteilen wollen – ich hätte mir klarere Worte gewünscht. Sport war ebenfalls nicht meine Welt, vor allem nicht, wenn Bälle im Spiel waren.
Dafür hatte ich viel Freude an Fächern wie Mathematik, Biologie, Physik, Erdkunde, Chemie und Sprachen. Ich hatte das Glück, sehr engagierte Lehrer zu haben – sowohl an der Realschule in Overath als auch später beim Wirtschaftsabitur in Köln. Besonders BWL, VWL und Mathe haben mir großen Spaß gemacht. In der 8. Klasse habe ich ein zweiwöchiges Schulpraktikum in einem Hotel gemacht. Ich durfte überall mithelfen – im Service, auf der Etage und in der Küche. Und genau dort hat es Klick gemacht. Die Arbeit hat mich sofort begeistert. Zu dieser Zeit war Jamie Oliver sehr präsent im Fernsehen, auch „Das perfekte Dinner“ war beliebt – ich habe viele Stunden in der Küche verbracht, besonders mit meiner Oma. Mit 15 Jahren wusste ich: Ich möchte Köchin werden.
Meine Lehrer waren damals überrascht – mit so guten Noten müsse man doch studieren. Nur Köchin? Heute besuchen mich einige dieser Lehrer in meinem Restaurant. Und ich sage ganz klar: Nicht jeder Weg muss über ein Studium führen. Handwerk kann ebenso erfüllend und anspruchsvoll sein.
Natürlich können Schulnoten ein Anhaltspunkt für Motivation und Leistungsbereitschaft sein – aber sie sagen längst nicht alles über einen Menschen aus. Jeder lernt auf seine eigene Weise. Manchmal passt das Thema nicht, manchmal die Unterrichtsform, oder man hat den eigenen Antrieb noch nicht gefunden.

Julia Komp über ihre Schulerfahrung: „Meine Lehrer waren damals überrascht – mit so guten Noten müsse man doch studieren. Nur Köchin? Heute besuchen mich einige dieser Lehrer in meinem Restaurant.“
Copyright: Melanie Bauer
Mein Rat an junge Menschen: Findet heraus, was euch interessiert. Ob es Tiere sind, Technik, Menschen oder etwas ganz anderes – wichtig ist, ein Ziel zu haben. Wer weiß, was er will, kann gezielt darauf hinarbeiten. Praktika, Ausbildungen oder andere Praxiserfahrungen helfen dabei. Denn echte Leistung zeigt sich nicht nur im Zeugnis, sondern auch im täglichen Engagement.
Ich bilde aktuell fünf Auszubildende aus. Was mich bei Bewerbungen manchmal enttäuscht, ist fehlende Sorgfalt. Wer sich nicht einmal die Mühe macht, meinen Namen richtig zu schreiben oder auf Rechtschreibung zu achten, signalisiert mir mangelndes Interesse. Dabei beurteile ich niemanden nach Noten. Was für mich zählt, ist Einsatzbereitschaft, Begeisterung und Verlässlichkeit. In der Spitzengastronomie reicht es nicht, das Nötigste zu tun – hier ist Leidenschaft gefragt. Wer diese mitbringt, bekommt bei mir eine echte Chance.
Mein Rat an junge Menschen: Findet heraus, was euch interessiert
Ich selbst habe in meinem Leben nur zwei Bewerbungen geschrieben – und die wären im Grunde nicht nötig gewesen. Ich wusste früh, was ich wollte: Sterneköchin werden. Schon während meiner Ausbildung war mein Ziel klar. Ich arbeite gerne unter Druck, brauche Abwechslung, und ich liebe es, direkt das Ergebnis meiner Arbeit zu sehen. Kochen vereint für mich Kreativität, Handwerk und unmittelbares Feedback. Wenn Gäste zufrieden und glücklich nach Hause gehen, ist das auch für mich ein erfüllender Moment.
Das Schöne am Handwerk: Es bietet viele Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln – fachlich und persönlich. Wer dranbleibt, kann seinen Weg gehen – regional wie international.
„Es wird schon schif gehen. Oder schiev“

„Einer besseren Note standen meine unsagbar vielen Rechtschreibfehler im Weg“, erinnert sich Autor Frank Reifenberg.
Copyright: Jörn Neumann
Frank Maria Reifenberg, Schriftsteller und Drehbuchautor
Meine Deutschlehrerin war bei der Rückgabe von Aufsätzen meistens begeistert von meinen Geschichten. An Fantasie mangelte es mir damals schon nicht. Über eine Drei kam ich allerdings selten hinaus. Einer besseren Note standen meine unsagbar vielen Rechtschreibfehler im Weg. Fast hundert Bücher, Drehbücher, Hörspiele später korrigieren meine Lektorinnen zwar immer noch ordentlich in meinen Texten herum, aber irgendetwas habe ich wohl richtig gemacht.
Manchmal heißt es also: nicht verzweifeln, dranbleiben, mit seinen Talenten arbeiten und nicht gegen die Schwächen. Es wird schon schif gehen. Oder schiev. Oder schihf. Ach...
„Auch wenn ich nicht immer Klassenbester war, habe ich mir meinen Kindheitstraum erfüllt“
Theo B. Pagel, Direktor des Kölner Zoos, ehemals Präsident des Weltzooverbands
Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich nicht immer ein Musterschüler war. Meine Klassenlehrerin auf der Grundschule riet meinen Eltern gar davon ab, mich auf das Gymnasium zu schicken. Dennoch habe ich meinen Weg gemacht, auch wenn ich nicht immer Klassenbester war, und habe letztlich sogar erfolgreich ein Studium absolviert sowie am Ende mir meinen Kindheitstraum erfüllen können, als Zoodirektor zu arbeiten.

Nicht immer Klassenbester, trotzdem den Traumberuf realisiert: Zoodirektor Theo Pagel.
Copyright: Zoo Köln
Man sollte sich – wie es heute leider bei vielen Kindern und Studierenden vorkommt – nicht immer unter Notendruck setzen und - das sei auch mal gesagt - es gibt zahlreiche wunderbare Handwerksberufe, in denen man Erfüllung findet und für die man nicht studieren muss, zum Beispiel Zootierpfleger.
„Schule? Da denke ich sofort an diesen sinnlosen Handstandüberschlag“
Thomas Diederichs, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Köln-Nippes,
Schule? Da denke ich sofort an diesen sinnlosen Handstandüberschlag, der mir einen lockeren Zahn und eine gespaltene Lippe bescherte und ich mich beim Durchgangsarzt wiederfand. Das war’s. An den Rest der Schulzeit kann ich mich fast nicht erinnern. Diese Jahre sind für mich heute wie eine Black Box. Und mich beschleicht manchmal der Gedanke, dass ich gar nichts verdränge, sondern dass da wirklich nicht viel war. Das klingt traurig. Aber die Schule hat für mich keine große Rolle gespielt. Keine inspirierenden Fächer, keine inspirierenden Lehrer. Die Schule hat eher verunmöglicht, wirklich kreativ zu werden. Also bin ich da durch gegangen und erinnere mich mehr an meine Freizeit, in der ich Musik gehört und Gitarre gespielt habe. Ich habe mich früh in der Jugendarbeit der evangelischen Gemeinde engagiert. An der Entscheidung, schließlich Theologie zu studieren, hatte die Schule definitiv keinen Anteil. Sie hatte für mich kein Angebot, auch wenn ich ein paar Jahre Schülersprecher war

„In Schulgottesdienste sieht man, wie kreativ und wie engagiert Kinder sein können“, sagt Pfarrer Thomas Diederichs.
Copyright: Marcel Panne
Heute habe ich sehr viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun und ich versuche mit ihnen Themen zu finden, die sie wirklich beschäftigen. Ich habe unzählige Schulgottesdienste veranstaltet. Hier sieht man, wie kreativ und wie engagiert Kinder sein können. Grundschule hat sich in den vergangenen 50 Jahren erheblich verändert. Ich hoffe, dass das auch in den weiterführenden Schulen so ist – zumindest ansatzweise.
„Sucht etwas, das euch Spaß macht und für das ihr wirklich Interesse habt“, sage ich den Jugendlichen. „Und versammelt Leute um euch, mit denen ihr das gemeinsam machen und verantworten könnt.“ Was das ist, muss jede und jeder für sich selbst herausfinden. Dafür braucht es Unterstützung, aber nicht immer eine Lehre. In diesem Zusammenhang zitiere ich gerne Martin Buber, einen der großen Pädagogen und Religionsphilosophen des 20. Jahrhunderts: „Ich nehme ihn, der mir zuhört, an der Hand und führe ihn zum Fenster. Ich stoße das Fenster auf und zeige hinaus. Ich habe keine Lehre, aber ich führe ein Gespräch.“