Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Renaturierung der ErftDarum bräuchte der Erftverband Obelix als Mitarbeiter

6 min
Das Bild zeigt einen Lastwagen, der durch das spätere Flussbett der Erft fährt.

Bei Gymnich wird die Erft – wie in Euskirchen geschehen – renaturiert. Die Lastwagen fahren durch das künftige Flussbett.

Zwischen Gymnich und Kerpen wird die Erft renaturiert. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren, doch es gibt auch Probleme. 

Es ist ein heißer Nachmittag, 34 Grad im Schatten: Der Erftverband wirbelt mächtig Staub auf. Dort, wo sich im Idealfall Ende des Jahres die Erft ihren Weg bahnt, fahren aktuell große Baumaschinen durch das künftige Flussbett. Die laufende Renaturierung ist vor lauter Staub zeitweise nur zu erahnen.

Die Verlegung der Erft zwischen Erftstadt und Kerpen ist nach Angaben von Erftverband-Chef Heinrich Schäfer nicht nur das bisher größte Renaturierungsprojekt des Verbands, sondern das größte in Nordrhein-Westfalen. Aus bisher zwei Kilometern Flusslauf sollen 5,5 Kilometer werden. Und weil das Projekt eins mit Vorzeigecharakter ist, hat sich der Erftverband für das Jahresgespräch den Aussichtsturm an der Gymnicher Mühle ausgesucht – von dort hat man nämlich einen hervorragenden Blick auf die Bauarbeiten. Wenn der Staub sich denn verzogen hat.

Auch in Euskirchen hat der Erftverband die Erft renaturiert

Mit Renaturierungen kennt sich der Erftverband mittlerweile aus. In Euskirchen wurde ein ähnliches Projekt begonnen, unmittelbar nachdem die gröbsten Schäden der Flutkatastrophe vom Juli 2021 in der Erftaue beseitigt waren. Es ist mittlerweile abgeschlossen. In der Kreisstadt schlängelt sich die Erft zwischen Erftbastei und dem Zusammenfluss mit dem Veybach auf einer Länge von 1,6 Kilometern, wo sie zuvor Jahrzehnte wie an der Schnur gezogen floss.

Die Euskirchener Erftaue hat seitdem einen deutlich größeren Parkcharakter   und ist im Sommer vor allem bei Familien als Ausflugsziel beliebt. „Natürliche Flussauen gehören zu den artenreichsten und ökologisch interessantesten Lebensräumen in Mitteleuropa“, sagt Schäfer, der im Vergleich zur Renaturierung in Euskirchen bei Gymnich einen großen Unterschied ausgemacht hat: das Grundwasser.

Wir haben unter der Fläche kein Grundwasser. Da besteht das Risiko, dass das Wasser der Erft einfach versickert.
Ruth Haltof, Planungsingenieurin

„Wir haben unter der Fläche kein Grundwasser. Da besteht das Risiko, dass das Wasser der Erft einfach versickert“, erklärt Planungsingenieurin Ruth Haltof. Damit das Erftwasser nicht das macht, was es seit Jahren im Zülpicher See macht – nämlich einfach versickern –, hat der Erftverband einen Plan. Der Wasserstand des Zülpicher Sees ist in den vergangenen Jahren um mehr als 1,50 Meter gesunken. Im Erft-Kreis wird das neue Flussbett nun mit Schluff abgedichtet. Schluff ist eine Bodenart aus fein verwittertem Gestein.

Die Körnchen sind kleiner als Sand, aber größer als bei Tonböden. Auf den Schluff wird Kies als neues Bett der Erft aufgetragen. Die darf ihren Lauf darin selbst gestalten, Kiesbänke zusammenschieben oder sich stellenweise tiefer eingraben. Wenn das Wasser in die neue Aue geleitet ist, wird der bisherige, schnurgerade Flusslauf – genauer gesagt: der Flutkanal – leergepumpt. Das Wasser landet wieder in der Erft, ebenso die Fische, die vorher gefangen und umgesetzt werden.

Erftverband ist auf der Suche nach Steinen, die am ehesten Obelix liefern könnte

Der Erftverband hat ein weiteres Problem – das wurde im Jahrespressegespräch deutlich, das nun Baustellencheck heißt. Der Verband benötigt im Idealfall Obelix und zahlreiche Hinkelsteine. „Wir brauchen große und hohe Steine, damit sie kippsicher sind. Die Steine, die wir suchen, sind ein mal ein Meter groß und 2,70 Meter hoch. Davon brauchen wir 100 Stück“, erklärt Haltof, die das Projekt seit 2016 begleitet. Damals wurde mit dem Planungsauftrag die Renaturierung auf dem Gelände, das ursprünglich ein Golfplatz werden sollte, endgültig angestoßen.

Die Steine werden benötigt, um ein Raugerinne zu installieren. Das wiederum ist nötig, um es Fischen zu ermöglichen, im Fluss auf- oder abzusteigen. Haltof: „Meist werden mit solchen Gerinnen Sperranlagen umgangen, hier legen wir sie mitten im Fluss an.“

Das Bild zeigt Heinrich Schäfer, der eine Warnweste und einen Helm trägt.

Erftverband-Chef Heinrich Schäfer zeigt, wo an der Kläranlage in Köttingen die größten Schäden durch die Flut entstanden waren.

Das Bild zeigt die Kläranlage. Auf dem Gelände wird gerade ein Gebäude errichtet.

Am Klärwerk in Köttingen sind die Wiederaufbauarbeiten im Gange.

Ein reißender Fluss hatte sich bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 auch in Köttingen entwickelt, der die dortige Kläranlage komplett eingeschlossen hatte. Die Katastrophe verursachte laut Schäfer alleine an dieser Anlage einen Schaden von 22 Millionen Euro. In Erneuerungen und einen besseren Hochwasserschutz seien weitere acht Millionen Euro investiert worden. So wurden die Verfahrenseinheiten und Funktionen der Kläranlage nach Vulnerabilität und Schadenspotenzial neu bewertet und angeordnet. Kritische Anlagenteile wie Elektrotechnik und Stromversorgung werden beispielsweise auf höherliegendem Gelände neu errichtet.

Abgeschlossen ist der Wiederaufbau der Anlage, die nur fünf Tage nach der Flut wieder ans Netz ging, aber auch knapp vier Jahre später nicht. „Wir werden es wohl auch nicht bis zum fünften Jahrestag schaffen“, sagt Anlagenleiterin Ann Kathrin Beer. Der Fachkräftemangel, die geringe Resonanz auf die europaweiten Ausschreibungen oder auch die Beschaffung von elektrischen Komponenten sorgten immer wieder für Verzögerungen.

Hochwasserschutz bei Schwerfen wird verbessert

Zwischenzeitlich sind das neue Betriebsgebäude, sämtliche Erdarbeiten sowie die elektrische Energieversorgung mit Neubau der Trafostation fertiggestellt. Der Faulbehälter für den Klärschlamm wurde zum Jahreswechsel 2023/24 in Betrieb genommen.

Während der Erftverband in Köttingen fleißig baut, rollen in Schwerfen die Bagger erst noch an. Mit dem Großprojekt „RÜB An der Gülichsburg Schwerfen“ beginnt im Juli die Erneuerung des Kanalnetzes in Schwerfen, in deren Rahmen auch ein Regenüberlaufbecken für den Hochwasserschutz gebaut wird. Ziel seien die Optimierung des Entwässerungssystems und die Verbesserung der Gewässerqualität des Rotbachs, heißt es in einer Mitteilung des Erftverbands.

In der Gemeinschaftsmaßnahme von Erftverband, Verbandswasserwerk und Stadt Zülpich werden auch die Trinkwasserleitung erneuert, Straßen saniert und eine Hochwasserschutzmaßnahme umgesetzt. Herzstück des Projekts sei der Neubau eines Regenüberlaufbeckens mit Entlastungs- und Stauraumkanälen, so der Erftverband. Damit will man rund 400 Kubikmeter Rückhaltevolumen schaffen. Die Maßnahme gliedert sich laut Verband in sieben Bauphasen und soll bis November 2027 abgeschlossen sein.

Zudem will der Erftverband in diesem Jahr noch die Kanalnetze in Zülpich und Weilerswist erneuern. An der L194 zwischen Ottenheim und Vernich sind einige Abschnitte schon fertig. In Langendorf haben die Arbeiten begonnen, mussten nach dem Starkregen vor einigen Wochen aber unterbrochen werden.


571 Beschäftige beim Erftverband

571 Beschäftigte arbeiteten 2024 nach Angaben des Wasserwirtschaftsunternehmens beim Erftverband. Das sind 20 Stellen mehr als ein Jahr zuvor. Der Anteil der weiblichen Beschäftigten beträgt nach Angaben des Erftverbands mehr als 25 Prozent. Ausgebildet werden laut Stellenplan seit dem vergangenen Jahr 26 Menschen in unterschiedlichen Berufen. Das sind drei mehr als vor zwei Jahren. Laut Unternehmen bewarben sich für das Ausbildungsjahr 2024 etwa 170 junge Menschen. Für das kommende Ausbildungsjahr sollen zwölf Ausbildungsstellen angeboten werden.

Bis zum Jahresende seien bereits 130 Bewerbungen eingegangen, so der Erftverband. Einen Jahresüberschuss von mehr als zehn Millionen Euro hat der Erftverband nach eigenen Angaben 2023 erwirtschaftet. Das Abwasser von mehr als einer Million Menschen wird durch die Anlagen des Verbands gereinigt. Mitglieder des Erftverbands sind sowohl Städte, Gemeinde und Kreise als auch gewerblichen Unternehmen.