Judenhass im Kölner DomKirche stellt sich schwierigem Erbe

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Bewölkter Himmel am Kölner Dom.

Köln – Es gibt nichts schönzureden. „Der geliebte Dom“ sei voller judenfeindlicher Kunstwerke, sagt Weihbischof Rolf Steinhäuser. Schnitzereien, Bildhauerkunst oder Glasmalereien aus allen Jahrhunderten der langen Bauzeit des Kölner Doms werfen „ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis zwischen Christen und Juden in Köln“.

Die Dombauhütte pflegt diese menschenfeindlichen Artefakte genau wie alle anderen Kunstwerke der Kathedrale. Klar sei aber auch, dass der Umgang damit ein anderer sein muss, so Dombaumeister Peter Füssenich, der auch Vorstand des Kölner Domverlags ist. Die Kunst zeuge „von einem ausgeprägten christlichen Antijudaismus, der in zahlreichen Pogromen mündete und eine wesentliche Quelle für den späteren Antisemitismus bildet“.

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Die PK zur Ausstellungseröffnung und Erscheinen der gleichnamigen neusten Publikation des Kölner Domverlag, fand in den Räumlichkeiten des Domforums statt.

Anlässlich des 1700-jährigen Jubiläums jüdischen Lebens in Köln hat der Verlag ein kleines, sehr gut gemachtes Heft für einen „thematischen Rundgang“ mit 13 Stationen im und am Dom vorgelegt. „Der Kölner Dom und die Juden“ lautet der Titel der 40-seitigen Broschüre mit vielen Fotos. Das klingt recht sachlich. Tatsächlich ist sie eine Begleiterin für eine sehr spezielle und schmerzhafte Entdeckungsreise.

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Ausstellung im Domforum

Auch eine kleine Ausstellung im Domforum befasst sich mit „dem schwierigen, missachtenden und bis aufs Blut gehenden Verhältnis“, so Domforum-Chef Rainer Tüschenbönner. Es gehe aber auch darum, die jüdischen Wurzeln des Christentums darzustellen. „Christentum ohne Judentum ist nicht vorstellbar“, so Steinhäuser. Gerade in den aktuellen Zeiten, in denen „Antisemitismus und Antijudaismus wieder an Bedeutung gewinnen“, habe man eine besondere Verantwortung, sowohl auf die Verbindung als auch auf die schrecklichen Verfehlungen einer wechselvollen Geschichte zu schauen.

Es hat lange gedauert, bis sich das Domkapitel und die katholische Kirche mit dem Judenhass in der von ihr bezahlten und in Auftrag gegebenen Kunst befassten. Manches ist auffällig, anderes entdeckt man erst, wenn man zweimal hinschaut: So wie die falsche Darstellung am Dreikönigenschrein, wo zwei Juden Jesus auspeitschen. Tatsächlich haben ihn nach biblischer Überlieferung Römer gegeißelt.

Verzerrte Weltbilder bis in die 1960er Jahre

Ein anderes Beispiel ist das beliebte „Kinderfenster“ im Dom, das erst in den 1960er Jahren entstand. Die Kunst sollte Verbindungen zwischen biblischen Erzählungen und der Gegenwart herstellen. Zwei Bilder beschreiben das Leid in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die Fliegerbomben werden thematisiert. Dass Hunderte Kölner Kinder in Konzentrationslagern ermordet wurden, wird ignoriert. Mehr noch: Die Zusammenstellung der Fensterbilder bedient mit verzerrten Gesichtern und Hakennasen antijüdische Vorurteile. Die Fliegerbomben könnten gar als Folge einer jüdischen Weltverschwörung interpretiert werden. Die NS-Propaganda lebte auch nach dem Ende des Dritten Reiches fort.

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„Modernen Antisemitismus“ nennt das Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der „Gesellschaft für Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit“. Die Frage, was mit solcher Kunst geschehen soll, wird in anderen Zusammenhängen heftig debattiert. Bei den älteren Zeugnissen im Dom hat man sich klar gegen einen Bildersturm entschieden. Er könne verstehen, wenn jüdischen Menschen diese Darstellungen für „unerträglich“ halten, so Wilhelm. Trotzdem müsse man sie erhalten. Der kritische Umgang damit führe zu „nachhaltiger gesellschaftspolitischer Bildung“. Das sei der „beschwerlichere Weg, der weher tut“. Ob das auch der richtige Umgang mit dem neueren „Kinderfenster“ ist, wird noch diskutiert. Die Beteiligten sind sich noch nicht einig. Gesucht wird auch nach einer Idee für ein neues, deutlich sichtbares Kunstwerk im Dom, mit dem sich die selbstkritische Sicht auf die eigene Geschichte vermitteln lässt.

Die Projekte zum 1700-jährigen Jubiläum hat eine eigene Arbeitsgruppe initiiert, die sich seit fünf Jahren mit dem Verhältnis von Dom und Juden befasst. Hier diskutieren Dombaumeister sowie Vertreter der katholischen Kirche, der Gesellschaft für Christliche-Jüdische Zusammenarbeit, der Synagogengemeinde und der evangelischen Kirche den Umgang mit dem schwierigen Erbe. Weihbischof Steinhäuser konstatiert ein „immer intensiveres Miteinander“. Zum positiven Fazit gehört aber auch eine weitere kritische Einordung: „Wir sind spät dran“, so Wilhelm.

Das Buch „Der Kölner Dom und die Juden. Ein thematischer Rundgang", herausgegeben vom Kölner Domverlag, ist im Kölner Domshop, im Buchhandel und im Domforum für 4,50 erhältlich. Die Ausstellung zum Thema ist im Foyer des Domforums zu sehen, das zurzeit Montag bis Samstag von 9.30 bis 17 Uhr und Sonntag von 13 bis 17 Uhr geöffnet ist. Zur Ausstellung gibt es eine Broschüre, die für 3 Euro im Domforum erhältlich ist. Außerdem werden Führungen zum Thema angeboten. Mehr Informationen im Internet.

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