Kölner Krebspatientin„Die Prognose war düster, ich sollte die letzten Sachen regeln“

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Krebspatientin Thoma

Köln – Dass sie noch lebt, verdankt Irmgard Thoma einer modernen Krebstherapie – und der Zusammenarbeit der städtischen Kliniken mit der Kölner Uniklinik. „Gäbe es diese Verbindung nicht, wäre ich schon längst nicht mehr da“, sagt die 71-jährige Tumorpatientin. „Für mich war das wie ein Sechser im Lotto.“

Im Jahr 2006 – sie hat einen hartnäckigen Husten und geht vorsichtshalber zum Arzt – wird bei Thoma ein Lungentumor festgestellt. Wenige Tage nach der Diagnose kommt sie in Merheim unters Messer – Prof. Erich Stölben, der die Merheimer Lungenklinik aufgebaut hat und das Haus diesen Sommer im Unfrieden verlässt, operiert sie.

Nur gut zwei Wochen später wird die Patientin entlassen. Thoma erhält in der Folge mehrere Chemotherapien und gilt schließlich als geheilt; doch fünf Jahre später treten neue Metastasen auf, die die ganze, übrig gebliebene Lunge befallen.

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Netzwerk untersucht Gewebeproben

Erneut werden die Tumore und Teile der Lunge weggeschnitten, eine neue Immuntherapie mit noch nicht zugelassenen Medikamenten verlangsamt das Krebswachstum. Eine Gewebeprobe des Karzinoms wird ins Netzwerk Genomische Medizin versandt – im Frühjahr 2010 von Prof. Jürgen Wolf, Leiter der Kölner Lungenkrebsgruppe, und Prof. Reinhard Büttner, Leiter des Instituts für Pathologie an der Uniklinik, gegründet. Das Ziel: Lungenkrebspatientinnen eine Gendiagnostik für moderne Therapien zu ermöglichen und so mehr über die Krankheit zu lernen – forschende Versorgung heißt das im Wissenschaftsjargon.

Inzwischen ist aus der Kölner Idee ein von Land und Bund gefördertes nationale Netzwerk erwachsen: 15 Krebszentren führen die Gendiagnostik für mehrere Hundert niedergelassene onkologische Praxen, Kreiskrankenhäuser und größere Kliniken durch und teilen diese Daten für die Forschung.

Große Chance für Lungenkrebspatienten

„Das Netzwerk sorgt dafür, dass auch seltene Mutationen eines Lungentumors diagnostiziert und bestmöglich behandelt werden können“, sagt Sebastian Michels, Assistenzarzt an der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik und Lungenkrebsforscher. „Für Patientinnen wie Frau Thoma und viele andere kann das eine große Chance sein.“

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Lungenkrebsforscher Michels

„Es ging immer mal wieder auf- und abwärts, am Ende aber vor allem abwärts“, erinnert sich Irmgard Thoma. Irgendwann habe sie sich stetig schlechter gefühlt. „Vor drei Jahren brauchte ich fortwährend Sauerstoff und konnte kaum noch Treppen gehen. Ich habe mich gefühlt wie ein Fisch auf dem Trockenen“, sagt sie.

Düstere Prognose in Merheim

Eine weitere Chemotherapie musste abgebrochen werden, weil Thoma sie nicht mehr vertrug. Ihr Körper war zu geschwächt, die Prognose düster.

Ihre Lungenärztin in Merheim habe ihr gesagt, sie könne leider nichts mehr tun, es sei besser, die letzten Dinge zu regeln, solange sie es noch eigenständig könne. Die Ärztin schilderte den Fall ihren Kollegen aus der onkologischen Abteilung der Kölner Uniklinik – die Daten von Thomas Gewebeprobe lagen dort vor.

Medikament, das in US-Studie getestet wurde

Und tatsächlich gab es einen letzten Strohhalm: Ein neuartiges zielgerichtetes Medikament aus den USA, das an der Uniklinik Köln im Rahmen einer Studie getestet wurde. „Durch das Medikament wird ein Eiweiß gehemmt, das durchgehend ein Signal zum Wachstum des Tumors sendet“, sagt Sebastian Michels, der die Studie mit betreut.

Irmgard Thoma bekam das Medikament, das damals weltweit noch nicht zugelassen war, als eine der ersten Patientinnen in Deutschland überhaupt. Es wurde ihr persönlicher Sechser im Lotto – mit Geld nicht aufzuwiegen.

Bis vor zehn Jahren seien Lungenkarzinome ausschließlich mit Chemotherapien behandelt worden, sagt Lungenkrebsforscher Michels. Patientinnen und Patienten lebten nach der Diagnose im Schnitt nur noch zwölf Monate.

Die Vorteile einer Klinik-Fusion

Längst gibt es viele neue Krebstherapien, die vielen Patienten zusätzliche Lebensjahre schenken und die Heilungschancen verbessern. „Frau Thoma kam in einem sehr schlechten Zustand zu uns“, erinnert sich Michels. „Ihre Lunge war voller Metastasen. Mit der Therapie hat sich ihr Zustand dann erstaunlich schnell verbessert.“ Die Zusammenarbeit mit der Lungenklinik in Merheim funktioniere „sehr gut“.

Durch eine Fusion der städtischen Kliniken mit der Uniklinik „könnten Patientenströme noch besser gesteuert werden, wovon letztlich vor allem die Betroffenen profitieren“, glaubt der Arzt. „Denn je mehr Behandlungsfälle in einem Gesundheitszentrum versorgt werden, desto größer ist die Expertise und damit auch die Prognose der Patientinnen.“

Zudem ergänzten sich die Fähigkeiten der beiden Kliniken zu einer modernen, allumfassenden Versorgung – „von der Diagnose über die Operation bis hin zur besten individualisierten medikamentösen Therapie mit vielen Studienangeboten. Ich denke der Fall von Frau Thoma ist hierfür das beste Beispiel“, so Michels.

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Im Fall von Irmgard Thoma hat die Merheimer Lungenklinik nach der Diagnose Lungenkrebs eine Gewebeprobe in die Zentrale des Netzwerks geschickt, dort wurde der Tumor molekular analysiert. So fand man heraus, dass ihr Tumor eine Mutation aufwies, die sich zielgerichtet behandeln ließ noch bevor es eine zugelassene Therapie hierfür gab.

Momentan nimmt Irmgard Thoma morgens und abends jeweils zwei Tabletten, des inzwischen zugelassenen Medikaments. Jeden Monat muss sie zur ärztlichen Kontrolle. Alle drei Monate wird sie komplett durchgecheckt. Es gebe bessere und schlechtere Tage, sagt sie. „Grundsätzlich fühle ich mich aber recht gut. Ich bin dankbar für jeden Tag, der mir geschenkt wurde.“

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