Mahnwache nach SuizidVerhalten der KHG Leitung als „fahrlässig“ kritisiert

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Kundgebung gegen Gewalt an obdachlosen Menschen am Kölner KHG.

Köln – „Milan, wir werden dich nie vergessen“, ist in bunter Kreideschrift auf dem Boden vor dem Stahlbetonbau der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) zu lesen. Vor einer Woche hat sich ein Obdachloser dort, auf dem Areal der KHG, das Leben genommen. Wut und Trauer darüber sind ungebrochen.

Am Dienstagabend kamen rund vierzig Menschen auf der Berrenrather Straße zu einer Mahnwache zusammen, um an Milan, wie er von Studenten, Mitarbeiten und Bekannten nur genannt wurde, zu erinnern. Ein Bündnis aus mehreren Initiativen, die sich für obdachlose Menschen engagiert, wie „Obdachlose mit Zukunft“ und „Omas gegen rechts“, hatte dazu aufgerufen.

In die Trauer mischte sich aber auch Wut. Vor allem die Kritik an dem neuen Leiter der KHG, Johannes Schmitz wurde bekräftigt. Schmitz soll dem obdachlosen Mann ein Ultimatum gesetzt haben, das Gelände zu verlassen, nachdem dieser dort sechs Jahre lang einen Unterschlupf gefunden hatte.

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Kerzen und Blumen erinnern an Milan, der sich auf dem Gelände der KHG vor einer Woche das Leben genommen hat.

Sarah-Jane Lehmann, Theologie-Studentin an der Universität zu Köln und Mitglied einer AG der Hochschulgemeinschaft, verlas mehrere Statements von Mitarbeitern der KHG. Diese wollten aus Angst vor möglichen Repressalien seitens der KHG anonym bleiben.

Die Hochschulgemeinde sei für Milan „eine Heimat und eine Familie geworden. Doch dann wurde ihm erklärt, dass er nicht mehr dazu gehört. Und das in einer Zeit, in der betont wird, wie wichtig Barmherzigkeit und Nächstenliebe sind“. Leiter Johannes Schmitz hätte sich „in keinster Weise damit auseinandergesetzt, was er anrichtet, wenn man einem Obdachlosen mit der Polizei droht und gleichzeitig den serbischen Pass thematisiert“, so Lehmann.

Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Kontakte | Hier wird Ihnen geholfen

Wir gestalten unsere Berichterstattung über Suizide und entsprechende Absichten bewusst zurückhaltend und verzichten, wo es möglich ist, auf Details. Falls Sie sich dennoch betroffen fühlen, lesen Sie bitte weiter:

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote.

Telefonseelsorge

Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

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Das Angebot des Vereins "Nummer gegen Kummer" richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams "Jugendliche beraten Jugendliche" die Gespräche an. nummergegenkummer.de

Muslimisches Seelsorge-Telefon

Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention

Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de

Beratung und Hilfe für Frauen

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung unterstützen werden Betroffene aller Nationalitäten rund um die Uhr anonym und kostenfrei unterstützt.

Psychische Gesundheit

Die Neurologen und Psychiater im Netz empfehlen ebenfalls, in akuten Situationen von Selbst- oder Fremdgefährdung sofort den Rettungsdienst unter 112 anzurufen. Darüber können sich von psychischen Krisen Betroffene unter der bundesweiten Nummer 116117 an den ärztlichen/psychiatrischen Bereitschaftsdienst wenden oder mit ihrem Hausarzt Kontakt aufnehmen. Außerdem gibt es in sehr vielen deutschen Kommunen psychologische Beratungsstellen. 

Schon vor der Mahnwache hatten Mitarbeiter der KHG berichtet, dass Schmitz dem Obdachlosen ein Ultimatum gesetzt habe. Noch vor Weihnachten hätte dieser seinen Platz auf dem Gelände räumen sollen. Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte Schmitz diese Version bestritten. Zwar sei richtig, dass Schmitz versuchte, den Aufenthaltsstatus des gebürtigen Serben zu klären, da sein Pass abgelaufen war, auch über seinen weiteren Verbleib hätte er reden wollen, aber ein Ultimatum sei das nicht gewesen, so Schmitz.

„Verantwortungslos, fahrlässig und asozial“

Das Verhalten der KHG Leitung sei „verantwortungslos, fahrlässig und asozial“, so Lehmann weiter. Schmitz habe sich laut den anonymen Vorwürfen über den Alkoholkonsum des Obdachlosen beschwert und Witze über ihn gemacht, verlas Lehmann. Die humanistischen Werte der Kirche „seien wertlos, wenn sie nicht mit Leben gefüllt werden.“

Die Mahnwache, die als „Kundgebung gegen Gewalt an obdachlosen Menschen“ angemeldet wurde, thematisierte aber auch die grundsätzliche Situation von Obdachlosen in Köln, für die das Schicksal von Milan ein trauriges Beispiel unter vielen sei. Linda Renning war selbst fünf Jahre lang obdachlos. Später gründete sie die Initiative „Heimatlos in Köln“. Vor dem Gebäude der KHG sagte sie: „Schweigen heißt dulden.“ Sie stellte die grundsätzliche Frage, warum sich die KHG nicht schon viel früher um eine dauerhafte Lösung für Milan bemüht habe. „Es ist möglich, Vertrauen aufzubauen und zu helfen.“ Das sei seitens der KHG versäumt worden.

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Jürgen Heltn, selbst in einem Wohnungsprogramm untergebracht, nahm die Kommunalpolitik in die Pflicht. Auch die Stadt sei für Schicksale wie das von Milan verantwortlich. Seit Jahren sei bekannt, warum Obdachlose die Unterkünfte der Stadt nicht in Anspruch nehmen. Überfüllte Mehrbettzimmer böten für die Menschen auf der Straße keinen Schutz, gerade während der Corona-Pandemie. Es müssten Wohnungen und beheizte Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen werden, in denen sich die Menschen sicher fühlen.

„Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Wenn sich nicht endlich Obdachlose, Streetworker, Initiativen und Politik an einen Tisch setzen und gemeinsam Lösungen erarbeiten, werden wir das Ziel, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden, nicht erreichen,“ so Heltn.

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