Helge Schneider im TanzbrunnenTipps fürs Desinfizieren von Schnitzeln

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Helge Schneider

  • Helge Schneider ist zu seinem alljährlichen Besuch in den Kölner Tanzbrunnen gekommen.
  • Natürlich machte er auch um Corona-Witze keinen Bogen.
  • Mit dabei war „Charly, the Flash“: Schneiders zehnjähriger Sohn beeindruckte am Schlagzeug.

Köln – Ist Lachen ansteckend? Mitsingen, informiert eine Durchsage vor Helge Schneiders Konzert, sei jedenfalls nicht gestattet. Fast allsommerlich gastiert der Künstler im Tanzbrunnen. Dem, wie er sagt, „schönen Gelände gegenüber von dem Mann, der da wohnt“ — in Anspielung auf den schon mythischen Ruhegestörten von der anderen Rheinseite, der vor mehr als 20 Jahren gerichtlich durchgesetzt hat, dass Konzerte in Kölns schönster Freiluft-Location schon Punkt 22 Uhr beendet werden müssen.

Das ist absurd. Aber nicht so absurd, wie die Bedingungen, unter denen Veranstaltungen im Schatten des Coronavirus stattfinden müssen.

Für Schneider, der das ganze Leben und zumal seine Auftritte als ausgedehnte Jazz-Improvisation nimmt, ist unser pandemischer Alltag nur eine weitere Zumutung des Alltags, die sich swingend rhythmisieren lässt, eine harmonische Grundlage für befreites Aufspielen. Er spiele auch gerne vor gelichteten Reihen, erklärte Schneider, es sei ja nicht so, dass er Geld verdienen müsse.

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Gibt Tipps zum Desinfizieren eines panierten Schnitzels („Das muss richtig schön drin schwimmen“) und freut sich über den Opa, der Mundschutz trage, obwohl er draußen ganz allein spaziere: „Dann kann ich mich nicht anstecken, wenn ich mit 120 Sachen an ihm durch die Spielstraße vorbeibrause.“

Schneider macht auch vor Corona-Witzen nicht Halt

Dabei hat er kurz zuvor selbst im Opa-Trott die Bühne betreten, hat erstmal lauthals ins Mikrofon abgehustet, dieses gleich darauf mit explosiven Plosivlauten befeuchtet und über das Zuschauen mit Sicherheitsabstand philosophiert: „Da sitzt einer ganz allein, neben dem wollte keiner sitzen.“

Schneider sitzt jetzt auch allein und zwar hinter seiner Alleinunterhalterorgel und er stimmt ein neues Lied an, mit dem er in punkiger Provokation gegen den Zeitgeist löckt: „Heute hab‘ ich gute Laune“ heißt es und beschreibt ein so armseliges Glück, dass sich jeder Zuhörer reich fühlen müsste: Der Erzähler freut sich über ein gekochtes Ei und über Pommes und über die Spazierfahrt im kleinen Auto seiner Freundin: „Da, in deinen schönen Auto, hab ich immer meinen Platz/ Hinten rechts, hinterm Beifahrersitz“.

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Als er Ende der 1980er als „singende Herrentorte“ reüssierte, existierte die beschränkte Entertainment-Welt der Bundesrepublik in den Plattensammlungen der Eltern und in muffigen Fernsehgalas. Vieles, was Schneider genüßlich verspielte und zersang hatte seine todernste Entsprechung im deutschen Unterhaltungswesen und in den Bemerkungen, die dem Zielpublikum auf dem Sofa vor der Kiste oder am nächsten Mittag bei Eduscho dazu einfielen.

Heute sind seine Vorlagen zunehmend dem Vergessen anheimgefallen und Wehmut durchzieht den Auftritt des bald 65-Jährigen. Minutenlang blickt er den Grünen Halsbandsittichen hinterher, die im Schwarm frei Ottos Faltschirme umkreisen, witzelt über Papa- und Mamageien, steigert den mauen Kalauer allerdings sofort über den Onkelgei zum Bekanntengei und seufzt schließlich: „Meine Zuschauer von morgen.“

Einmal wechselt er gar in den Eins-zu-Eins-Modus, klagt über Kinder, die lieber etwas Konstruktives lernen sollten, als am Handy herumzudaddeln, zum Beispiel Musik machen — und meint exakt, was er sagt. Neben dem geschmackvoll solierenden Kölner Bluesgitarristen Henrik Freischlader und gelegentlichen Blockflöten-Kurzauftritten von Carlo Boes („Hello Carlito! Goodbye Carlito!“) begleitet „Charly, the Flash“, Schneider am Schlagzeug.

Sohn Charles sitzt am Schlagzeug

Der kleine Drummer entpuppt sich als sein zehnjähriger Sohn Charles. Anlässlich dessen Geburt hatte Schneider auf seiner Homepage verlauten lassen: „Ich hatte sowieso noch ein paar Schlagzeugstöcke übrig, vielleicht kann er die gebrauchen.“

Er konnte, Charly, the Flash, ist eine swingende Wucht an seinem Instrument. „Na, was macht mehr Spaß? Latein-Arbeit oder Schlagzeug spielen?“, triezt der Vater. „Schlagzeug“, piepst der Sohn lakonisch.

Der schönste Moment des Abends kommt dennoch als Helge Schneider allein an der Gitarre improvisiert, die gefühlvollen Intonationen von Singer-Songwritern ins Dadaistische dehnt, oder mit straff gespannten Seiten den „Flohwalzer“zupft: „Das sacht euch jetzt wieder nichts, ne?“  

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