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Jerusalem QuartetEin düsterer Abend in der Kölner Philharmonie

3 min
Vier Musiker posieren in einem Konzertsaal.

Das Jerusalem Quartet gastierte mit einem Schostakowitsch-Programm in der Kölner Philharmonie.

Das Bonner Beethovenfest machte mit dem Jerusalem Quartet in Köln Station - und einem kratzigen Schostakowitsch-Programm. 

15 Sinfonien hat Dmitri Schostakowitsch geschrieben und ebenso viele Streichquartette. In den Sinfonien äußerte sich der „offizielle“ Schostakowitsch, der kulturelle Repräsentant der Sowjetunion, der seinen Partituren immer wieder zeitgeschichtliche und ideologische Programme mit auf den Weg gab. Auch die Streichquartette sind reich an außermusikalischen Bezügen, aber hier blieb Schostakowitsch weitgehend unter dem Radar der sowjetischen Kulturpolitik. Wen interessieren schon Streichquartette?

Immer wieder kann man hören und lesen, dass in den Quartetten der „echte“, der „wahre“ Schostakowitsch zu Wort käme, aber vielleicht sollte man diese Vorstellung nicht zu hoch hängen: Schostakowitsch war viel zu sehr Techniker und ausgefuchster Komponier-Profi, als dass er die konzentrierte Form des Streichquartetts nicht vor allem als Spielfeld struktureller Ideen genutzt hätte.

Unsauberkeiten der Intonation waren gnadenlos hörbar

Das wurde auch bei den drei Werken hörbar, die das Jerusalem Quartet in der Kölner Philharmonie präsentierte. Das Ensemble feiert derzeit sein 30-jähriges Bestehen und bietet aus diesem Anlass weltweit zyklische Aufführungen aller Schostakowitsch-Quartette an - so auch beim Bonner Beethovenfest, das zwei Abende der Reihe nach Köln ausgelagert hat.

Hier standen zunächst die 1949 und 1964 komponierten Quartette Nr. 4 und 10 auf dem Programm, die bei allen stilistischen Unterschieden doch auch vieles verbindet. Da ist der tänzerisch-folkloristische Charakter der Finalsätze, da ist der oft orchestral verdichtete Einsatz der vier Instrumente - mit gutem Grund gibt es beide Werke auch in Fassungen für Streichorchester.

Das Jerusalem Quartet näherte sich den beiden Quartetten mit einer grundsätzlich eher entspannten, gelassenen Spielhaltung. Die Musiker unterschlugen nicht das Kratzige und Derbe, das ja in kaum einem Werk von Schostakowitsch fehlt, aber wichtiger war ihnen das freie Spiel der Linien - besonders dort, wo der Komponist die feste Korsage der Harmonik löst und den vierstimmigen Satz ins Vage, Spekulative gleiten lässt. Dieser behutsame, weitblickende Zugriff machte deutlich, wie zentral die Idee des Durchlassens, auch des Loslassens für diese Musik ist.

Am Ende des Programms stand das 15. Quartett, das Schostakowitsch im Jahr vor seinem Tod beendete. Sechs Adagio-Sätze sind hier zu einem nahtlosen Bogen verbunden, der leider an diesem Abend nicht nahtlos war, weil dem zweiten Geiger zwischendurch eine Saite riss. Dieser Vorfall mag auch dafür verantwortlich sein, dass die Darstellung dieses dunkel-depressiven Werkes insgesamt weniger überzeugend, weniger suggestiv geriet. Auch machte die freiliegende Dreiklangs-Melodik Unsauberkeiten der Intonation und Unebenheiten in der Tongebung gnadenlos hörbar. Die Lichtlosigkeit der Musik ist übrigens so stark und raumgreifend, dass man sich das demonstrative Ausknipsen der Saalbeleuchtung auch sparen kann. Der Wirkung des Stückes hilft das nicht im Geringsten.