Star-Violinistin Hilary Hahn gastierte mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France in Köln. Ihr Spiel war unanfechtbar, erfüllte aber nicht alle Träume.
Kölner PhilharmonieHilary Hahn war erst bei der Zugabe ganz bei sich
Die Anweisung der Dame auf dem Nachbarplatz war unmissverständlich: „Schreiben Sie, dass es zu laut war!“ Klar war es laut, aber das ist das Finale aus Dmitri Schostakowitschs fünfter Sinfonie eigentlich immer. Und wenn es tatsächlich zu laut war, zu heroisch, zu bombastisch, dann wäre das ja vielleicht auch ganz im Sinne des 1937 komponierten Werkes, das einer verbreiteten Ansicht zufolge mit den Mitteln der Überzeichnung in Wahrheit anti-stalinistische Systemkritik üben wollte.
Kann man das wirklich hören? So jubelnd und schwungvoll, wie der gleißende D-Dur-Schluss beim Orchestre Philharmonique de Radio France klang, vermittelte sich jedenfalls eher der Eindruck ungetrübter Affirmation. Das lag nicht zuletzt an der souverän führenden und ordnenden Hand des Chefdirigenten Mikko Franck, der alles Drang- und Zwangvolle von der Musik fernhielt und sie stattdessen in klanggesättigter Tschaikowsky-Nachfolge pulsieren ließ. Der finnische Maestro ist ein Mann der klaren Gliederung und der straffen Rhythmik, was in den Marschepisoden der Rahmensätze naturgemäß besser funktionierte als bei den starken emotionalen Erschütterungen des großen Largo-Satzes, die er doch deutlich auf Distanz hielt.
Das große romantische Espressivo war noch nie ihre Sache
Seit 2015 steht Mikko Franck dem französischen Elite-Orchester vor, das sich beim philharmonischen Meisterkonzert in großartiger Form präsentierte. Dabei trat die typische, leicht moussierende französische Klanggebung auffällig zurück - sie schlug allenfalls in der Zugabe durch, Maurice Ravels seidig-melancholischer „Pavane pour une infante défunte“. Bei der Kopfsatz-Einleitung des Violinkonzerts von Johannes Brahms waren die Farben der Streicher, Hörner und Fagotte so weich und dunkel legiert, wie man es eigentlich eher von den Traditionsorchestern aus Dresden oder Leipzig kennt.
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Den Solopart gestaltete die amerikanische Star-Geigerin Hilary Hahn gewohnt unanfechtbar, mühelos und druckfrei, mit einem lupenreinen, scharf fokussierten Ton, der in der Steigerung noch an Brillanz gewann, aber kaum an Masse. Das große romantische Espressivo war ja noch nie ihre Sache, aber sie spielt keineswegs lau oder unentschieden. Da ist eine Intensität, die eher unterschwellig pocht, die den inneren Bannkreis nicht verlässt, die Veräußerlichung meidet - eine Kunst, die sich nicht freigiebig verschenkt, sondern abgeholt werden möchte.
Ohne die Zugaben gegen die Hauptsache ausspielen zu wollen, hatte man gleichwohl den Eindruck, dass Hilary Hahn bei zwei Bach-Solo-Sätzen (Andante aus der C-Dur-Sonate, Gigue aus der E-Dur-Partita) noch mehr bei sich war als in der großen konzertanten Geste. Da entfaltete sich eine ganze Klang- und Ausdruckswelt aus einer einzigen dünnen Linie, da folgte man einem fein gestaffelten Spiel von Rede und Gegenrede - besser, bezwingender ist das kaum zu machen.