Zum Tode Hans MeisersZwischen Sensationslust und berechtigter Neugier

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Hans Meiser steht im Jahr 2000 im Studio seiner RTL-Talkshow. Er trägt einen schwarzen Anzug und eine dunkelblau-gemusterte Krawatte.

Hans Meiser steht im Jahr 2000 bei der Aufzeichnung seiner RTL-Talkshow vor den Zuschauerreihen.

TV-Moderator Hans Meiser ist im Alter von 77 Jahren gestorben. Unumstritten war der Erfinder der Nachmittagstalkshows nie.

In einem frühen Vorspann seiner nach ihm benannten Talkshow bei RTL schlüpfte Hans Meiser in ein dunkles Sakko und richtete seine Krawatte. Dieses Outfit, mit dem er sich auch in der nächsten Bank hätte bewerben können, vermittelte eine simple Botschaft: Hier ist ein seriöser Journalist am Werk. In den 1990er Jahren, in denen sich der Kölner Privatsender vor allem durch Krawall von den Öffentlich-Rechtlichen abzugrenzen versuchte, war das eine echte Ausnahme.

Allerdings konterkarierten die von Durchschnittsbürgern diskutierten Fragen am Nachmittag dann gleich wieder diesen Anstrich. Über „Stimmen aus dem Jenseits“ lässt sich auf der Basis von Fakten halt schlecht reden. Doch Hans Meiser gelang es, selbst der wildesten Debatte zumindest einen Hauch von Ruhe zu vermitteln.

Seine Talkshow wurde zum Vorbild für viele weitere Formate

Das Publikum liebte den Seelenstriptease von Hinz und Kunz. Die Quoten waren rekordverdächtig, teilweise erreichte die Sendung heute undenkbare Marktanteile von 40 Prozent, sie wurde mehrfach ausgezeichnet.

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In der vergangenen Woche ist Meiser im Alter von 77 Jahren, wie erst jetzt bekannt wurde, an plötzlichem Herzversagen gestorben. Er hinterlässt eine Ehefrau, drei Kinder und drei Enkelkinder.

Rund 1700 Folgen von „Hans Meiser“ liefen von 1992 bis 2001 bei RTL. Der Erfolg war so groß, dass der Talk eine Welle von Nachahmern auslöste. Im Privatfernsehen wurde ab Mitte der 1990er Jahre getalkt und gestritten, dass es kein Halten gab. Ob Arabella Kiesbauer, Bärbel Schäfer oder Andreas Türck, ohne den großen Erfolg Meisers wären ihre Sendungen kaum denkbar gewesen. 

1992 startete „Hans Meiser“ bei RTL, im selben Jahr hatte er schon als Moderator von „Notruf“ ein anderes Erfolgsformat an den Start gebracht. „Hier ist der Mann, der bei RTL 14 Jahre lang den Notruf blockiert hat“, begrüßte ihn Komiker Kurt Krömer einmal in seiner Sendung.

Moderator Hans Meiser steht vor einem Feuerwehrauto. Er trägt eine rote Jacke und hat ein Mikro in der Hand.

Hans Meiser moderiert die Sendung „Notruf“ bei RTL.

In dem Reality-TV-Format wurden spektakuläre Rettungseinsätze nachgespielt. Unumstritten war auch diese Sendung nicht. Während die Macher betonten, die Bedeutung von Ersthilfe und die Leistung der Einsatzkräfte aufzuzeigen, warfen ihnen Kritiker Voyeurismus und unnötige Dramatisierung vor.

Das Spannungsfeld zwischen Sensationslust und begründeter journalistischer Neugier war prägend für Meisers Karriere, der seine berufliche Laufbahn beim Radio begonnen hatte - zunächst beim Süddeutschen Rundfunk und beim Südwestfunk, dann bei Radio Luxemburg.

1984, zur Geburtsstunde des deutschen Privatfernsehens, erkannte er das Potenzial der damals noch belächelten Anbieter und wechselte zu RTL plus. Bis 1992 war der 1946 geborene Meiser Anchorman der Hauptnachrichtensendung „RTL aktuell“, die zunächst „7 vor 7“ hieß.

Umstrittenes Telefonat mit einem Geiselnehmer

In dieser Zeit führte er sein vielleicht umstrittenstes Interview. Zu Beginn des Gladbecker Geiseldramas im Sommer 1988 rief er in der überfallenen Bank an: „Hier ist Hans Meiser, deutsches Fernsehen, guten Tag. Kann ich bitte einen der Geiselgangster sprechen?“, fragte er, und tatsächlich hatte er einen der Geiselnehmer am Apparat, den er dann gleich mal nach dessen Plänen befragte.

In späteren Interviews erklärte Meiser, er habe gehofft, vielleicht einen Angestellten der Bank zu erreichen, um an Informationen zu kommen. Einen Fehler seinerseits wollte er nicht so recht einräumen. „Jeder andere hätte es wahrscheinlich genauso gemacht“, sagte er noch vor wenigen Jahren. 

2010, da waren die erfolgreichen Zeiten längst vorbei, verlängerte RTL Meisers Verträge nicht mehr. Die Trennung hat er seinem früheren Haussender nie verziehen. Man habe ihn einfach vor die Tür gesetzt, nichts mehr wolle er mit RTL zu tun haben, man habe ihn „abgeschossen wie eine Wildsau in der Morgensonne“.

Inga Leschek, Programmgeschäftsführerin RTL und RTL+, verabschiedete ihn am Montag auf Anfrage dennoch mit warmen Worten: „Hans Meiser war Wegbereiter für ein ganzes Genre und viele weitere Talkshows in Deutschland.“ Nicht viele hätten es geschafft, über einen so langen Zeitraum wie Meiser eine erfolgreiche Sendung zu moderieren. Die gesamte RTL-Familie trauere und erinnere sich an „ganz besondere TV-Momente mit dem einzigartigen Moderator“.

Das Fernsehen ist dazu gekommen, den Zuschauer in weiten Teilen zwar nicht zu betrügen, aber zu beschummeln
Hans Meiser

Nach dem Aus bei RTL wurde es ruhiger um Meiser. Auf das Fernsehen, das er lange mitprägte, schaute er auch nach seinem Abschied vom Bildschirm mit kritischem Interesse. „Das Fernsehen ist dazu gekommen, den Zuschauer in weiten Teilen zwar nicht zu betrügen, aber zu beschummeln“, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung vor zehn Jahren. Fernsehen sei ein voyeuristisches Medium. Da schwang wohl auch ein wenig die Verletzung über sein plötzliches Aus vor der Kamera mit.  

Meiser geriet in den vergangenen Jahren aber immer wieder auch selbst in die Kritik. Er machte Werbung für mindestens fragwürdige Investments. Und bei Jan Böhmermanns damaligem Satire-Format „Neo Magazin Royale“, in dem er unter anderem als „kleiner Mann“ zu sehen war, flog er 2017 raus, weil er bei dem Online-Portal „watergate.tv“ aufgetreten war, das als Treffpunkt für Verschwörungstheoretiker galt.

In der letzten Phase seines Lebens kehrte Meiser wieder zu seinen beruflichen Wurzeln zurück. Nur wenige Tage vor seinem Tod durch plötzliches Herzversagen hatte er ein neues Projekt begonnen. Gemeinsam mit dem Medienmanager Harald Thoma brachte Meiser in Lübeck den privaten Hörfunksender Radio Wellenrausch an den Start.

Zuletzt lebte der gebürtige Niedersachse an der Ostsee. Der TV-Metropole Köln hatte er ebenso wie dem Fernsehen den Rücken gekehrt. Ein prägendes Gesicht des deutschen Privatfernsehens bleibt er dennoch. 

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