Corona-Impfungen in NRWSo steht es im Juni um Impfstoffe, Priorisierung und Tempo

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Eine Ampulle des Impfstoffes von Moderna. Wann ist genug für alle da?

Düsseldorf/Köln – Wenn es um das Impftempo bei Haus- und Betriebsärzten geht, spricht Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gern vom Windhund-Prinzip. Er erwarte, dass sich die Impfgeschwindigkeit in NRW erhöhe, wenn die Betriebsärzte ab 7. Juni starten. Sie sollen aus Sonderkontingenten des Bundes mit Impfstoff beliefert werden. Ab dann wird es auch keine Priorisierungsgruppen mehr geben, unabhängig von der Art des Impfstoffs. Fast zwei Drittel der Deutschen finden das laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov gut. 65 Prozent der Befragten befürworten den Schritt, 18 Prozent lehnen ihn ab. Der Rest machte keine Angabe. Besonders unter jungen Erwachsenen sei die Zahl der Befürworter groß, teilte YouGov mit. Beginnt jetzt ein Windhundrennen der Impfwilligen, die auf allen Wegen versuchen werden, sich vor den Sommerferien „frei zu impfen“? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie sieht es bei den Hausärzten aus?

Sie müssen ihre kalkulierten Mengen über die Apotheken und den Großhandel mit einer Woche Vorlauf bestellen und wissen nicht, was am Ende ankommt. „Eigentlich müsste das nach einem festgelegten Schlüssel funktionieren“, sagt Sven Ludwig, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVN). „Wenn dem nicht so ist, bitten wir die Ärzte, uns dies zu melden. Man kann natürlich nie ausschließen, dass Apotheken, die ein gutes Geschäftsverhältnis zu einer Praxis haben, diese auch besser beliefern.“

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Wenn eine Praxis erst kurz vor den vereinbarten Terminen erfahre, dass weniger oder anderer Impfstoff komme, „dann geht das wilde Telefonieren los, dann müssen Termine abgesagt, umgebucht werden“, sagt Stephan Hofmeister, Vize-Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Das führt zu Wut bei den Patienten, das führt zu erheblichen Auseinandersetzungen, das kostet Zeit und Nerven.“

Die KBV warnt davor, dass sich Arztpraxen wegen des Impfstoffmangels zurückziehen könnten. „Es ist immer noch viel zu wenig Impfstoff da, und es ist vor allem unsicher, ob dann dieser Impfstoff in Sorte und Menge so ankommt, wie bestellt.“

Mit welchen Mengen an Impfdosen können die Hausärzte kalkulieren?

Die Arztpraxen sollen im laufenden Monat laut NRW-Gesundheitsministerium rund 340.000 Dosen Biontech und 310.000 Dosen Astrazeneca einsetzen können.

Im Juni werde sich die Lage entspannen. Dann sollen für die Arztpraxen bis zu 760.000 Biontech-Dosen zur Verfügung stehen. „Dazu kommen die Impfstoffe von Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson“, sagt Gesundheitsminister Laumann.

Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein wird es noch in dieser Woche für die Praxen deutschlandweit 2,6 Millionen Impfdosen für die Praxen geben, davon 1,5 Millionen Dosen Biontech und rund eine Million Dosen Astrazeneca. Das sind für den Bezirk Nordrhein 250.000 Dosen.

Foto: dpa; Grafik: Hahn; Quelle: RKI

Foto: dpa; Grafik: Hahn; Quelle: RKI

Ab Juni soll sich die wöchentliche Liefermenge verdoppeln – auf wöchentlich fünf Millionen Dosen bundesweit, das sind 500.000 für KVN. Ein Großteil davon wird wohl Biontech sein.

Viele Ärzte beklagen die geringe Honorierung des Impfens in den Praxen. Wie hoch ist diese pro Termin?

„Das Honorar liegt bundesweit bei 20 Euro“, sagt KVN-Sprecher Ludwig. „Es mag Ärzte geben, die das als zu gering ansehen und das öffentlich machen. Wir hören allerdings keine Klagen von unseren Mitgliedern.“

Wie sieht es in den 53 Impfzentren des Landes aus?

Dort wird es bis Ende Mai mit 1,2 Millionen deutlich mehr Zweit- als Erstimpfungen geben, von denen „nur“ 760 000 angesetzt sind. Dieser Trend wird im Juni anhalten, weil dann 460.000 Menschen, die in der Sonderaktion zu Ostern mit Astrazeneca geimpft wurden, nach drei Monaten ihre Zweitimpfung erhalten müssen.

Wann beginnen die Impfungen der Schulkinder in NRW?

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will beim Impfgipfel von Bund und Ländern darauf drängen, „dass die Länder, wo als Erstes die Schulferien beginnen, auch die ersten sind, die diesen Impfstoff erhalten“, sagte Laschet im Düsseldorfer Landtag. Ziel sei es, möglichst viele Kinder noch vor den Sommerferien impfen zu können.

Es sei vereinbart, dass der Impfstoff für Zwölf- bis 16-Jährige den Ländern zusätzlich zur Verfügung gestellt werde. Eine Entscheidung über die Zulassung des Impfstoffs von Biontech für Kinder und Jugendliche werde deshalb „sehr bald“ gebraucht.

Wie hoch ist das Impftempo?

Die Zahl der täglichen Impfungen ist im Vergleich zur Vorwoche deutlich gesunken. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts wurden am Dienstag 828.213 Menschen immunisiert. In der Vorwoche waren es mehr als eine Million.

Das Land hält an seinem Ziel fest, täglich einem Prozent der Impfberechtigten ein Angebot zu machen. Am Mittwoch lag die Erst-Impfquote bei 40,3 Prozent. Damit liegt NRW hinter dem Saarland (42,4) bundesweit auf Rang zwei und über dem Bundesdurchschnitt von 38,1 Prozent.

Bei den vollständig Geimpften liegt NRW mit elf Prozent vor Hessen (10,6 Prozent) und Niedersachsen (10,2) auf dem drittletzten Platz.

Wer kümmert sich um die Einführung digitaler Impfpässe?

Die niedergelassenen Ärzte sollen das nur für ihre Stamm-Patienten in den Praxen übernehmen, fordert die KBV. „Arztpraxen sind keine Bürgerämter“, sagt KBV-Chef Andreas Gassen. Auch die Übernahme der Dienstleistung für Stamm-Patienten sei an die Erwartung gekoppelt, dass eine einfache technische Lösung bereitgestellt werde, so Gassen.

Der geplante digitale Impfpass sei ein Reisedokument und keine medizinische Akte. Auf nationaler und europäischer Ebene wird die Einführung eines digitalen Nachweises für Corona-Impfungen geplant, der etwa Reisen erlauben soll. Die Frage ist, wer die nachträgliche Übertragung des Nachweises für viele Millionen bereits geimpfter Bürger übernehmen könnte. (mit dpa)

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