Abo

Ditib-ImameBundesregierung erteilt Arbeitsvisa für 350 Prediger aus der Türkei

Lesezeit 3 Minuten
Moschee Köln dpa

 Die Zentralmoschee der Ditib in Köln

Köln – Trotz der Spitzelaffäre um zahlreiche Ditib-Imame hat die Bundesregierung der türkischen Religionsbehörde Diyanet im vergangenen Jahr die Entsendung von 350 islamischen Geistlichen nach Deutschland genehmigt. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervor, die dieser Zeitung exklusiv vorliegt.

Demnach haben die deutschen Behörden entsprechende Arbeitsvisa mit einer Gültigkeitsdauer von 180 Tagen ausgegeben. Allerdings habe das Ministerium keine Erkenntnisse darüber, ob die Imame das Land nach Ablauf der Frist wieder verlassen oder möglicherweise Asyl beantragt haben.

„Naiv oder verantwortungslos“

„Die Bundesregierung ist völlig naiv oder verantwortungslos“, kritisierte Sevim Dagdelen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. „Mehr türkische Diyanet-Imame heißt mehr Erdogan-Einfluss.“ Es sei absurd zu erwarten, dass „ein Verband die Stärkung demokratischer Haltungen in Deutschland unterstützen soll, der in eine Spionage-Affäre verstrickt ist und an der Einschüchterung von Erdogan-Kritikern und Verfolgung von Andersdenkenden mitwirkt“.

Alles zum Thema Joachim Stamp

Das Papier bestätigt außerdem den Verdacht, dass der türkische Staat unter Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Einflussbereich auch auf andere islamische Verbände in Deutschland ausgedehnt hat. Die Diyanet-Imame werden demnach nicht nur in Moscheen der Ditib eingesetzt, 43 von ihnen sind laut Innenministerium derzeit für die Islamische Gemeinde Milli Görüs (IGMG) tätig.

Angeblich handelt es sich dabei um eine Art Leih-Geschäft, um einen theologischen Engpass zu überbrücken. Die IGMG habe der Regierung auf Nachfrage mitgeteilt, dass das Modell auslaufe und schrittweise Imame eingestellt würden, die das eigene Nachwuchsprogramm durchlaufen hätten. Noch im Oktober hatte die IGMG dem Grünen-Abgeordneten Volker Beck und dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ im mit rechtlichen Schritten gedroht, weil Beck behauptet hatte, die Verbände würden „von Ankara gesteuert“.

Die Politik hat die in Köln ansässige Ditib zuletzt immer wieder aufgefordert, sich von der Kontrolle durch die Türkei zu lösen. Wie aus dem Papier hervorgeht, gab es im vergangenen Jahr zahlreiche Treffen auf Staatssekretärebene, bei denen versucht worden sei, auf die Verbandsspitze einzuwirken. Die Bemühungen blieben ergebnislos. Bei den Wahlen zum Bundesvorstand Ende 2017 wurden Behördenangaben zufolge drei türkische Staatsbedienstete in das oberste Ditib-Gremium berufen. „Mit dem neuen Vorstand hat sich Ditib entschieden, auch weiter der verlängerte Arm Erdogans in Deutschland zu sein“, sagte Dagdelen. Auch das Innenministerium bekräftigt: Es sei nicht zu erkennen, dass die Ditib Reformen umsetzt.

Die NRW-Landesregierung hat die Kooperation mit der Ditib bereits vergangenes Jahr weitgehend auf Eis gelegt. Auf Nachfrage sagte NRW-Integrationsminister Joachim Stamp: „Unsere Haltung ist unverändert: Ditib muss insgesamt zu einem Verband werden, der sich allein auf die religiöse und seelsorgerische Arbeit konzentriert, statt im politischen Interesse der türkischen Regierung zu agieren.“

KStA abonnieren