Droht ein heißer Herbst?Wie es mit den Aktivisten in Lützerath nun weitergeht

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Lützerath wird abgerissen. Die Kohle unter der früheren Siedlung werde benötigt, um die „Braunkohlenflotte“ in der Energiekrise mit hoher Auslastung zu betreiben und gleichzeitig ausreichend Material für eine hochwertige Rekultivierung zu gewinnen, teilte RWE mit.

Lützerath – 

Da hilft der unkonventionelle und immer auf Verständnis abzielende Politik-Stil eines Robert Habeck nicht weiter. Bei den Klimaaktivisten, die seit zwei Jahren für den Erhalt des Dorfs Lützerath im Tagebaugebiet Garzweiler II kämpfen, verfängt das nicht. Ausdrücklich dankt der grüne Bundeswirtschaftsminister am Dienstag der Klimaschutzbewegung der vergangenen Jahre. Das „Engagement der jungen Menschen“ habe „Deutschland wachgemacht“ und den Druck auf die Politik erhöht, sagt er in Berlin, nachdem er die Nachricht von dem mit RWE fest vereinbarten Kohleausstieg 2030 verkündet hat.

Die Reaktion der Aktivisten lässt keine zwei Stunden auf sich warten. „Die Grünen kündigen den Bau neuer Gaskraftwerke, die Reaktivierung von Kohlekraftwerken und die Zerstörung von Lützerath an und nennen das einen guten Tag für den Klimaschutz“ sagt David Dresen von „Alle Dörfer bleiben“.

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„Die Regierung behauptet mit diesen Maßnahmen den Kohleausstieg 2030 zu sichern – doch das Klima interessiert sich nicht für Jahreszahlen. Entscheidend für die Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze ist ausschließlich, dass nicht zu viel Kohle verbrannt wird. „Die Regierung behauptet, viel CO2 einzusparen, doch dass mit ihren Plänen immer noch 220 Millionen Tonnen mehr herausgeblasen werden, als für 1,5 Grad erlaubt sind, erwähnt sie mit keinem Wort.“

Studien erlauben nur noch 70 Tonnen Braunkohle

Laut wissenschaftlichen Studien dürften nur noch maximal 70 Millionen Tonnen aus dem Tagebau Garzweiler II herausgeholt werden, die Regierung plane mit rund 290 Millionen Tonnen, so Dresen. „Heute ist ein schlechter Tag für den Klimaschutz, von Gerechtigkeit ganz zu schweigen.“

Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future räumt zwar ein, es sei „ein klarer Erfolg der Klimabewegung, dass RWE sich zum Kohleausstieg 2030 bekennt. Angesichts dessen ist es jedoch ein Desaster, dass die Regierung noch immer keine ernsthaften Maßnahmen ergreift, um in allen Sektoren Energie zu sparen und Emissionen zu senken. Die heutige Ankündigung war ein billiger Versuch, die Untätigkeit in Sachen beschleunigter Energiewende und raschem ÖPNV-Ausbau zu verdecken“, sagt Sprecherin Darya Sotoodeh.

Kohle unter Lützerath werde nicht gebraucht

Fridays for Future verweist auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die vor ein paar Wochen zu dem Ergebnis kam, dass die Kohle unter Lützerath für die Energiesicherheit in Deutschland auch in Zeiten der Gaskrise nicht gebraucht werde. Man werde zu Protesten in Düsseldorf, Berlin, Duisburg und in Lützerath aufrufen.

„Eigentlich gibt es schon Grund zur Freude“, sagt Antje Grothus, knapp 18 Jahre lang Aktivistin der Initiative „Buirer für Buir“ und Mitglied der Kohlekommission, die den Ausstieg auf den Weg gebracht hat. „Der Kohleausstieg 2030 ist festgeschrieben, fünf Dörfer und die Höfe bleiben erhalten, die Zwangsumsiedlung findet ein Ende. Die Immobilien können wieder genutzt und sogar von den Menschen zurückgekauft werden, wenn sie das wollen.“

Überschattet werde das aber alles, weil „ausgerechnet die Menschen, die das durch die Besetzung von Lützerath mit ermöglicht haben, diesen Ort jetzt aufgeben sollen. Da werden wir noch einen langen Weg vor uns haben“, so Grothus, die seit Mai 2021 für die Grünen im Landtag sitzt. 270 Millionen Tonnen Braunkohle blieben durch den vorzeitigen Kohleausstieg zwar in der Erde, die gleiche Menge werde aber noch verbrannt. „Da ist die Folge einer in der Vergangenheit verschleppten Energiewende. Die zwingt uns in der Energiekrise dazu, Dinge zu tun, die wir lieber nicht gemacht hätten. Das ist sehr schmerzhaft.“

Gerettete Dörfer lebenswert gestalten

Jetzt komme es sehr darauf an, die neue und dann letzte Leitentscheidung der Landesregierung zum Kohleausstieg so abzufassen, dass die endgültig geretteten Dörfer lebenswert gestaltet werden können. „Das zählt für die Menschen vor Ort.“ Es sei gut, dass die Kommunen, zu denen die Dörfer gehören, endlich mehr Klarheit haben.

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„Ich wünsche mir eine Befriedung der Konflikte um die Kohle“, sagt Grothus. „Die meisten von ihnen sind jung, kommen aus einem bürgerlichen Umfeld und stehen Fridays for Future nah. Sie haben in Lützerath auch für den Erhalt der fünf Dörfer gekämpft, weil sie dort, wo noch Menschen leben, keine Demos machen, keine Mahnwachen anmelden oder Wiesen besetzen wollten.“

Tragisch, dass friedliche Demonstranten weichen müssen

Deshalb sei der Protestort Lützerath rund um den Hof des letzten Landwirts Eckart Heukamp, der inzwischen aufgegeben hat, überhaupt entstanden. Es sei „tragisch, dass die Menschen, die sich in den beiden letzten Jahren in Lützerath friedlich für den Kohleausstieg engagiert haben, den Ort jetzt verlassen sollen.“

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur kündigt am Dienstag, das Gespräch mit den Aktivisten zu suchen.

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