Michael Kretschmer im InterviewScholz wird Linksbündnis „mit Wimpernschlag“ zustimmen

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Kretschmer

Michael Kretschmer (CDU)

Köln – Michael Kretschmer ist seit 2017 Ministerpräsident von Sachen und Landesvorsitzender der sächsischen CDU. Im Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" erklärt er, worauf es im Wahlkampf-Endspurt für die Union ankommt, und wie er rechten Demagogen in Internetforen das Handwerk legen will.  

Bei der Bundestagswahl gibt es einen Kopf-an Kopf-Rennen. Werden die Wahlen im Osten entschieden?

Michael Kretschmer Das glaube ich nicht. Aber im Osten haben wir eine AfD, die sich immer mehr mit Angst und Hetze polarisiert. Von der Spaltung der Gesellschaft, die davon ausgeht, sind sowohl die bürgerlichen Parteien als auch das linke Lager betroffen.

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Hat sich die CDU mit den hohen Zustimmungswerten für die AfD abgefunden?

Keinesfalls. Wir müssen die Sorgen der Menschen, die auf die Demagogie der AfD hereingefallen sind, ernst nehmen. Viele haben Angst, dass durch eine schnelle Energiewende Jobs verloren gehen, andere kritisieren eine angeblich maßlose Corona-Politik. Die Menschen werden heute zum Teil durch Lügen und Falschmeldungen, die in geschlossenen Internetforen verbreitet werden, radikalisiert. Wir müssen einen Weg finden, mit diesem Befund umzugehen und den Schaden, der durch die Meinungsmache in solchen Foren angerichtet wird, zu begrenzen. Damit wäre viel gewonnen.

Demagogen entlarven

Wie soll das gehen?

Das Problem ist, dass wir bislang vielfach keine Möglichkeit haben, Unwahrheiten in sozialen Netzwerken mit zum Teil 10 000 Teilnehmern richtig zu stellen und Demagogen zu entlarven. Wir müssen unbedingt darüber nachdenken, wie man Einschränkungen bei der Gründung geschlossener Internetforen rechtlich verankern kann. Geschlossene Internetforen dürfen keine rechtsfreien Räume sein. Daher müssen Betreiber derartiger Foren hier auch stärker in die Verantwortung genommen werden. Die Materie ist komplex, aber wir brauchen Impulse, um hier im Interesse der Funktionsfähigkeit des Meinungsbildungsprozesses in unserer Gesellschaft zu Lösungen zu kommen. Damit würden den geschlossenen rechten Gruppen auch die Aura des Geheimbundes, die auf viele offenbar anziehend wirkt, genommen.

Ist es in dieser Situation schädlich oder hilfreich, dass Hans-Georg Maaßen für die CDU-Wahlkampf macht?

Ich würde mir wünschen, dass er sich konstruktiver einbringt, statt ständig Schlachten der Vergangenheit zu schlagen.

„Deutschland steht vor Richtungsentscheidung“

Die Umfragewerte der CDU sind dramatisch gesunken. Woran liegt das?

Wir müssen nach vorn Schauen und jetzt alles daransetzen, klar zu machen, was bei der Bundestagswahl auf dem Spiel steht. Gibt es eine bürgerliche Mehrheit, oder Rot-Rot-Grün? Ein Linksbündnis, das Steuererhöhungen und einen ausufernden Sozialstaat bedeuten würde, wäre fatal. Die 400 Milliarden Euro Schulden aus der Corona-Krise können nur mit einer florierenden Wirtschaft abbezahlt werden, das ist mit einem linken Politikansatz nicht möglich. Wir brauchen Verlässlichkeit, weniger Bürokratie, mehr Freiheiten. Dafür steht die Union.

Der Wahlkampf plätschert noch dahin….

Wir müssen jetzt Gas geben und mit aller Kraft um unsere Direktmandate kämpfen. Jeder Wahlkreis braucht einen Schutzpatron in Berlin, einen Vertreter für die Region, der auch etwas bewegen will und kann. Die Schreihälse der AfD helfen den Menschen vor Ort bei der Problemlösung nicht weiter. Die letzten Wochen müssen wir noch deutlicher machen, warum es geht. Wir sind spät dran, Tempo zu machen, aber nicht zu spät.

„Bevormundungen sind nicht hilfreich“

An einer CDU-geführten Koalition wären wohl auch die Grünen beteiligt…

Dafür mache ich keinen Wahlkampf. Ich finde die Grünen mit ihrem erhobenen Zeigefinger und den ständigen Verboten und Bevormundungen nicht hilfreich. Aber demokratische Parteien müssen koalitionsfähig sein. Ich kämpfe für eine bürgerliche Regierung, weil es die einzige vernünftige Möglichkeit ist, dieses Land auch in der Zukunft mit Wohlstand zu halten.

Sie haben in der K-Frage mit Söder sympathisiert. Stände die CDU mit Söder besser heute da?

Es geht nicht darum, was wäre wenn, sondern was ist. Die Union muss geschlossen auftreten, denn nur so können wir auch in dieser Wahl erfolgreich sein. Mit Armin Laschet haben wir einen erfolgreichen Ministerpräsidenten als Spitzenkandidat. Er führt übrigens die einzige bürgerliche Koalition aus CDU/FDP im größten deutschen Bundesland. Im Gegensatz zu allen anderen Spitzenkandidaten hat Armin Laschet gezeigt, dass er es kann.

„Forschungsminister sollte aus dem Osten kommen“

Ist es im Osten ein Problem, das Laschet Rheinländer ist?

Die meisten Menschen im Osten verbinden mit dem Begriff ,Rheinländer‘ jedenfalls keine negative Konnotation: Sie nehmen war, dass Armin Laschet der Ministerpräsident eines großen Bundeslandes ist. Seine Unterstützung für den Strukturwandel im Osten ist überzeugend. Er hat die Interessen des Ostes gut aufgenommen.

Wie viele Minister sollen aus Ostdeutschland kommen?

Der Osten muss natürlich deutlich sichtbar sein. Ich würde mir wünschen, dass eine Frau aus den Neuen Bundesländern Forschungsministerin in einer künftigen Bundesregierung wird. Eine solche Besetzung wäre ein Knaller. Das Forschungsresort ist deswegen für den Osten besonders wichtig, weil es ein Haus ist, dass sich in den vergangenen Jahren stark mit dem Aufbau Ost befasst hat. Wissenschaft, Forschung und Bildung sind die Grundlagen für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik.

Wie erklären Sie sich den Aufschwung der SPD?

Der SPD gelingt es, zu verbergen, wer dort wirklich den Ton angibt. Olaf Scholz lehnt es ab, ein Linksbündnis auszuschließen. Am Ende entscheidet dort aber sowieso nicht Scholz, sondern die linke Parteiführung um Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und Kevin Kühnert über Partner und Kurs. Es gibt ja schon Bündnisse von SPD und Linkspartei in Deutschland. Wenn es für Rot-Rot-Grün reicht, stimmt Scholz mit einem Wimpernschlag zu.

FDP-Chef Lindner will keine Ampel eingehen. Ist darauf Verlass?

Das ist eine Frage der Alternativen. Am Ende muss es eine Regierung geben, und da muss man auch über seinen Schatten springen können. Die Karten werden jetzt neu gemischt, dann gibt es ein neues Blatt.

„Wir sollten bei 3G-Regel bleiben“

Hamburg ermöglicht bei Großveranstaltungen die 2G-Regel. Was halten Sie davon?

Das Virus bestraft Übermut sofort. Wir sollten bei der 3G-Regel bleiben. Meine Sorge ist, dass wir 3G sagen, aber uns nicht an die Regeln halten. Das Beispiel Israel zeigt, was passiert, wenn alle Auflagen zu schnell beendet werden. 2G ist der Lockdown für die Nichtgeimpften. Diese Option sollte das letzte Mittel sein.

Sollten Nicht-Geimpfte Tests selbst zahlen?

Deutschland bezahlt bislang jeden Monat eine Milliarde Euro für Tests. Das kann so nicht weitergehen. Das Testen war ein Segen, als es keine Impfangebote gab. Aber die gibt es jetzt. Wer das Angebot nicht wahrnimmt, muss die Tests aus eigener Tasche zahlen. Also: Kostenlose Impfung oder kostenpflichtiger Test.

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