Nach Pandemie-ErlassenRechnungshof kritisiert NRW-Regierung für Vetternwirtschaft

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Ein Mitarbeiter eines Unternehmens prüft und stapelt medizinische Masken.

Köln – Der Bericht des Landesrechnungshofs ist 17 Seiten lang. Er behandelt die „vergaberechtlichen Maßnahmen“ der Landesregierung während der Pandemie. Schwarz-Gelb hatte die Rahmenbedingungen, um zum Beispiel Schutzausrüstungen und Masken bestellen zu können, erheblich vereinfacht. Nach Einschätzung der Rechnungsprüfer ist das Land bei der coronabedingten Entfesselung zu weit gegangen. „Die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs, der Transparenz sowie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ von Auftragsvergaben sei durch die Vereinfachungserlasse von Finanz-und Wirtschaftsministerium „infrage gestellt“, heißt es in dem Prüfbericht.

Der Landesrechnungshof genießt als unabhängige oberste Landesbehörde ein hohes Ansehen bei Opposition und Regierung. Die Kritik der Finanzprüfer trifft die Laschet-Regierung an einem wunden Punkt. Der umstrittene 45-Millionen-Auftrag zwischen dem Land und der Modefirma Van Laak für die Lieferung von Schutzkitteln hatte hohe Wellen geschlagen. Der Deal war durch den Sohn des Ministerpräsidenten, Johannes Laschet, der als Modeblogger arbeitet, eingefädelt worden. Auch die Bestellung von überteuerten Masken bei der Schweizer Firma Emix, der über die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier zustande gekommen war, warf viele Fragen auf. „Die schwarz-gelbe Landesregierung ist über bereits gelockerte Regeln zum Teil deutlich hinausgegangen“, sagte Felix Banaszak, Chef der NRW-Grünen, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dies verpflichtete zu einer besonderen Transparenz. „Wir erwarten, dass die jeweiligen Ministerien ihre Entscheidungen dokumentiert haben und nachvollziehbar erklären können“, so der Politiker aus Duisburg.

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Wie war die Ausgangslage? Als sich die Pandemie im vergangenen Frühjahr ausbreitete, mangelte es in ganz Deutschland an Schutzausrüstung. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte die Beschaffung beschleunigen und beschnitt das Vergaberecht bei der Beschaffung durch einen Runderlass vom 19. März 2020. Der Rechnungshof hielt die Vorgaben des Bundes für „ausreichend, angemessen und praktikabel“. Doch die Landesregierung konkretisierte die Regelung am 27. März 2020. Begründung: Der Bund sei für die rechtliche Regelung der Vergabe von Aufträgen mit einem niedrigen Volumen nicht zuständig.

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Was sollte beschafft werden? Eine Sprecherin des NRW-Wirtschaftsministeriums sagte auf Anfrage, die Landesregierung habe „Beschaffungen im medizinischen Bereich“ beschleunigen wollen. Konkret sei es um den Kauf von „Masken, Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel, Medizintechnik für Tests sowie Beschaffungen zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes“ gegangen.

Was kritisiert der Landesrechnungshof? Mit dem eigenen Erlass zum Unterschwellenvergaberecht wurden die Konditionen für Aufträge unterhalb des EU-Schwellenwertes bis 139 000 Euro geregelt. Seitdem müssen bei Bestellungen keine Vergleichsangebote einholt werden. Vor der Aussetzung dieser Verordnung hatte der Landesrechnungshof gewarnt. Dies betreffe die „Grundpfeiler des Vergaberechts, wie das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot, die Korruptionsprävention und die Dokumentationspflichten“, heißt es in dem Prüfbericht. Das Eingehen von Verträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte unterliege nach dem Erlass nur noch dem Sparsamkeits- und Wirtschaftlichkeitsgebot. Durch die freihändige Vergabe wurde die Tür für Vetternwirtschaft sperrangelweit geöffnet. Bei Vergabe oberhalb des Schwellenwerts wurde Pflicht, eine Ausschreibung zu dokumentieren, aufgeweicht.

Was waren die Folgen? Die freihändige Vergabe hatte nach Einschätzung von SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty massive Auswirkungen. „Die Folgen kosten den Steuerzahler ein Vermögen: da wurden FFP2-Masken für 9,90 Euro pro Stück bei der Tochter einer CSU-Größe gekauft, 50 Millionen für Schutzkittel bezahlt, die keinen Schutz bieten und zuletzt Stoffmasken für die Polizei bestellt, als Stoffmasken schon flächendeckend verboten waren“, sagte der SPD-Politiker dieser Zeitung. Der Landesrechnungshof habe im vergangenen Jahr mehrfach Einwände gegen die Erlasse der Landesregierung erhoben. Es sei „bezeichnend“, dass Schwarz-Gelb darauf nicht geantwortet habe.

Werden die Maskendeals noch gesondert geprüft? Der Bericht des Rechnungshofes bezieht sich nur auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der Auftragsvergabe, nicht auf einzelne Deals. Ob sich der Landesrechnungshof zum Beispiel um die Vorgänge um Van Laak oder die Hohlmeier-Connection kümmern wird, ist noch offen.

Wie geht es jetzt weiter? Der Landesrechnungshof empfiehlt dem Landtag, einen Zwischenbericht „zur Wirkungsweise der Maßnahmen“ bei der Landesregierung anzufordern und „die Notwendigkeit des Fortbestandes der Regelungen kritisch zu überprüfen“. Auch die FDP sieht Aufklärungsbedarf: „Wir erwarten, dass sich alle getroffenen Entscheidungen im Nachhinein als nachvollziehbar, verhältnismäßig und rechtskonform erweisen“, sagte Finanzexperte Ralf Witzel auf Anfrage. Situative Erleichterungen im Kontext der Pandemie dürften „nicht dauerhaft fortbestehen“.

Wie lange gelten die Ausnahmen noch? Der Erlass vom 27. März 2020 gilt bis zum 30. Juni 2021. „Danach wird er aufgrund der mittlerweile verbesserten Versorgungslage mit Schutzgütern nicht verlängert“, heißt es im Wirtschaftsministerium.

Was sagt Gesundheitsminister Laumann zu den Vorwürfen? Karl-Josef Laumann hatte sich schon im April 2020 klar positioniert. Sein deftiger Spruch: „Wer nach der Krise nicht den Landesrechnungshof am Arsch hat, der hat alles verkehrt gemacht“, ist viel zitiert worden und wurde als Freibrief für Ad-Hoc-Bestellungen gewertet. Peter Preuß, Gesundheitsexperte der CDU-Fraktion, hält den Kurs der Landesregierung für richtig: „Wer heute von Korruption redet, hat doch selbst damals lauthals die schnelle Beschaffung gefordert. Ich möchte mir nicht ausmalen, was die Opposition uns heute vorwerfen würde, hätte man monatelange Ausschreibungsverfahren durchgezogen, jeden Cent mehrfach umgedreht und Menschen ohne Schutzausrüstung gelassen.“

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