Hochwasserschutz im Fokus: NRW-Ministerpräsident Wüst informiert sich an der Rurtalsperre über Millionenprojekte nach der Flut 2021.
Zahlreiche ProjekteMinisterpräsident erhält am Rursee Crashkurs im Hochwasserschutz

Der größte Badewannenabfluss der Region: der Grundablass der Rurtalsperre, wo NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zu Gast war.
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Einen Crashkurs in Sachen Hochwasserschutz erhielt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Freitagnachmittag im Infopavillon in Schwammenauel. Auf dem Weg vom neuen Supercomputer in Jülich nach Aachen, um dann wieder zurück nach Euskirchen zu fahren, machte er zwischendurch auch Station an der Rurtalsperre, um das neueste über die Planungen des Wasserverbandes Eifel/Rur (WVER) nach der Flutkatastrophe 2021 zu erfahren. Und nass wurde es dabei auch noch.
„Wir haben 50 Minuten zur Verfügung, keine Minute länger“, verwies Dr. Joachim Reichert, Vorstand des WVER, auf den Minutenzeiger der Uhr, der bei dem Termin an der Rurtalsperre die Hauptregie führte. Neben dem Dürener Landratskandidat Dr. Ralf Nolten waren mit Jochen Weiler (Heimbach), Ingo Pfennings (Schleiden) und Ingo Eßer (Kreuzau) auch mehrere Bürgermeister aus der Region bei dem Treffen dabei – alle zufällig mit CDU-Parteibuch.
Eins wird schnell deutlich: Hochwasserschutz ist teuer
Doch auch wenn die nahende Kommunalwahl und die Parteizugehörigkeit dagegen sprachen, ging es bei dem Termin weniger um eine Wahlempfehlung als vielmehr darum, die Folgen von kommenden Starkregenereignissen auf die Region zu minimieren – und sehr viel Geld.
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Denn der Hochwasserschutz ist teuer. Schon jetzt ist klar, dass, egal, was gebaut wird, es in die Millionen gehen wird. So war auch das Interesse der Verantwortlichen groß, dem Oberhaupt der Landesregierung die Pläne einmal vorzustellen, um bei ihm das Verständnis dafür zu wecken, was dabei eigentlich geschieht.

Wie ging das Ding jetzt auf? Ministerpräsident Hendrik Wüst (2.v.l.) öffnete, assistiert von Christina Beil, Dr. Ralf Nolten und einem Talsperrenmitarbeiter, den Grundablass der Rurtalsperrre.
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Wobei Reichert mit Stolz darauf verweisen konnte, dass gerade das Rurtalsperrensystem, das aus Urfttalsperre, Obersee, Rurtalsperre und Heimbacher Becken besteht, dafür gesorgt hat, dass im weiteren Verlauf der Rur im Sommer 2021 keine Überflutungen mehr auftraten. „Wir hatten Glück, denn es ging noch viel Wasser rein in die Rurtalsperre“, so Reichert.
40 Millionen Kubikmeter seien am 14. und 15. Juli 2021 in die Talsperre geflossen, wovon 39 Millionen Kubikmeter aufgefangen worden seien. Lediglich eine Million Kubikmeter seien über die Hochwasserentlastung abgeflossen. „Die Flutnacht hat unseren Umgang mit solchen Situationen nicht verändert, wir haben unseren Betriebsplan mit Erfolg eingesetzt“, sagte er.
Wir können Hochwasser nicht verhindern, wir können nur resilienter werden.
„Wir können Hochwasser nicht verhindern, wir können nur resilienter werden“, skizzierte Dr. Gerard Demny die Pläne des Wasserverbandes in Sachen Hochwasserschutz. Dafür müssten dicke Bretter gebohrt werden. An Inde und Vicht seien genauso wie an Urft und Olef schwere Schäden entstanden. „Wichtig ist, die Sachen erst einmal zu berechnen“, führte er aus. Das würde gerade stattfinden. Am Unterlauf der Rur würde dazu die Erneuerung von 22 Deichen auf der Agenda stehen, von denen 90 Prozent ertüchtigt und an andere Stellen versetzt werden müssten.
Vier Projekte werden Demny zufolge derzeit geprüft und geplant. Das seien Rückhaltebecken an der Vicht, die Überleitung des Hasselbaches, eine Talsperre am Platißbach und der Restsee in Inden. So seien zwei Standorte für Becken in Mulartshütte und Rott geplant, die bis zu 15 Meter hoch werden sollten. „Die waren umstritten, doch nun ist klar, dass wir sie brauchen“, führte er aus. 31 Millionen Euro Kosten seien avisiert, Baubeginn soll Ende des Jahres sein.
Eine Entlastung für die Vicht soll auch ein fünf Kilometer langer Stollen sein, über den im Hochwasserfall der Hasselbach in die Wehebachstelle umgeleitet wird. „In dieser Talsperre haben wir noch Platz“, erklärte Demny. 65 Millionen Euro soll dem Experten zufolge das Projekt kosten.

Christina Beil informierte den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, daneben Dr. Ralf Nolten, Ingo Eßer und Jochen Weiler.
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Eine Idee aus den 1960er Jahren ist die Platißbachtalsperre, die dem Hochwasserschutz dienen soll – aber auch der Gewinnung von Trink- und Brauchwasser. Die sei ein Eingriff in die Landschaft und den Waldbau, führte Demny aus, doch auch neue Waldkulturen bräuchten Wasser. Ein Gewinn sei das Projekt auch für den Tourismus.
Ein potenzielles Volumen von zehn Millionen Kubikmeter Rückhalteraum biete der Plan, Hochwasser in den Indener Tagebau zu leiten. „Das hätte eine massive Auswirkung auf die Rur, bis in die Niederlande“, so Demny. Doch auch die Prognosemöglichkeiten, sollten mit neuen Sensoren an Inde und Vicht verbessert werden. „Wir hatten dort drei Wellen hintereinander, eine schlimmer als die andere, und nach jeder dachten die Menschen, es sei vorbei“, warb er für die verbesserten Vorhersagemöglichkeiten.
Einen Eindruck von der Gewalt des Wassers konnte der Ministerpräsident am Grundablass der Rurtalsperre gewinnen. Nachdem er den Schieber geöffnet hatte, konnte er den Riesenschwall Wasser bewundern, der sich in das Heimbacher Becken ergoss. „Ich bin dankbar für die Arbeit, die hier im Katastrophenschutz geleistet wird“, sagte er. Die Flutkatastrophe 2021 mit 49 Toten in NRW und Milliardenschäden habe die Menschen aufgerüttelt. Rund 500 Maßnahmen seien bereits in die Wege geleitet worden, die mit einem Volumen von insgesamt 390 Millionen Euro Kosten veranschlagt seien.