Ein Jahr danachWarum es im Leichlinger Flutgebiet den „Held der Straße“ gibt

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Leili-Flutfest-Brunnenstraße

Organisator Achim Strauß präsentiert den Helden der Straße, Florian Zöller. 

Leichlingen – Samstag in der Brunnenstraße: Weshalb tragen hier alle die gleichen roten und blauen T-Shirts mit schiefem Wappen und dem Hashtag „gemeinsamstark“ darauf?

Was nach einem riesigen Familienfest aussieht, ist in Wahrheit ein Nachbarschaftstreff. Es wird gegrillt, geplaudert, getrunken und gelacht. Sogar die Straße wurde heute abgesperrt. Und wozu das alles? Auch hier feiert man ein Flut- und Helferfest für die Betroffenen von damals und den Zusammenhalt unter den Nachbarn.

„Wir kannten uns zwar schon vorher, aber jetzt sind wir zu einem großen Freundeskreis geworden“, sagt Achim Strauß. Der 40-Jährige und Michael Kiesewalter haben das Fest organisiert. Und die Nachbarn machen mit. 14 Haushalte hätten die Idee unterstützt, nachdem alle einen Zettel im Briefkasten hatten, sagt Strauß. In einer Garage werden Fotos von überschwemmten Häusern und helfenden Händen gezeigt. Ein Getränkewagen ist da, es wird gegrillt, ein leckeres Buffet ist aufgetischt.

Alles zum Thema Herbert Reul

Reul lobt den Zusammenhalt

Herbert Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfalen, wohnt sein Leben lang in Leichlingen. Er besuchte das Helferfest in der Brunnenstraße gemeinsam mt dem stellvertretenden Bürgermeister Maurice Winter und sagte bei einem spontanen Grußwort: „Hier findet das statt, was man in ganz Deutschland erleben kann. Vor einem Jahr waren viele Menschen noch Wildfremde füreinander. Heute duzen sie sich, leihen sich gegenseitig Sachen aus und sind befreundet. Das wichtigste der Flut bleibt: das Menschliche und die Solidarität.“

„Die ersten Tage nach dem 14. Juli haben wir uns auf der Straße zusammengefunden. Es gab keinen Strom und es herrschte ziemliches Chaos. Dann fing man an, alles zu organisieren. Freunde, Familie und Bekannte sind gekommen, um mit anzupacken“, erinnert sich Strauß. Weil viele wegen des Stromausfalls nicht kochen konnten, habe man sich gegenseitig ausgeholfen, füreinander eingekauft, sich Essen gebracht. „Es wurde ein Versorgungszelt in der Straße aufgestellt, an dem man abends immer jemanden getroffen hat, um sich alles von der Seele zu reden. Freitagabends wurde zu unserem einwöchigen Nachbarschaftstreff.“

Einer war besonders engagiert

Einer in der Brunnenstraße trägt heute ein besonderes T-Shirt, auf dem „Held der Straße“ steht. Der 34-jährige Florian Zöller hat damals besonderen Einsatz bewiesen. „Er war von Donnerstagmorgen nach der Flut bis Mittwochabend nur am Rennen. Er hat sich immer gekümmert und konnte nie ruhig stehen“, beschreibt es Strauß. Auf der Arbeit habe er angerufen, dass er die nächsten Tage nicht kommen könne. Dafür ist ihm die Nachbarschaft besonders dankbar.

Die fünf Jahre alte Johanna hat bei der Flut ihr ganzes Spielzeug verloren. „Wir mussten alles wegwerfen, auch ihr Bett und viele Kleider“, sagt ihre Oma. Doch die Nachbarschaft habe zusammengehalten. Die Kinder hätten gemeinsam gespielt, Johanna bekam das eine oder andere Spielzeug geschenkt.

Aufräumen mit dem Sohn auf dem Rücken

Auch Katarina Zöllers Familie war von der Flut betroffen. „Mit meinem einjährigen Sohn auf dem Rücken habe ich damals hier mitgeholfen und den Schutt von der Straße gefegt. Das Schöne war der Zusammenhalt der Straße. Wir sind zusammen durch alles gegangen. Jeder hatte mal einen Tiefpunkt und hat geweint. Dann war immer jemand für einen da“, sagt Zöller mit Tränen in den Augen. Ihr Mann, ihre drei Jahre alte Tochter, ihr einjähriger Sohn und sie waren in Urlaub. Schwager Florian Zöller habe auf ihr Haus aufgepasst. Als sie heim kamen, sei nichts mehr beim Alten gewesen.

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„Florian hat zum Glück unsere Katze gerettet, die auf unserem Küchentisch festsaß. Ich bin so froh, dass alle noch leben und niemandem aus der Straße etwas passiert ist“, sagt Katarina Zöller. Das Schlimmste sei gewesen, ihre Kinder leiden zu sehen. „Auch die Kleinsten bekommen das mit. Als ich das erste Mal mit meinem Sohn schwimmen war, hat er geschrien wie am Spieß. Er hat sich vor dem Wasser gefürchtet.“ Als sie wieder mit der Tochter in Urlaub fahren wollten, habe sie gemeint, „dass wenn wir wiederkommen, unser Zuhause wieder unter Wasser stehen würde.“  

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