NRW-Reaktion auf neue ImpfstrategieAngebote für Kinder und Jugendliche „ohne Druck"

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NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann

Düsseldorf – Bund und Länder haben beschlossen, mit dem Ende der Impfpriorisierung vom 7. Juni an auch Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren ein Impfangebot zu machen. Die Ständige Impfkommission (Stiko), eine 18-köpfige Expertengruppe, die beim Robert Koch-Institut in Berlin angesiedelt ist, hatte sich demgegenüber skeptisch geäußert. Um die Wirksamkeit der Corona-Prävention für diese Altersgruppe einschätzen zu können, sei nicht zuletzt die Datenmenge bis jetzt noch nicht ausreichend.

In Deutschland sind 1100 Kinder und Jugendliche bislang geimpft worden, die Stiko will noch auf Auswertungen größerer Gruppen aus anderen Ländern warten. Wie aber reagiert Nordrhein-Westfalen auf den neuen Sachstand?

NRW will Votum er StiKo abwarten

Es sei wichtig, was die StiKo dazu sagt, meint NRW-Gesundheitsminister Karl Josef Laumann (CDU) im WDR-Hörfunk. Es deute sich an, dass die Kommission „eine sehr differenzierte Haltung zu dieser Frage annimmt – denn die Frage, ob man sein Kinder impfen lässt oder ob das Kind geimpft werden möchte, ist sicher in dieser Alterspanne sehr differenziert zu sehen“.

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Vor diesem Hintergrund müsse man ein Impfangebot organisieren, „was aus meiner Sicht keinen Druck ausübt, weder in der einen Richtung, sich impfen zu lassen, noch in der anderen Richtung, sich nicht impfen zu lassen“. Die Hausärzte seien der richtige Ort, die Impfung durchzuführen, und nicht die Impfzentren.

Forderung nach Impfplan

Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW, bewertet das Vorgehen von Bund und Ländern kritisch: „Wir fordern schon lange einen landes- und bundesweiten Impfplan für Kinder und Jugendliche. Die NRW-Landesregierung hat es bisher jedoch versäumt, hierfür eine klare Strategie zu entwickeln und die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen.“

Mit der Aufhebung der Impfpriorisierung steige nun die Anzahl der Berechtigten, gleichzeitig gebe es aber nicht mehr Impfstoff. „Das Hauen und Stechen ist vorprogrammiert“, so Neumann. Mit der Verkürzung des zeitlichen Abstands zwischen Erst- und Zweitimpfung hätten die Gesundheitsminister Spahn und Laumann den Impfstoffengpass dazu noch künstlich vergrößert, damit mehr Menschen zu Beginn der Sommerferien vollständig geimpft werden könnten. „Das geht schon jetzt zu Lasten aller noch ungeimpften Menschen in unserem Land.“

Die Impfstoffmengen, die Deutschland über die Verträge der Europäischen Union bekommen werde, seien so dimensioniert, dass bis zum Sommer alle, die sich impfen lassen wollen, auch geimpft werden könnten, erklärt dazu Gesundheitsminister Laumann. „Das gilt selbstverständlich auch, wenn drei Jahrgänge dazu kommen.“

Keine Ansteckungsgefahr

180 000 Kinder und Jugendlich sind nach Angaben des NRW-Gesundheitsministers bislang deutschlandweit an Covid 19 erkrankt, 18 davon hätten auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Das zeige, dass diese Altersgruppe relativ unempfindlich auf die Krankheit reagiere.

Auch vor diesem Hintergrund habe die Stiko den Auftrag, auf der einen Seite zu prüfen, wie sinnvoll eine Impfung für diese Gruppe ist. Auf der anderen Seite müsse die Stiko auch bedenken, was es bedeutet, wenn die Kinder ihre Eltern nicht mehr anstecken können. „Allerdings werden wir bis zum Ende des Sommers der kompletten Bevölkerung ein Impfangebot gemacht haben.“

Vertrauen und Verlässlichkeit

„Gerade beim Impfen von Kindern und Jugendlichen seien Vertrauen und Verlässlichkeit das Gebot der Stunde“, meint SPD-Politiker Neumann. „Nach den vollmundigen Erwartungen, die von Jens Spahn vor dem Impfgipfel erzeugt wurden, setzen nun bei Eltern, Kindern und Ärzten Enttäuschung und Frust ein.“ Auch Experten aus der medizinischen Praxis und der Wissenschaft befürchteten eine Verlangsamung der Impfkampagne um etwa zwei Wochen.

Woher der Impfstoff für die insgesamt rund 5,3 Millionen Personen umfassende Altersgruppe der Zwölf- bis 18-Jährigen kommen solle, hat Spahn bislang nicht deutlich machen können. Unter der Annahme einer Impfbereitschaft von 60 Prozent in dieser Gruppe hat das Bundesgesundheitsministerium einen Bedarf von jeweils 3,18 Millionen Dosen für die Erst- und die Zweitimpfung errechnet.

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Im Licht des EMA-Entscheids „haben die Menschen dieser Jahrgänge einen Impfanspruch wie jeder andere auch,“ so Laumann. Was die Strategie für Nordrhein-Westfalen angeht, und wie vor allem eine Impfstrategie für Schülerinnen und Schüler aussehen könnten – in dieser Frage rät der Minister zur Vorsicht: Würde man Impfangebote in den Schulgebäuden machen, würde man als Staat signalisieren: „Wir wollen, dass ihr euch impft.“ Er glaube aber, auch in Erwartung einer differenzierten Stiko-Empfehlung, „dass der Staat ein Angebot machen muss“, welches aber vollkommen neutral und diskriminierungsfrei sei.

Gesundheitsschutz stehe an erster Stelle

Auch die Grünen im Landtag üben Kritik. „Grundsätzlich begrüßen wir es, dass Kinder und Jugendliche in dieser Pandemie endlich mitgedacht und in die Impfstrategie aufgenommen werden sollen, sobald das Risiko-Nutzen-Verhältnis eindeutig im Sinne der Kinder ist", so die Fraktionsvorsitzende Josefine Paul. „Allerdings stehe der Gesundheitsschutz für die Jüngsten an erster Stelle. Zudem ist immens wichtig, dass Eltern und ihre Kinder auf die Sicherheit des Impfstoffes vertrauen können."

Minister Laumann müsse nach Pauls Worten klar sagen, wie er sicherstellen wolle, dass der knappe Impfstoff  gerecht verteilt werde. „Eine klare Strategie hat die Landesregierung in diesem Bereich bisher nicht geliefert."

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