Affenpocken-Patient„Die Isolation ist schlimmer als bei Corona“

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Hautsymptome von Affenpocken-Patienten 

Tag für Tag werden derzeit mehr Affenpockeninfektionen bekannt. Europa ist das Epizentrum, mit inzwischen mehr als 1500 Fällen in 25 Ländern. Auch in Deutschland kursiert das Virus neuerdings, das RKI spricht von 263 bestätigten Fällen. Wie fühlt sich das an, plötzlich einer dieser Fälle zu sein? Alexander Winter berichtet davon, sich Anfang des Monats mit den Affenpocken angesteckt zu haben. Wo, das sei ein Mysterium, erzählt er im Interview. Der 36‑Jährige lebt mit Ehemann und Hund in Berlin.

Herr Winter, Sie sind an den Affenpocken erkrankt und haben auf Twitter sehr eindrücklich Ihre Erfahrungen mit dem Virus geschildert. Wieso haben Sie sich dazu entschieden, Ihre Krankheitsgeschichte öffentlich zu machen?

Als ich erkrankt bin, habe ich im Internet nur sehr wenige Informationen gefunden, die mich wirklich weitergebracht haben. Ich habe auch recht schnell gemerkt, dass viele Menschen keine Ahnung davon haben, was es bedeutet, an Affenpocken erkrankt zu sein. Freunde und Bekannte, die mich eigentlich gut kennen, haben mich sehr schnell in eine Nische gedrängt. So nach dem Motto: Warst du jetzt in Gran Canaria auf Sexpartys? Deshalb war es mir wichtig, einmal zu erklären, wie sich das tatsächlich anfühlen kann.

Was waren Ihre ersten Symptome?

Mit leichtem Husten ging es los, der nachts immer schwerer wurde. Drei Tage später kamen große körperliche Erschöpfung, massive Kopf- und Nackenschmerzen, Schüttelfrost und sehr hohes Fieber dazu. Ich dachte an Corona oder die Grippe. Aber ein Test fiel negativ aus. Und dann fing es plötzlich an, stark im Intimbereich zu jucken. Ich musste mich ständig kratzen, habe dann die erste Pocke auf meinem Penis entdeckt. Das sah so aus, wie wenn man sich beim Rasieren leicht geschnitten hat oder wie eine entzündete Hautstelle wegen eines eingewachsenen Haares.

Sie hatten dann nicht direkt den Verdacht, dass das die Affenpocken sein könnten?

Nein, das hätte ich zu dem Zeitpunkt niemals gedacht. Das hatte auch nur wenig mit den Bildern zu tun, die im Internet kursieren. Heute weiß ich, dass diese meistens schon Pocken in verschiedenen Zuständen der Heilung zeigen. Das macht es so schwierig, sich damit zu identifizieren, wenn die Krankheit gerade erst ausbricht.

Ansteckung ist „großes Mysterium“

Wie ging es dann weiter?

Es ging mir immer schlechter. Auch der Juckreiz wurde immer schlimmer. Größere Pusteln im Genitalbereich kamen dazu, das waren dann schon richtige Wunden. Auch Pocken am Oberkörper und an der Schulter kamen dazu. Da dämmerte es mir langsam, dass das noch etwas anderes als eine Erkältung oder Grippe sein musste. Nach noch mehr googeln dachte ich, vielleicht ist das auch Syphilis? Rein visuell könnte das passen. Ich musste aber noch ein paar Tage in meiner Paranoia ausharren, weil mein Hausarzt über Pfingsten geschlossen hatte.

Und der Hausarzt wusste dann gleich Bescheid?

Der war auch erst mal sprachlos, als er sich die Pusteln angeschaut hat. Er hat dann von Hals, Nase und dem Intimbereich Abstriche genommen. Covid wurde ausgeschlossen, Syphilis auch. Zwei Tage später hat er mir dann mitgeteilt, dass es wirklich die Affenpocken sind. Er sagte, medizinisch könne man da nicht viel tun, ich müsse das aussitzen und mich zu Hause isolieren, bis der Ausbruch abgeklungen ist. Da war kurz mal richtig Stillstand in meinem Kopf. Und dann habe ich mich gefragt, wo zum Teufel ich mich angesteckt haben könnte.

Haben Sie herausfinden können, wo Sie sich angesteckt haben?

Das ist das große Mysterium. Sollte ich mich beim Sex angesteckt haben: Ich bin in der ganzen Zeit mit zwei Personen intim geworden, keiner von beiden hatte für die Affenpocken typische Symptome. Ich vermute deshalb, dass ich mich über eine Schmierinfektion im Fitnessstudio angesteckt habe. Beim Sport schwitzt man viel, die Matten dort werden nicht immer desinfiziert, das Studio wird von vielen schwulen Männern besucht, unter denen das Virus momentan vermehrt zirkuliert. Aber das ist natürlich nur eine Theorie, die nicht bewiesen ist.

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Nun haben Sie sich wegen der Affenpocken drei Wochen in Isolation begeben. Kann man sich das ähnlich vorstellen wie bei Corona?

Ich empfinde die Isolation schlimmer als bei Corona. Ich habe drei Wochen keinerlei direkten Kontakt zu anderen. Um das Infektionsrisiko meines Mannes und meines Hundes im Haushalt gering zu halten, muss ich wirklich alles in der Wohnung desinfizieren, was ich berühre. Die Toilette, den Waschbeckenhahn, den Seifenspender. Türklinken. Ich muss jeden Tag Hand­tücher und Kleidung wechseln und separat waschen. Mein Geschirr muss einzeln in die Spülmaschine, Bett und Sofa desinfiziert werden.

Was raten Sie nach Ihren Erfahrungen Menschen, die das Gefühl haben, sie könnten an Affenpocken erkrankt sein?

Aus eigener Erfahrung kann ich auch nur dazu raten, Ruhe zu bewahren und den Verdacht ärztlich abklären zu lassen. In der Regel heilt die Krankheit gut aus. Man sollte den eigenen Körper gut beobachten. Bei der Eindämmung der Affenpocken bringt es auch nichts, zu denken, dass das jetzt vielleicht noch schlimmer als Corona werden könnte. Uns allen kann ich nur empfehlen, die wissenschaftlich-medizinischen Informationen zu den Affenpocken sachlich und möglichst unaufgeregt zu verfolgen.

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