EnergiekriseEin Gasspeicher größer als die Türme des Kölner Doms

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400 Millionen Kubikmeter Gas können bei Nuon in Epe gespeichert werden. Auf dem gesamten Feld sind es vier Milliarden.

Gronau – Was Stefan Bojert in seinem Job so ganz genau macht, hat bis vor kurzem in seinem Umfeld kaum jemand verstanden. Irgendwas mit Gas. Dabei gibt sich der Betriebsleiter der Nuon Epe Gasspeicher GmbH unweit von Gronau immer viel Mühe, mit Präsentationen und einem Video anschaulich zu erklären, wie viel Aufwand es bedeutet, Gasvorräte einzulagern und bei Bedarf zur Verfügung zu stellen.

Bisher war das alles selbstverständlich. An kalten Wintertagen habe die Deutschen ihre Heizungen höher gedreht. Fertig. Woher das Gas kommt, hat niemanden interessiert.

Vattenfall Tochter Nuon – Aufmerksamkeit seit Kriegsbeginn

Stefan Bojert schon. Das Einlagern im Sommer war Routine, das Entnehmen im Winter ebenfalls. Doch seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und Putins Nervenkrieg ums Gas richtet sich die gesamte Aufmerksamkeit auf Bojert und seine Mannschaft. Wie voll sind die Speicher wirklich? Wie kommen wir über den Winter?

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Was den Energieversorger Vattenfall und dessen Gasspeicher-Tochter Nuon angeht, hat Betriebsleiter Bojert Vorkehrungen getroffen. Der Speicherstand der sieben Gaskavernen liegt bereits jetzt bei 98 Prozent und damit deutlich vor dem von der Bundesregierung angestrebten Termin im November. Die Nuon-Gasspeicher können derzeit deshalb problemlos einer dreiwöchigen Revision unterzogen werden.

Sieben Unternehmen betreiben in Gronau 75 Kavernen

Insgesamt betreiben sieben Unternehmen, darunter neben Vattenfall auch RWE, Uniper und Trianel, in Epe an der Grenze zu den Niederlanden rund 114 Kavernen auf einer Fläche von rund 22 Quadratkilometern. 76 von ihnen werden als Gasspeicher, vier als Öllagerstätten genutzt. 

Auch die Gazprom-Tochter Astora, die seit Juni unter der Kontrolle der Bundesnetzagentur steht, füllt ihre Kavernen auf dieser Fläche. Das gesamte Feld hat eine Speicherkapazität von vier Milliarden Kubikmetern und zählt damit zu den größten in Deutschland.

Die Kavernen liegen alle in Tiefen zwischen 1000 und 1500 Meter unter der Erde in einer mächtigen Salzschicht, die vor Millionen Jahren entstanden ist. In diese Salzschicht wurden die Kavernen seit den 1970er Jahren mit Wasser gepresst. Das Wasser löst das Salz, die Sohle wird abgeleitet und es entsteht ein immer größerer Hohlraum.

Das Speichergas kommt aus den Niederlanden

Die größten haben ein Fassungsvermögen, in dem die beiden Türme der Kölner Doms problemlos Platz fänden. Selbst die kleineren können 50 Millionen Kubikmeter Gas speichern. Das ist hundertmal mehr als der Gasometer in Oberhausen fassen konnte, der 1998 stillgelegt wurde.

Insgesamt kann die Vattenfall-Tochter Nuon rund 400 Millionen Kubikmeter einlagern, von denen 300 genutzt werden können. Die restlichen 100 braucht man, um den Mindestdruck in der Anlage aufrecht zu erhalten.

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Betriebsleiter Stefan Bojert, Nuon-Gasspeicher in Gronau.

Das Nuon-Speichergas kommt zum Großteil über Fernwärmeleitungen aus dem Groninger Feld in den Niederlanden. Ganz genau könne man das nicht sagen, weil es sich im Gasnetz vermischt, sagt Bojert. Bevor es in den Kavernen eingelagert werden kann, „müssen wir es von etwa 60 bar auf den Kavernendruck von maximal 210 bar verdichten. Dabei wird es stark erhitzt.“

Das Prinzip kenne jeder aus dem Alltag. „Wenn man einen Fahrreifen aufpumpt, wird die Luft verdichtet und es entsteht Wärme.“ Weil sich das Volumen durch das Erhitzen vergrößert, muss es vor der Einlagerung wieder auf 25 bis 30 Grad heruntergekühlt werden. Bevor das Gas aus den Kavernen wieder ins Netz zurück gespeist wird, wird ihm die Feuchtigkeit entzogen, die es in den Tiefen des Salzstocks aufgenommen hat.

„Keiner hat in Erweiterung der Speicher investiert“

Für Stefan Bojert und seine Mannschaft hat sich an diesen technischen Abläufen durch den Ukraine-Krieg nichts geändert. Alles läuft wie gehabt. Und dennoch ist die Situation besonders.

„Dass die Grundlast in der Gasversorgung mal ganz wegbricht, dafür ist das System hier eigentlich nicht gedacht“, sagt er. „In den vergangenen zehn Jahren haben alle davon gesprochen, dass es in Deutschland Überkapazitäten auf dem Speichermarkt gibt. Deshalb waren auch die Preise im Keller und keiner hat mehr in die Erweiterung der Speicher investiert.“

Ob das ein Fehler war? Im Nachhinein ist man immer schlauer. In Deutschland fanden sich auch keine Investoren für den Bau von Flüssiggasterminals in den Überseehäfen. Das Putin-Gas war einfach unschlagbar günstig.

Jetzt, da jeder Kubikmeter zählt, muss Stefan Bojert viel mehr Verwaltungsaufwand betreiben. Die Anzahl der Berichte, die geschrieben werden müssen, ist deutlich gestiegen.

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Meldungen an den Trading Hub Europe

Durch die Neufassung des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung vom 29. Juli müssen Speicherbetreiber wie Nuon nahezu täglich Meldungen abgeben, vor allem an den Gasmarktregulierer Trading Hub Europe (THE) in Ratingen, der dafür verantwortlich ist, dass das Gasnetz stabil läuft, die Gasbeschaffung und die Befüllung der Gasspeicher organisiert.

Die Gaskrise ist längst zum Politikum geworden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck steht wegen der in Gasumlage in der Kritik.

Doch aus dem politischen Streit, der durch die drohende Uniper-Insolvenz und die in aller Hektik von der Ampelkoalition in Berlin auf den Weg gebrachte Gasumlage ab 1. Oktober entstanden ist, hält sich Bojert raus.

Er hat in seinem Berufsleben schon viele Veränderungen erlebt, seit er mit 19 nach dem Abitur bei der Ruhrgas eine Ausbildung zum Industriemechaniker begann und parallel Mechatronik studierte, bevor er 2013 zu Nuon nach Epe kam.

Bojert weiß, dass seine Generation im Kampf gegen den Klimawandel die Energiewende hinkriegen muss. Bisher stehe vor allem die Stromversorgung im Fokus, sagt er. „Aber ohne den Wärmebereich wird das nicht gehen. Wir müssen auch da klimaneutral werden. Da gibt es noch sehr viel zu tun.“

Deutschland verbraucht 90,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr

90,5 Milliarden Kubikmeter Gas braucht Deutschland Jahr für Jahr, Tendenz leicht steigend. Das gesamte Fassungsvermögen der Gasspeicher beträgt rund 23 Milliarden Kubikmeter.

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Damit liegt Deutschland auf Rang vier der weltweiten Speicherkapazitäten, nur in den USA, der Ukraine und Russland sind sie noch größer.

Bisher glaubten alle, das müsste locker reichen. Auch bei einem harten Winter. Bojert und seine Mannschaft haben ihren Job erledigt. An ihnen wird es nicht liegen, wenn wir im Winter kalt duschen müssen.

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