Die Region bewirbt sich bei der EU-Kommission als Net Zero Valley und erhofft sich dadurch Subventionen für grüne Schlüsseltechnologien.
KlimaschutzRheinisches Revier will klimafreundlichste Industrieregion Europas werden

Eine Reihe von Turbinen stehen in der 500 Meter langen Halle des ehemaligen Braunkohlekraftwerks Frimmersdorf. Der zentrale Kraftwerksbau soll zu einem Innovationscampus mit IT-Infrastruktur umgebaut werden.
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Die Landesregierung hat ihr Ziel noch nicht aus den Augen verloren. Der vorgezogene Kohleausstieg im Rheinischen Revier soll wie geplant Ende 2030 vollzogen sein. „Wir halten an diesem Vorhaben fest“, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) bei der Revierkonferenz am Montag in Jülich.
Sicher ist das nicht. Noch bleibt ein Jahr bis zur im Kohleausstiegsgesetz festgelegten Überprüfung, ob die Energieversorgungssicherheit ohne Braunkohle ab 2030 zu gewährleisten ist. Die Bundesregierung hält bisher daran fest, 20 Gigawatt an neuen Kraftwerksleistungen durch den Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken zu ermöglichen.
Unabhängig davon sei der Reviervertrag 2.0, den das Land und die Kommunen im Rheinischen Revier im Mai 2023 geschlossen haben, nach wie vor aktuell, so Neubaur. „Hier herrscht kein Stillstand. Wir haben bereits eine direkte Versorgung mit Windenergie bei einem Stahlverarbeiter im Rheinischen Revier möglich gemacht.“
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Investitionen in grüne Schlüsseltechnologien
Die Region wird in dieser Woche ihre Bewerbung bei der Europäischen Kommission als Net Zero Valley abgeben und erhofft sich davon gezielte Investitionen und beschleunigte Genehmigungsverfahren für grüne Schlüsseltechnologien.
Wie weit ist das Rheinische Revier im Strukturwandel weg von der Kohle bisher vorangekommen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Net Zero Valley?
Darunter versteht man Industrieregionen, die Projekte mit einer hohen positiven Klimawirkung planen, also zum Beispiel Industrieparks, die besonders energieeffizient arbeiten. Sie können mit Fördergeldern über die Net-Zero-Europe Plattform und die Europäische Wasserstoffbank rechnen. Um das zu ermöglichen, hat die EU im Juni 2024 eine Verordnung, den Net-Zero-Industry-Act (NZIA) erlassen. Diese soll die europäische Produktion klimafreundlicher Schlüsseltechnologien, sogenannter Netto-Null-Technologien, vorangetrieben werden.
Was ist das Ziel?
Die EU soll zur Produktionsbasis für saubere Technologien werden. Dazu zählen Solar-, Wind-, Batterie-, Wärmepumpen-, Wasserstoff- und CO₂-Abscheidetechnologien. Auch Netz- und Biotechnologien sind eingeschlossen. Bis 2030 will die EU mindestens 40 Prozent ihres jährlichen Bedarfs an diesen Technologien selbst produzieren und bis 2040 einen Anteil von rund 15 Prozent an der globalen Produktion erreichen. Es geht darum, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken.
Was bedeutet das für die Braunkohleregion?
Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) will sich in der Region auf fünf Schlüsseltechnologien konzentrieren: Wasserstoff, Batterien und Energiespeicher-Systeme, Stromnetze, Wind- und Elektroantrieb für den Verkehr und transformative industrielle Technologien. Die ZRR hat die Aufgabe, die regionalen Interessen zu bündeln und Strategien zu entwickeln. Außerdem begleitet sie den Einsatz von Fördermitteln.
Forschungszentrum für nachhaltige Papierproduktion in Düren
Das klingt gut. Aber was ist im Rheinischen Revier davon schon umgesetzt?
Im März 2024 hat die Zukunftsagentur 19 sogenannte Ankerprojekte definiert, die bis 2029 umgesetzt werden sollen und die Kriterien der EU erfüllen. Eines davon ist der Gigawattpakt, der den Ausbau von Erneuerbaren Energien auf mindestens fünf Gigawatt installierter Leistung bis 2028 vorsieht. Der Gigawattpakt wird mit 67 Millionen Euro aus den Strukturwandelmitteln gefördert. In Düren entsteht ein Forschungszentrum für nachhaltige Papierproduktion. In der Modellfabrik Papier haben sich 17 führende Unternehmen der Papier- und Zulieferindustrie mit wissenschaftlichen Einrichtungen zusammengeschlossen, um bis 2045 rund 80 Prozent des Energiebedarfs in der Papierproduktion einzusparen. Dafür stehen Fördergelder in Höhe von 39,1 Millionen Euro bereit. Insgesamt wird der durch den Kohleausstieg bedingte Strukturwandel mit 14,6 Milliarden Euro unterstützt.
Wie wird das Geld aufgeteilt?
Bis zu 9,62 Milliarden Euro werden direkt vom Bund bewilligt. Darauf hat das Land keinen Einfluss. Daneben gibt es Strukturhilfen des Bundes. Das ist die sogenannte Landeskomponente in Höhe von bis zu 5,18 Milliarden Euro. Diese Mittel müssen von der Bezirksregierung Köln freigegeben werden. Sie prüft jedes einzelne Projekt auf seine Sinnhaftigkeit. Die Zukunftsagentur hat nach eigenen Angaben bisher Förderzusagen für knapp 400 Projekte erteilt.
Das ist sehr viel Geld. Dennoch wird immer wieder Kritik laut. Warum?
ZRR-Geschäftsführer Bodo Middeldorf kritisiert, dass der Einsatz der 14,6 Milliarden Euro durch das Investitionsgesetz Kohleregionen in ein viel zu enges Korsett gezwängt wird.
Was ist damit gemeint?
Es geht um die vorgeschriebene Aufteilung der Fördermittel auf drei Förderperioden von jeweils maximal sechs Jahren. „Sie ignoriert nicht nur die Anstrengungen, die zur Initiierung und Qualifizierung eines Projektes unternommen werden müssen, sondern auch die Tatsache, dass - neben den zweifellos erforderlichen Weichenstellungen im laufenden Jahrzehnt - wesentliche Kostenpositionen erst nach endgültigem Auslaufen der Braunkohleverstromung anfallen“, sagt Middeldorf. „Sollen qualitativ gute und strukturell wirksame Projekte auf den Weg gebracht werden - und das ist der gemeinsame Anspruch von Region und Land -, stellt dies die Akteure auf Ebene des Landes und der Region angesichts des eng begrenzten Zeitrahmens vor große Herausforderungen.“ Das müsse die Bundesregierung dringend ändern. Die ZRR hat das in einem Brief an Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) schon zum Thema gemacht.
Wie groß sind die Chancen, dass das Rheinische Revier auch Unterstützung von der EU bekommt?
Das Rheinische Revier habe den Beweis „für Weitsichtigkeit und Entschlossenheit“ erbracht, sagt Stefan Lock, Leiter der Regionalvertretung der EU-Kommission in Bonn. „Die Region will an der Spitze der industriellen Transformation Europas stehen. Das zeigt, dass Europas neue Industriepolitik bereits heute konkrete Projekte, Investitionen und Veränderungen vor Ort unterstützt. Wir reden nicht über Zukunftsmusik, hier wird Zukunft gestaltet.“