LebensmittelbrancheWie die Pandemie das Einkaufsverhalten der Menschen verändert hat

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Anuga 2019

Köln – Etwa anderthalb Jahre herrschte pandemiebedingt große Leere in den Hallen der Kölner Messe. Erst vergangene Woche fand mit der Kind und Jugend wieder eine Präsenzveranstaltung statt. Nun steht mit der Anuga eine der weltweit größten Ernährungsmessen vor der Tür. Ein Anlass, um einen Blick auf die Essgewohnheiten der Deutschen, die Situation der Branche und das Konzept für eine so große Veranstaltung in Corona-Zeiten zu werfen.

Wie haben sich die Gewohnheiten der Verbraucher verändert?

Ein Drittel der Menschen geht laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts IRI seit dem ersten Lockdown seltener einkaufen. „29 Prozent bevorzugen Geschäfte, wo sie alles bekommen können. Und fast 40 Prozent sind überzeugt, dass sie auch nach der Pandemie anders einkaufen werden“, erläutert Franz-Martin Rausch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels am Dienstag in Köln. Auch die Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit hätten durch die Pandemie einen Schub bekommen. Rund 40 Prozent aller Haushalte versucht laut GfK mittlerweile, möglichst gesund und nachhaltig zu konsumieren – 2009 waren es lediglich 25 Prozent gewesen.

Vor allem Supermärkte profitierten von dieser Entwicklung: Sie konnten ihre Umsätze im ersten Halbjahr 2021 um 6,3 Prozent steigern, deutlich stärker als die Gesamtbranche (2,9 Prozent). Bei den Discountern gingen die Umsätze sogar leicht um 1,4 Prozent zurück. Für Gesamtjahr und –branche erwartet der Verband ein Umsatzplus von 2,3 Prozent auf 247,5 Milliarden Euro.

Wie geht es Lebensmittelindustrie und Gastgewerbe?

Bei beiden ist die Lage deutlich schlechter als im Handel. So kämpft das Gastgewerbe weiter mit den Folgen der Pandemie. „Laut dem Statistischen Bundesamt betrug der Umsatzrückgang von Januar bis Juni real 38,0 Prozent – und das im Vergleich zum Ausnahmejahr 2020 mit historischen Verlusten“, sagte Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 liege das Minus sogar bei 62,3 Prozent. Seit Beginn der Krise hätten die Betriebe bis Ende Juni 64,7 Milliarden Euro Umsatz verpasst. Ein weiterer Lockdown dürfe daher nicht zugelassen werden.

Auch die Lebensmittelindustrie kämpft mit der Pandemie. Die Zahlen seien „nicht ganz so erfreulich“, so Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland. „Die Bilanz fällt schlechter aus als erwartet.“ Nach der Stagnation im Jahr 2020 seien die Umsätze im ersten Halbjahr 2021 sogar um 3,3 Prozent auf 89,1 Milliarden Euro gesunken. „Die von den Herstellern erwartete Erholung nach dem Coronajahr bleibt damit aus.“ Ein großes Problem für die Branche sind die teils drastisch gestiegenen Kosten: Um ganze 27,1 Prozent schnellten die Preise für Nahrungs- und Genussmittel im ersten Halbjahr laut dem Branchenverband in die Höhe. Grund dafür seien vor allem schlechte Wetterbedingungen in den Ernteregionen gewesen.

Wie haben sich die Lebensmittelpreise entwickelt?

Sie sind teils deutlich gestiegen. Unterm Strich stand im August im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Plus von 4,6 Prozent. Die Gemüsepreise wuchsen dabei um gar neun Prozent, die für Obst um 2,5 Prozent. Fleisch und Wurstwaren waren 3,5 Prozent teurer. Ein Grund für die Teuerungen ist, dass die Lebensmittelpreise durch die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer im vergangenen Jahr besonders billig waren. „Neben der Teuerung kommt aber auch ein Trading Effekt dazu: Er setzt ein, wenn Kunden und Konsumenten höherwertiger einkaufen und daher bereit sind, mehr Geld auszugeben“, so Rausch.

Wie wird die Anuga in diesem Jahr aussehen?

Etwas mehr als 4000 Aussteller aus 91 Ländern werden nach aktuellem Stand ihre Waren auf der Anuga präsentieren. „Wir werden damit die größte Messe in Europa – wenn nicht gar weltweit – nach dem Restart der Messebranche sein“, sagte Messechef Gerald Böse am Dienstag. „Es werden alle 11 Hallen des Geländes belegt sein. Premiere bei der Anuga wird auch die neu gebaute Halle 1 haben.“ Die Zahlen liegen dennoch deutlich unter denen des Vorkrisenjahrs 2019: Damals kamen 7500 Aussteller, 165.000 Fachbesucher wurden erwartet. „Die Zahlen von 2019 sind aber nicht unsere Benchmark“, so Böse im Gespräch mit dem  „Kölner Stadt-Anzeiger". „Ich rechne mit 60.000 bis 80.000 Besuchern.“ Das sei allerdings nur eine Prognose. Aktuell kämen noch immer Buchungen dazu, auch die Einreisebedingungen für verschiedene Nationalitäten änderten sich häufig.

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Um coronakonform stattfinden zu können, hat die Messe einen siebenstelligen Betrag in ein Sicherheitskonzept investiert, zum Beispiel für zusätzliches Personal. Die Messe besuchen dürfen Geimpfte, Genesene und Getestete. Auf dem Gelände gibt es eigene Testmöglichkeiten. Die neue Coronaschutzverordnung des Landes habe einiges leichter gemacht, so Böse: Während man in den Gängen Maske tragen müsse, sei zum Beispiel das Probieren von Häppchen an den Ständen möglich. „Wir werden ein Messeerlebnis haben.“

Erstmals wird die Messe vor Ort dabei durch ein digitales Angebot ergänzt. Im Rahmen der „Anuga@home“ präsentieren sich die teilnehmenden Unternehmen in Showrooms, außerdem werden Start-up-Pitches und Podiumsdiskussionen übertragen. Die Anuga@home startet am 11. Oktober, drei Tage nach dem Start der Präsenzmesse. Insgesamt geht die Messe vom 9. bis 13. Oktober. Sie steht Fachbesuchern offen. Die erste Publikumsmesse nach dem Restart der Branche wird voraussichtlich die Möbelmesse im Januar 2022 sein. Außerdem kündigte Messechef Böse am Dienstag den Start eines weiteren Veranstaltungsformats an: der Anuga Horizon, die ab 2022 im jährlichen Wechsel mit der traditionellen Anuga stattfinden soll. 

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