Wirtschaft 2020Rückblick auf ein Schreckensjahr mit wenigen Lichtblicken

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Wirtschaft Krise Symbolbild

In zwei Lockdowns mussten die Geschäfte bundesweit über mehrere Wochen schließen.

Köln – Das Corona-Jahr 2020 war in der Wirtschaft geprägt von Verlusten, Lockdowns und Staatshilfen. Neben Stellenstreichungen, Absagen und Sparrunden gab es in unserer Region aber auch gute Nachrichten. Wir haben einen Rückblick auf die wichtigsten Themen geworfen:

IHK mit neuer Führung

Das Jahr, als es noch jung und von Corona unbeeindruckt war, startete mit einem Kanon an Paukenschlägen bei der Industrie- und Handelskammer Köln. Nach einem Wahlkampf der Initiative „Newkammer“ wurde Nicole Grünewald im Januar für viele überraschend gegen Amtsinhaber Werner Görg zur ersten Präsidentin der IHK Köln in 200 Jahren  gewählt. Im Mai  legte Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt sein Amt nieder. Die Suche nach einem Nachfolger läuft.

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Lesen Sie hier, wie der Machtkampf in der Kölner IHK einst begann.

Post stoppt Streetscooter-Bau

Was einst als Vorzeigeprojekt begann, wurde Anfang des Jahres abrupt für beendet erklärt: Ende Februar gab die Deutsche Post DHL bekannt, die Produktion ihrer Streetscooter-Elektrofahrzeuge einzustellen. Künftig soll die Konzerntochter lediglich die Bestandsflotte verwalten. Auch für Streetscooter-Gründer Günther Schuh, der das Unternehmen einst an die Post verkaufte, war 2020 ein schwieriges Jahr: Sein E-Mobilitäts-Start-up Ego meldete in der Pandemie Insolvenz an, wurde im Herbst aber von einem  Investor gerettet. 

Im KStA-Interview mit Günther Schuh sprach der Streetscooter-Gründer über das Aus.

Messen im Digitalformat

Seit März haben auf dem Gelände der Kölner Messe keine Messen mehr stattgefunden. Das Unternehmen rechnet 2020 nach Rekordjahren mit einem hohen Verlust, zuletzt beantragte es 120 Millionen Euro Finanzhilfe von Stadt Köln und Land zum Bau eines Kongresszentrums. Eine Entscheidung wird für Anfang 2021 erwartet. Die Not sorgte aber auch für einen Digitalisierungsschub: So fanden die Computerspielmesse Gamescom sowie die Dmexco vollständig digital statt. Die Messe will künftig verstärkt auf hybride Formate setzen.

Lesen Sie hier, welches Fazit der Kölner Messechef Gerald Böse nach zwei großen Digitalmessen für die Zukunft des Unternehmens gezogen hat.

Schwarzes Jahr für Flughäfen

Lockdowns und Reiseverbote bescherten dem Flughafen das wohl schwärzeste Jahr seiner Geschichte. An den beiden Airports Düsseldorf und Köln/Bonn sanken die Passagierzahlen im Vergleich zum Vorjahr um fast drei Viertel. Zwar zeigte sich das Frachtgeschäft gerade wegen Corona stabil, aber diesen Einbruch kann der Airport in Wahn nicht allein verkraften. Die staatlichen Eigentümer (Köln, Land, Bund, Kreise) geben dem Flughafen 75  Millionen Euro mehr Eigenkapital. Aufsichtsratchef Friedrich Merz tritt ohne Angabe von Gründen zurück.

Lesen Sie hier, welche Auflagen der grün-schwarz regierte Kölner Stadtrat dem Flughafen Köln/Bonn zur Bedingung für die Finanzspritze gemacht hat.

Die Galeria-Pleite

Schon seit Jahren befindet sich der traditionsreiche Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof im Krisenmodus. Durch den ersten Lockdown im März verschlechterte sich die Lage schließlich dramatisch. Im April flüchtete sich das Unternehmen erst in ein Schutzschirmverfahren, später in die Insolvenz. Ein Schock für die Mitarbeiter.

Knapp 50 der insgesamt 170 Filialen werden bundesweit geschlossen. Tausende Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. In Köln muss  der Kaufhof im Rhein-Center in Köln-Weiden schließen. Auch das große Karstadt Sporthaus auf der Schildergasse macht dicht. Erleichterung bei den Mitarbeitern des Karstadt am Neumarkt sowie beim Kaufhof auf der Schildergasse.

Mitte Juni muss Konzernchef Stephan Fanderl gehen, es übernimmt Vorstandskollege Miguel Müllenbach (44). Im September endete das Insolvenzverfahren. Jetzt versucht Galeria  einen Neuanfang in äußerst schwierigem Umfeld.

Wirtschaftsredakteurin Corinna Schulz hat kommentiert, warum es beim Warenhauskonzern nun endlich einer Vision statt eines Kahlschlags bedarf.

Noch mehr Probleme für Bayer

Auch 2020 beschäftigten die Glyphosat-Klagen den Leverkusener Konzern. Bayer einigte sich im Juni zwar mit den krebskranken US-Klägern auf fast zehn Milliarden Euro teure Entschädigungen, bekam vom zuständigen Richter aber kein grünes Licht für das Gesamtpaket. Die Verhandlungen dauern also weiter an, die Lösung des Rechtsproblems wird für Bayer nun noch teurer. Auch Corona traf die Leverkusener schwer: Vor allem in der Agrarchemie-Sparte brachen die Geschäfte ein, die Pharma-Sparte enttäuschte ebenfalls. Bayer verschärft sein Sparprogramm, ein weiterer Jobabbau steht bevor, zudem will sich der Dax-Konzern von einzelnen Marken trennen.

Hier erfahren Sie mehr über den geplanten Abbau von Arbeitsplätzen beim Leverkusener Dax-Konzern.

Textilhändler in Not

2020 war ein schlechtes Jahr für viele Einzelhändler – und ein grauenhaftes für den Textilhandel. Die Anlässe für Neukäufe entfielen  –  aber Kleidung, die sich in der Saison nicht verkauft, verliert rapide an Wert. Viele namhafte Ketten meldeten Insolvenz an, darunter der Kölner Damenmodehändler Appelrath-Cüpper. Zuletzt mehrten sich aber Nachrichten, dass er gerettet scheint.

Über die Lebenszeichen des Textilhändlers Appelrath-Cüpper berichteten wir im Oktober.

Thyssenkrupps ungewisse Zukunft

Thyssenkrupp steckt in der Krise, und das hat ausnahmsweise mal nicht viel mit der Pandemie zu tun. Der Stahlgigant schwächelt schon lange. Gerade noch bevor die Corona-Krise nach Deutschland kam, gelang der Verkauf der Aufzugssparte – des einzigen profitablen Bereichs des Konzerns. Der Verkauf des Tafelsilbers spülte den Essenern 17 Milliarden Euro in die Kassen – die hauptsächlich für Schuldenabbau draufgehen. Rufe nach Staatshilfe (IG Metall) lehnt das Land Nordrhein-Westfalen hartnäckig ab. Die Zukunft ist ungewiss.

Warum sich Thyssenkrupp und andere Industriegiganten eigene Klima- und Umweltstrategien verpassen, lesen Sie hier.

Eine Milliarde für Flaschenpost

Es war eine beeindruckende Zahl: Rund eine Milliarde Euro soll der Bielefelder Nahrungsmittelkonzern Dr. Oetker für die Übernahme des Münsteraner Getränkelieferdienstes Flaschenpost zahlen.  Anfang Dezember gab das Bundeskartellamt grünes Licht für den Deal, der weit über Start-up-Kreise hinaus für Aufsehen sorgte. Lieferdienste zählen zu den  Profiteuren der Pandemie. Auch bei Anbietern wie dem Rewe-Lieferdienst oder Lieferando schossen die Bestellvolumina in die Höhe.

Wir haben analysiert, was hinter dem Milliardendeal steckt.

Hoffnung bei Ford

In schwierigen Zeiten für Ford in  Deutschland  und ganz Europa, ist es ein Zeichen der Hoffnung für den Standort Köln. Die Kölner Ford-Werke bekommen offenbar den Zuschlag für den Bau des ersten rein elektrischen Modells des US-Konzerns in Europa. Auch wenn die frohe Botschaft noch nicht offiziell verkündet wurde, so verdichten sich doch die Anzeichen.

Die Vergabe gilt als strategisch richtungsweisend und bietet dem Werk, in dem die Zukunftstechnologie E-Mobilität angesiedelt wird, längerfristige Perspektive und damit auch Beschäftigung - auch wenn die Zahl der Mitarbeiter zum Bau insgesamt geringer sein wird als bei einem klassischen Verbrennermodell.

Der für Deutschland verantwortliche Fordchef Gunnar Herrmann sagte dazu im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Das ist eine große Investitions- und Standortentscheidung, die durch die US-Konzernführung getroffen werden muss. (...) Wir arbeiten hart daran, dass wir die Zukunft hier am Standort absichern.“

Das gesamte Interview mit Fordchef Gunnar Herrmann lesen Sie hier.

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