„Schunkeln ohne Maske geht“Ärzte machen Kölner Jecken Mut – Volle Säle denkbar

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Die Prinzenproklamation im Gürzenich, hier ein Archivbild

Köln – „Es wird keine halbvollen Säle geben in der kommenden Session.“ Thomas Benzing, Direktor der Klinik II für Innere Medizin an der Uniklinik Köln, ist sich da sicher. Wenn sich genügend Menschen impfen lassen. Mit vorsichtigem Optimismus blickte der Mediziner auf das, was die Pandemie bringen könnte im Herbst und Winter, bei einer virtuellen Fragestunde des Festkomitees Kölner Karneval (FK), die im Vorlauf zum Präsidentenabend abgehalten wurde. Informiert wurden die Präsidenten der FK-Gesellschaften sowie zahlreiche zugeschaltete Künstler. „Alle gehen davon aus, dass die Pandemie uns nicht mehr knechtet wie im letzten Jahr“, sagte Benzing, dessen Prognosen im letzten Jahr weitgehend eingetroffen waren. „Der Herbst wird nicht mehr unkontrollierbar sein.“ Voraussetzung sei: „Impfen, Impfen, Impfen!“ Dann hält er die Öffnung der Bundesligastadien und der Universitäten für genauso möglich wie das Feiern von Karneval. „Auch am 11.11. ist das schon denkbar.“

Die Karnevalspräsidenten werden gerne gehört haben, was der Professor ihnen erläuterte, denn für den Sitzungskarneval hat Benzing positive Perspektiven. In Innenräumen sei für die Verbreitung des Virus nicht der Abstand entscheidend, sondern eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass niemand infiziert sei. „Wir brauchen geschützte Räume“, sagte Benzing, „wenn alle geimpft, genesen oder getestet sind, können wir auch in vollen Sälen feiern, wie wir es gewohnt waren: Schunkeln ohne Maske geht.“ Verstärkte Einlasskontrollen mit mehr Personal seien angesichts voller Festsäle sicher verkraftbar.

Schwierige Prognosen für Feiern im Freien und Karnevalszüge

Fast schwieriger seien Prognosen für Veranstaltungen draußen wie die Karnevalszüge. „Die Ansteckungsgefahr draußen ist deutlich niedriger“, sagte Benzing, deshalb hänge viel von den Entscheidungen der Politik ab. Bei steigenden Zahlen müsse man wieder mit Ausgeh- und Alkoholverboten rechnen, deshalb: „Wenn wir gut sind im Impfen, wird das kein Problem sein.“

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Aber wollen die Menschen das auch? Eine Frage, der Wolfgang Oelsner, Brauchtumsforscher und Psychotherapeut, nachging. „Es gibt drei Gruppen: ein Drittel der Leute scharrt mit den Hufen, dass es endlich losgeht, die reden jetzt schon vom Sommer ihres Lebens“, so Oelsner. Das zweite Drittel sei für abwarten, dem dritten kämen Lockerungen zu früh. „Die haben die Verletzbarkeit des Lebens gespürt“. Ein großer Teil von ihnen habe sich eingerichtet in der Entschleunigung. „Das wird sich im Kartenverkauf bemerkbar machen.“ Aber: „Ein Brauch ist mehr als ein Event.“ Die Session 2021 sei bei aller Reduziertheit eine Erfolgsgeschichte gewesen, „weil es gelungen ist, die Beziehungen untereinander aufrecht zu erhalten. Karneval kann Krise.“ Und er appelierte an die Bands und Künstler: „Es wäre schade, wenn es direkt wieder voll auf die zwölf geht.“ Der „Kumm mer singe Alaaf“-Song von Brings sei als der Krisensong ein schönes Beispiel: „Maat höösch ist das Zauberwort.“ In der immer globaleren Welt wachse die Sehnsucht zum Lokalen, zur Heimat.

Zweite Welle an Auszahlungen läuft

FK-Präsident Christoph Kuckelkorn bedankte sich bei den Fachleuten und kündigte an, gemeinsam mit den Gesellschaften „die Menschen davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, sich impfen zu lassen.“ Und wenn es wieder losginge mit dem Karneval „hoffen wir, dass wieder alle dabei sein können, Künstler, Roadies, Techniker.“ Es gäbe jetzt eine zweite Welle an Auszahlungen, um die Not der Veranstaltungsbranche zu lindern. „Wir können noch einmal 200 000 Euro auszahlen aus den Erlösen unseres großen Benefiz-Aktion „Mer losse üch nit allein“. Danke an alle, die das Projekt unterstützt haben.“

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Und die ersten Gesellschaften haben bereits reagiert: „Wir werden den 11.11. auf dem Heumarkt feiern. Das steht fest“, bestätigte Ralf Schlegelmilch, der Präsident der Willi-Ostermann-Gesellschaft, auf Anfrage. „Unter welchen Voraussetzungen wir das erleben werden, müssen wir der aktuellen Lage anpassen. Wir werden in enger Absprache mit der Stadt darauf setzen, dass die Menschen bei uns sicher feiern werden.“

Die KG Die Große von 1823 spricht sogar von der „Rückkehr des Karnevals“. Nach einem Jahr Corona-Pause will sie zum Sessionsauftakt am Elften im Elften am Tanzbrunnen wieder ihren großen kölschen Countdown feiern. Wie gehabt mit allen Top-Bands. Dafür hat die KG jetzt den Vorverkauf gestartet. „Die Bundesrepublik hat den Impfturbo eingeschaltet“, sagt Präsident und Mediziner Prof. Joachim E. Zöller. „Und wir hoffen sehr, dass wir die Pandemie bis November weitgehend überstanden haben.“ Daher will man am 11.11. mit möglichst vielen Jecken – Getesteten, Geimpften und Genesenen - Karneval feiern. „Und dabei Gutes tun“, sagt Zöller, denn traditionell unterstützt der Countdown die Aktion „wir helfen“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ für kölsche Pänz in Not. „Mit den bislang sieben Countdown-Veranstaltungen sind schon weit mehr als 70 000 Euro für den guten Zweck zusammen gekommen“, so KG-Sprecher Sören Riebenstahl. Eintrittskarten sind für je 25 Euro - Kinderkarten kosten 5 Euro – jeweils Plus Vorverkaufsgebühr übers Internet zu haben. Besucher, die bereits im Vorjahr Tickets für den Countdown erworben hatten, werden per E-Mail informiert. Diese Tickets sind auch weiterhin gültig.

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