„Tanzen wie Affen vor mir rum”Blinde Kölnerin genervt von Mobbing-Erfahrungen

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Fabiana erklärt unter den Namen Ypsilon ihre Welt auf ihrem Youtube-Kanal.

Fabiana erklärt unter den Namen Ypsilon ihre Welt auf ihrem Youtube-Kanal.

  • Diskriminierung ist Alltag für die 25-jährige Fabiana, wenn sie mit ihrem Blindenstock durch Köln läuft.
  • Was sie alles erlebt und wie sie damit umgeht, hat sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger” erzählt.
  • Sie erklärt aber auch, welche eigentlich nett gemeinte Gesten ihre Mitmenschen lieber unterlassen sollten.

Köln – Ihr Youtube-Kanal war als eine Art digitaler Handzettel gedacht. Fabiana alias Ypsilon schlugen nämlich eine Menge Fragen entgegen, als sie vor fünf Jahren ihr Studium der Erziehungswissenschaften an der Universität Köln begann. „Einmal wurde ich in der Mensa gefragt, ob ich denn mein Essen alleine schneiden könne, dabei lebe ich doch seit Jahren alleine“. Fabiana ist blind.

Sie hat eine fortschreitende Netzhauterkrankung und verfügt noch etwa über einen Prozent Sehrest. Bei der Geburt waren es noch etwa 20 Prozent gewesen. „Klingt erst einmal wenig, aber ich habe in der Kleinstadt gelebt und noch alles mitgemacht: Ich bin mitgeklettert und mitgerannt“. Bei einem Spaziergang durch die Innenstadt erzählt sie ihre Geschichte. Hier auf der Schildergasse kennt sie sich gut aus: In einem Video demonstriert sie ihren Zuschauern wie „blind shoppen“ geht. Oder wie man blind dennoch Fahrrad fahren kann, sich in einer neuen Stadt zurecht findet und wie sich ein Spaziergang mit einem Blindenführhund anfühlt. Rund 14.000 Abonnenten blicken so in ihren Alltag.

Blindenstock als ständiger Begleiter

Die Grenzen zwischen Humor und Verzweiflung scheinen fließend, wenn Fabiana, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, ihre Zuschauer als Ypsilon fragt, worum es sich bei dem Gestell in ihrer Hand handele. Denn für die meisten ist der Blindenstock, der sich auf und zuklappen lässt, als ständiger Begleiter undenkbar. Fabiana gibt sich nicht allein mit Erklärungsvideos zufrieden, sondern sucht direkt das Gespräch mit Menschen auf der Straße. „Eine Begegnung auf Augenhöhe bedeutet für mich, dass man versucht, alle Wertungen abzulegen. Jeder Mensch muss kategorisieren, aber ich erlebe, dass mir sehr oft in Stereotypen begegnet wird.“

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Fabiana ist blond und schlank, sie trägt modische Kleidung und hat ein quirliges Gemüt. Häufig unterstelle man ihr, dass sie nur blind spiele. „Dieser Stigmatisierung nach haben Menschen, die blind sind, so und so auszusehen“ – etwa, dass jeder Blinde seine Augen hinter einer großen Sonnenbrille verbirgt und ähnlich abgegriffene Vorstellungen.

Probleme mit Behörden

Diskriminierung erlebt sie vor allem in der Öffentlichkeit. Menschen reagierten oft irritiert auf ihren Blindenstock. „Barrierefreiheit heißt für mich auch, dass Menschen einfach ausweichen und nicht wie Affen vor mir rumtanzen“. Zynisch seien besonders die behördlichen Diskriminierungen. Um Blindengeld zu erhalten, muss sie einen handschriftlichen Antrag einreichen: „Ich kann ihn nicht selbst ausfüllen“. In einem Kölner Einwohnermeldeamt habe man verweigert, sie mit Namen über Lautsprecher auszurufen – es erschalle doch ein Gong, wenn ihre Nummer auf einem Display eingeblendet werde, hieß es. Dass blinde Menschen nun mal keine Nummern auf Displays sehen können, habe nicht interessiert.

Köln sei in Sachen Barrierefreiheit für sehbehinderte Menschen aber sonst gut aufgestellt, findet sie, etwa durch genügend tastbare Leitsysteme in Bürgersteigen und Bahnstationen oder Hilfen an Ampeln.

Die 25-Jährige lacht viel, strahlt positive Energie aus, in ihren Videos wirkt sie geradezu überschwänglich. Doch wie sehr nehmen sie die diskriminierenden Erfahrungen wirklich mit? „Ich entwickle immer wieder neue Strategien. Oft bin ich einfach genervt. In den Videos bin ich aber authentisch, auch wenn das natürlich nur eine Seite von mir ist. Ich bin ein selbsthumoristischer Mensch“.

Mobbing in der Kindheit

Eine starke Einstellung, bedenkt man die Mobbingerfahrungen ihrer Kindheit. „Mit neun Jahren sind wir in eine konservative Kleinstadt in Baden-Württemberg gezogen, das Wort Inklusion gab es noch nicht. Die Eltern wollten, dass ich aus der Klasse gehe, weil ich ihre Kinder beim Lernen einschränken würde. Die Kinder schlossen mich aus und die Lehrer waren unsicher.“

Die Aktion Mensch, für die Fabiana auch als Botschafterin aktiv ist, hat zu Diskriminierung im Alltag kürzlich eine Befragung durchgeführt. „Diskriminierung verstehen wir als eine Benachteiligung oder Herabwürdigung von Gruppen oder einzelnen Personen aufgrund persönlicher Merkmale wie Behinderung oder chronischer Erkrankung“. Laut dieser Studie haben 60 Prozent der 517 Befragten rücksichtsloses oder distanziertes Verhalten erfahren. Von verbaler Belästigung waren 41 Prozent betroffen, elf Prozent gaben sogar an, dass sie körperlich angegriffen wurden. Am häufigsten fühlen sich die Befragten im öffentlichen Raum, in Behörden und bei der Arbeit diskriminiert.

Übergriffig statt hilfreich

Einen Aspekt, den die Studie nicht streift, der für Fabiana aber Kopfzerbrechen bereitet, nennt sich positive Diskriminierung: „Du stellst mir nicht das Glas und die Flasche hin, sondern schüttest mir schon was ein. Das kann man zuvorkommend nennen, aber ich empfinde das als übergriffig“.

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