WohnungsnotMit diesen 10 Maßnahmen kann Köln die Wende schaffen

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Alt- und Neubauwohnungen in Köln

  • Die Stadt hat bei der Schaffung von preiswertem Wohnraum großen Nachholbedarf.
  • Oberbürgermeisterin Henriette Reker will endlich die Trendwende schaffen.
  • Doch mit welchen Instrumenten kann eine Kommune preiswerten Wohnraum schaffen und erhalten?

Köln – Oberbürgermeisterin Henriette Reker spricht von einer „Trendwende“, Baudezernent Markus Greitemann und der für den sozialen Wohnungsbau zuständige Sozialdezernent, Harald Rau, sehen die Stadt „auf einem guten Weg“. Mieter wie Wohnungswirtschaft sind davon noch nicht so ganz überzeugt. Zwar ist die Zahl der fertiggestellten Wohnungen 2018 deutlich gestiegen, von den selbst gesteckten Zielmarken ist die Stadt aber nach wie vor weit entfernt.

Weil Wohnungen fehlen, wird das knappe Gut immer teurer. Und weil man mit anderen Geldanlagen nichts mehr verdienen kann, pumpen Fonds und große private Unternehmen Millionen in den spekulativen Immobilienmarkt. OB Reker räumt ein, dass die Stadt zu lange zu wenig getan hat. Nun gehe es darum, „alle Mittel zu nutzen, um die Stadt lebendig und durchmischt zu halten“. Doch mit welchen Instrumenten kann eine Kommune preiswerten Wohnraum schaffen und erhalten? Entscheidungen über wichtige Gesetze, Förderinstrumente und Rahmenbedingungen werden auf Bundes- und Landesebene getroffen. 

Nicht selten klaffen die Bedürfnisse der wachsenden Stadt und die Sicht des Landes auseinander. Doch manches Instrument hat auch die Stadt in der Hand. Der Vergleich mit anderen deutschen Großstädten belegt, dass Köln erheblichen Nachholbedarf hat.

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Aktive Liegenschaftspolitik

Mit eigenen Grundstücken mitmischen, vorausschauend und auf Vorrat einkaufen und langfristig planen – das ist die hohe Kunst eines strategischen Flächenmanagements. Die Liegenschaftspolitik ist das wohl wirkungsvollste  Instrument einer Stadt, um Einfluss  auf Preise und Qualität des Wohnungsmarkts zu nehmen. Ein Vorkaufsrecht für die Stadt sichert ihr eine starke Position auch dann, wenn zwei Private miteinander Geschäfte machen.

In der Wohnungsbauwirtschaft misstraut man noch der Ankündigung, dass in Zukunft nicht mehr der Preis allein entscheidend sein soll, wenn städtische Grundstücke auf den Markt kommen. Die Praxis zeige, dass es der Verwaltung immer noch  darum gehe, viel Geld einzunehmen. Baudezernent Greitemann widerspricht und kündigt weitere Verbesserungen an. Mit den so genannten „Konzeptvergaben“ gehe man neue Wege: Inhaltliche Kriterien wie die Errichtung preiswerter Wohnungen oder ökologische Vorgaben seien wichtiger als der Preis. In der Praxis merkt man davon noch wenig, was auch daran liegt, dass bislang kein auf diesem Weg vergebenes Projekt fertig ist. Die Stadt hat damit zu spät begonnen. Merkwürdig ist, dass bei allen bisherigen Vergabeverfahren der größte Garant für den sozialen Wohnungsbau, die GAG, nicht zum Zuge kam. 

Die Stadt will in Zukunft mehr Grundstücke in Erbpacht vergeben. Das für Liegenschaften zuständige Dezernat hat einen Kurswechsel vorgeschlagen. Im Baudezernat ist man bei dem Thema noch zurückhaltend. Für die Forderung, überhaupt keine städtischen Grundstücke mehr zu verkaufen, sondern nur noch zu verpachten, gibt es noch keine Mehrheit. Mit dem Erbbaurecht werden Grundstücke dem spekulativen Markt entzogen. Die Stadt müsste auf Verkaufsgewinne verzichten.  

Kooperatives Baulandmodell

Bei Neubauprojekten schreibt die Stadt vor, dass 30 Prozent der Wohnungen im Rahmen des geförderten Wohnungsbaus errichtet werden müssen. Nach Angaben des Baudezernats sind zurzeit 14 500 Wohnungen in entsprechenden Verfahren. Greitemann bezeichnet „das Planungsrecht unter konsequenter Umsetzung des kooperativen Baulandmodells“ als das „wirkungsvollste Instrument der Stadtplanung“.

Da der Nachholbedarf bei den Sozialwohnungen besonders hoch ist, fordern nicht wenige, dass die 30-Prozent-Quote bei größeren Projekten wie der Bebauung des Deutzer Hafens auf bis zu 50 Prozent erhöht werden muss. In Köln hat rund die Hälfte der Bevölkerung ein Anrecht auf eine Sozialwohnung. Tatsächlich macht ihr Anteil am Markt nur sieben Prozent aus.  Mit dem Baulandmodell lässt sich die Zahl steigern. Der Blick in andere Großstädte zeigt aber auch hier: Köln hinkt hinterher.

Verlängerung der Mietpreisbremse

Bis 2030 wird die Hälfte der Kölner Sozialwohnungen aus der Preisbindung herausfallen. Dann sind die Vermieter nicht mehr an die festen, niedrigen Mietpreise gebunden. Grundsätzlich können solche Bindungen verlängert werden. Das setzt unter Umständen aufwendige Verhandlungen mit Eigentümern voraus.

Das Instrument ist teuer. In der Bezirksvertretung Innenstadt teilte die Verwaltung mit, dass sie bislang keine realistische Möglichkeit sieht, die Verlängerung von Bindungen „in wohnungswirtschaftlich beachtlichem Umfang“ zu erreichen. Das Instrument bindet sowohl Geld als auch  Kapazitäten, mit denen man anderes tun kann.

Anreize schaffen

Wer Mietpreisbindungen verlängern will, muss dafür Anreize schaffen. So kann man Sanierungen und Modernisierungen von Sozialwohnungen, die aus der Bindung fallen, fördern und den Zuschuss an die Bereitschaft der Eigentümer knüpfen, sich auf eine weitere Mietpreisbindung einzulassen. Auf Landesebene gibt es so etwas. Auf dem  Kölner Markt spielen solche Konzepte bislang keine große Rolle. Auch in anderen Bereichen können finanzielle Anreize Impulse setzen. In Hamburg etwa gibt es eine „Büro-Umwandlungsprämie“, wenn Gewerbeimmobilien in Wohnraum umgewandelt werden. Man könnte beim Siedlungsbau auch Familienfreundlichkeit oder den Aufbau einer unterstützenden Infrastruktur für Senioren fördern.

Ein kommunales Wohnungsbauprogramm

Das kommunale Angebot zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus ist überflüssig, weil die Mittel, die das Land zur Verfügung stellt, auskömmlich sind. Die Stadt bietet Darlehen und Unterstützung, aber keiner will sie haben. Die naheliegende Schlussfolgerung, die kommunalen Aktivitäten neu auszurichten, wird in der Kölner Politik nicht diskutiert. Nicht nur die Unternehmen, die sich um den preiswerten Wohnungsbau kümmern können, verstehen das nicht. Die Stadt könnte zusätzlich zur Landesförderung für den sozialen Wohnungsbau ein eigenes Förderungsprogramm für den preisgedämpften Wohnungsbau auflegen – für junge Familien, Menschen  mit mittlerem Einkommen, alternative Wohnformen oder innovative Modelle wie das „Mietshäuser-Syndikat“.  Während Städte wie Hamburg oder München   über umfassende eigene Förderprogramme sowohl für den Neubau wie für den Wohnungsbestand verfügen, gibt es in Köln nichts dergleichen.

Kommunale Firmen stärken

Fast alle Sozialwohnungen werden von der städtischen Wohnungsgesellschaft GAG gebaut. Nach den Privatisierungswellen der Vergangenheit gibt es keine vergleichbaren Unternehmen mehr, die ähnliches leisten könnten. Weil die GAG dem Aktienrecht unterliegt, wird immer wieder die Gründung einer zusätzlichen kommunalen Bau-Gesellschaft diskutiert, die über Direktvergaben unkompliziert ins Geschehen eingreifen könnte. Die Stadt tritt bislang nur bei der Unterbringung von Flüchtlingen und von Menschen, die auf dem freien Markt als nicht vermittelbar gelten, als  Bauherr und „Vermieter“ auf.  Der Aufbau eines neuen Unternehmens wäre eine Option, die Aktivitäten in eigener Regie deutlich auszuweiten. Der Nachteil: Das ist aufwendig und teuer. Außerdem scheinen die Möglichkeiten, die GAG, die Stadtentwicklungsgesellschaft „Moderne Stadt“ sowie die Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke (WSK) als Instrumente zu nutzen, längst nicht ausgereizt. Auch die GAG könnte Grundstücke über Direktvergaben bekommen. Der Rahmen dafür ist rechtlich zwar sehr begrenzt. Doch das heißt nicht, dass man ihn nicht doch reger nutzen  und die GAG stärker einbinden könnte.

Eingriffe ins Eigentumsrecht

Nicht nur die zurzeit diskutierten Enteignungen wären ein starker Eingriff ins Eigentumsrecht. Im Grunde sind auch die immer wieder als Instrumente genutzte Satzungen für Erhaltungs- oder Sanierungsgebiete einschneidende Maßnahmen. Wie der Rechtsstreit mit Hausbesitzern auf dem Gelände der Parkstadt-Süd zeigt, müssen solche  Eingriff gut vorbereitet werden. Das Verfahren ist aufwendig und langwierig. 

Milieuschutz

Seit fünf Jahren arbeitet die Stadtverwaltung an einer Milieuschutzsatzung für das Severinsviertel, die ein Muster für andere Viertel sein soll. Die Satzungen können ein wirksamer Beitrag zum Erhalt der sozialen Mischung sein. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wird verboten, Modernisierungen werden nur genehmigt, wenn sie keine Luxussanierungen sind.

Andere Städte wie Hamburg und München arbeiten seit Jahrzehnten mit solchen Erhaltungssatzungen. Baudezernent Greitemann hat angekündigt, noch vor der Sommerpause eine Liste mit Kölner Vierteln vorzuschlagen, die unter diesen Schutz gestellt werden sollen. Einen Termin für die Satzung fürs Severinsviertel kann er noch nicht nennen. Sie komme „schnellstmöglich“.

Strafen verhängen

Eigentümer von baureifen Grundstücken, die nicht bauen, weil sie lieber spekulieren, können  bestraft werden. Die Bauverwaltung hält das Instrument aber für wenig effektiv, weil es hohen Aufwand bei der Kontrolle und einen sehr wahrscheinlichen anschließenden Rechtsstreit erfordert. Anders sieht es bei der Umsetzung der Wohnraumschutzsatzung aus: Hier wurden Personal aufgestockt und die Strafandrohung verschärft. Die Zweckentfremdung von Wohnraum wird geahndet. Auch wenn ein Neubau einen Abriss ersetzt, gibt es Vorgaben. Die Mieten dürfen nicht exorbitant erhöht werden.

Zentrale Steuerung

In der  Stadtverwaltung sind die Schaltstellen für das Thema „preiswerter Wohnungsbau“ in drei Dezernaten verteilt: Das Baudezernat kümmert sich um Baurecht und Stadtentwicklung, das Sozialdezernat um den sozialen Wohnungsbau und das Verkehrsdezernat um die Liegenschaften.  Die Dezernenten beteuern, dass die Zersplitterung kein Problem sei. Partner der Stadt, die bauen wollen, sehen das anders. Sie fordern eine Bündelung  der Zuständigkeiten im Baudezernat. Ginge es nur um Sachpolitik, spricht wohl wenig dagegen. Bleibt es bei der Aufteilung der Kompetenzen, bräuchte es eine stärkere, dezernatsübergreifende Steuerung, um die sich die Oberbürgermeisterin kümmern muss. Die Prioritäten, denen sich alle unterordnen müssen, sind nicht klar genug. Es fehlt an Abstimmung und der Bereitschaft, aufgestellte Pläne auch gegen Widerstände umzusetzen. 

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