Serap Güler leitet seit rund fünf Monaten die CDU. Ein Gespräch mit ihr und Vize Florian Braun über das Geißbockheim und ihre Kritik am langjährigen grünen Bündnispartner.
Kölner CDU-SpitzeSerap Güler ist „müde von der grünen Ideologie“ beim Thema Verkehr

Die bis auf einige Ausnahmen autofreie Trankgasse hat Unstimmigkeiten im Bündnis im Stadtrat verursacht.
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Frau Güler, Sie sind seit April Parteichefin der Kölner CDU, mittlerweile sind Sie auch noch Staatssekretärin im Auswärtigen Amt in Berlin. Das klingt nicht nach Langeweile.
Serap Güler: Nein, die habe ich tatsächlich nicht. Ich habe alle Hände voll zu tun. Ich bin viel unterwegs zwischen Köln und Berlin. Man bewegt sich in zwei unterschiedlichen Welten, das darf man schon so sagen.
Sie sind die erste gewählte Parteichefin der Kölner CDU in 80 Jahren – obwohl Sie es eigentlich nicht wollten wegen Ihres Bundestagsmandats und der Doppelbelastung.
Güler: Naja, manchmal muss man sich der Verantwortung stellen, die auf einen zukommt. Ich habe von Anfang an klargemacht, dass ich durch meinen Job in Berlin nicht immer in Köln sein kann und es allein nicht schaffe. Deshalb habe ich gesagt, dass ich das gerne mit Florian Braun eng an meiner Seite machen möchte. Und das funktioniert gut.
Ursprünglich sollte Herr Braun herausgehoben sein als politischer Geschäftsführer, das gab die Satzung aber nicht her. Nun ist er nur einer von vier Vize-Parteichefs.
Güler: Es hat sich im Alltag etabliert. Und Florian Braun wird als der erste direkte Stellvertreter wahrgenommen.
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Anfang April: die neue Parteichefin Serap Güler (Zweite von rechts) und Vize Florian Braun (Zweiter von links)
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Wie sehen Sie das, Herr Braun?
Florian Braun: Wir haben uns als kompletter Vorstand einen sehr klaren Plan erarbeitet, wer für was verantwortlich ist. Da hat jeder seinen Beitrag zu leisten. Und ich bin eben vor allem für die politische Geschäftsführung, die Organisation der Geschäftsstelle und die Gremienarbeit zuständig.
Dass sie jetzt beide hier sitzen, ist ja schon auch ein Teil des Prozesses, den die CDU die vergangenen Jahre mit sich ausgemacht hat. Die parteiinterne „Initiative Jetzt“ löste Bernd Petelkau als Parteichef ab, Karl Mandl übernahm. Der ist wieder weg, jetzt sind sie beide wieder die starken Führungskräfte der Partei.
Güler: Wir waren nie weg.

CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau
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Eben. Sie sind beide zusammen seit 2014 Vize-Parteichefs unter Petelkau gewesen. Hat sich also das alte Team Petelkau durchgesetzt, der auch immer noch Fraktionschef im Rat ist?
Güler: Nein, wir sind kein altes Team Petelkau, wir sind das Team Güler-Braun. Wir arbeiten gut mit dem Fraktionsvorsitzenden zusammen und schätzen Bernd Petelkau. Und wir arbeiten gut mit den Stadtbezirken zusammen. Güler-Braun ist schlicht eine neue Ära. Wir sind keine Handlanger von irgendwem, wir sind mit unseren eigenen Köpfen unterwegs. Bei uns beiden ist halt der Vorteil, dass wir ziemlich gleich ticken.
Als „Zukunft Jetzt“ mit dem Slogan „CDU pur“ Petelkau als Parteichef ablöste, hat sich eine Strömung in der Kölner CDU durchgesetzt. Mehr CDU, weniger Kompromisse im Ratsbündnis mit vor allem den Grünen und Volt. Das war eine harte inhaltliche Auseinandersetzung. Wie nimmt man die Vertreter dieser Strömung ins Boot?
Braun: In der Stilfrage ist für uns klar: Wir arbeiten immer gut mit der Fraktion zusammen. Aber gleichzeitig ist für uns genauso klar, die Partei hat eine eigenständige Stimme und wir beziehen Position. Und das ist, was auch die Mitglieder von uns erwarten. Serap Güler ist eine starke wahrnehmbare Stimme für die CDU: Das ist eine der großen Stärken von Serap und das zahlt sich voll aus.

Blick auf das Geißbockheim und die Gleueler Wiese (oben links)
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War die Ratssitzung Anfang Juli der erste wahrnehmbare Beweis? Die CDU-Fraktion wollte mit Grünen und Volt dem Umweltschutzbund BUND die Gleueler Wiese im Grundbuch überlassen. Kurz vor der Sitzung sprang die CDU von dem gemeinsamen Antrag ab. Das wirkte nach außen so, als ob Sie, Frau Güler, da ein Machtwort gesprochen haben und Bernd Petelkau eingefangen haben. Ihm wird öfter nachgesagt, dass er den Grünen inhaltlich auch mal zu viel entgegenkommt.
Güler: Der Unterschied zwischen Bernd Petelkau und mir ist, dass er im Bündnis in einer Fraktion die Verantwortung hat. Wir haben in einem Gespräch mit der Fraktion deutlich gemacht, dass die Partei in der Sache eine klare Auffassung hat. Da musste kein Machtwort ausgesprochen werden, dass die Fraktion die Argumente sieht und den Argumenten folgt. Und ich glaube, das hat dann eben auch viel mit der persönlichen Ebene zwischen Bernd und mir zu tun. Es wird immer mal wieder Themen geben, bei denen die Fraktion eher der Partei folgen muss als umgekehrt. Aber wir bekommen das in einem sehr, sehr guten, anständigen Miteinander hin. Und es ist nicht nur mir, sondern auch der Fraktion unter Bernd Petelkau oft genug ein Bedürfnis, deutlich zu machen, worin wir uns von den Grünen unterscheiden.
Ihr OB-Kandidat Markus Greitemann hat gerade gesagt, er stünde zum ursprünglichen Bebauungsplan für die Gleueler Wiese inklusive der drei neuen Fußball-Plätze. Im CDU-Wahlprogramm heißt es, die Wiese soll dauerhaft geschützt werden. Was bekommen die Wähler, wenn sie CDU wählen?
Güler: Es gibt keinen Dissens zwischen Markus Greitemann und der Partei. Es wäre unglaubwürdig, wäre er jetzt plötzlich gegen seinen Bebauungsplan, den er als Baudezernent vorgelegt hat. Es kommt darauf an, ob das Oberverwaltungsgericht den Plan für wirksam hält. Und ob der ausgehandelte Kompromiss mit neuen Plätzen für den 1. FC Köln ohne die Gleueler Wiese umsetzbar und finanzierbar ist, ist ebenfalls offen. Es ist eine komplizierte Angelegenheit. Wenn das Urteil vorliegt, wird Markus Greitemann alle Parteien an einen Tisch holen und eine Lösung vorschlagen.
Ja, aber der Satz zum Schutz der Wiese steht ja sehr klar im Wahlkampfprogramm.
Güler: Dort heißt es, die Gleueler Wiesen sollen dauerhaft geschützt werden. Denn der Grüngürtel ist für uns als CDU geschichtlich als auch klimatisch ein sehr hohes Gut. Gleichzeitig steht aus guten Gründen in unserem Wahlprogramm eben sollen, nicht werden. Diese besondere Entscheidung hängt ja wie erwähnt an vielen Aspekten. Es gibt in dieser Frage kein einfaches Ja oder Nein. Jeder, der jetzt nur ein Ja oder Nein zur Bebauung verspricht, ignoriert die Rahmenbedingungen, die wir alle berücksichtigen müssen. Das ist Wählertäuschung.
Ich nehme in Teilen der CDU nach zehn Jahren im Bündnis mit den Grünen eine gewisse Müdigkeit wahr.
Güler: Ich weiß nicht, ob das eine Müdigkeit ist. Es ist Wahlkampf und da muss jede Partei in der Lage sein, die eigenen Positionen besonders hervorzuheben. Zutreffend ist aber schon, dass wir vor allem in all den Fragen rund um den Verkehr müde von der grünen Ideologie sind.
Braun: Am Ende einer gemeinsamen Legislaturperiode hat das Bündnis vieles aus seinem Kooperationsvertrag abgearbeitet. Und jetzt ist der Zeitpunkt für aktuellere Antworten, als es eben noch ein Bündnisvertrag von vor fünf Jahren hergibt. Wir werden daher nach der Wahl hart für unsere aktuellen Antworten einstehen. Da gibt es für keinen der möglichen Verhandlungspartner einen Vorzugsbonus.
Wie empfinden Sie den aktuellen Wahlkampf?
Braun: Was wir vor allem merken: Alle anderen arbeiten sich an unserem Kandidaten ab. Das zeigt uns deutlich: Den anderen Parteien fehlt es an eigenen Themen.
Was sind denn die Schwerpunkte, die die CDU setzen will?
Güler: Es sind vor allem drei Themen. Erstens: Sicherheit und Ordnung gegen die zunehmende Verwahrlosung. Ja, wir sind eine Großstadt, aber andere Städte bekommen das besser hin. Wir wollen 300 mehr Ordnungskräfte in der Stadt. Wir haben eine sehr, sehr große Stadtverwaltung und müssen darüber sprechen, dass wir weniger Mitarbeiter an Schreibtischen und mehr Mitarbeiter auf der Straße brauchen. Das zweite große Thema ist der fehlende Wohnraum. Das ist auch eine soziale Frage, wenn sich nur noch Gutverdiener Wohnungen leisten können. Köln will klimaneutral sein bis 2035. Doch das führt zu sehr hohen Standards, die den Wohnbau verteuern. Davon müssen wir herunter. Ein Vorschlag, der wirklich helfen würde, wurde von unseren beiden CDU Dezernenten Greitemann und Haack erarbeitet, wird aber bislang von den linken Parteien im Stadtrat aus wahlkampftaktischen Gründen aufgehalten. Das ist bitter für die Kölnerinnen und Kölner.
Was ist das dritte Thema?
Güler: Die Förderung der Wirtschaft. Da läuft schon sehr viel gut in dieser Stadt, wir haben letztes Jahr einen Job-Rekord in Köln erreicht. Die Gewerbesteuern sind gestiegen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass Köln einer der größten Rüstungsstandorte der Republik wird.
Was sagen Sie den Menschen, die sagen: Das sind schöne Ziele, aber die CDU trägt doch im Bündnis Verantwortung seit zehn Jahren für diese Stadt?
Braun: Wir können sehr selbstbewusst auf eine positive Bilanz schauen, wenn wir über unsere Verantwortung im Bereich Schulbau sprechen. Wir haben in den letzten Jahren massiv die Investitionen ausgebaut inklusive Rekordinvestition in diesem Jahr. Das liegt an unserem Baudezernenten und OB-Kandidaten Markus Greitemann. Bei vielen anderen Themen ist es auch die Verantwortung einer Verwaltungsspitze, wie Dinge wirklich umgesetzt werden. Daran hapert es. Markus Greitemann könnte das ab Tag eins ändern.
Er steht gerade im Fokus, weil ein Bericht des Rechnungsprüfungsamtes die Anmietung der früheren Kaufhof-Zentrale unter seiner Leitung kritisch sieht. Die demnach „unzureichende Bedarfsplanung“ vor der Anmietung hat „zu einem erheblichen finanziellen Nachteil für die Stadt Köln“ geführt. Und ihr Vorgänger Karl Mandl hatte Anfang des Jahres gesagt, ein amtierender Dezernent könne nicht für einen Neuanfang stehen. Sie plakatieren: „Kein Amt für Anfänger“. Fällt das der CDU jetzt auf die Füße?
Güler: Überhaupt nicht. Wir sind felsenfest von unserem Wahlkampf überzeugt. Wir sind auch völlig davon überzeugt, dass Markus Greitemann in diesen Fragen sehr richtig gehandelt hat. Hätte er die Hände in den Schoß legen sollen? Dann hätte die Stadt Millionen Euro mehr gezahlt. Er hat dafür gesorgt, dass wir Einsparungen fördern und dass wir gleichzeitig eine Gesamtstrategie für diese Stadt haben, wie sich die Liegenschaften einer Verwaltung weiterentwickeln, sodass wir langfristig modern aufgestellt und finanziell günstiger aufgestellt sind.
Es existieren unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber, was die Verwaltung eigenständig entscheiden darf. Von daher sind wir sehr gelassen. Aber die Anmietung der Kaufhof-Zentrale ist eigentlich nur ein Symptom. Ein Symptom für eine Krankheit der Stadt, die viel zu viele teure und veraltete Immobilien angemietet hat. Markus Greitemann hat in den letzten Jahren als Baudezernent versucht, dieses Symptom zu bekämpfen mit der Anmietung der Kaufhofzentrale. Und die Krankheit selbst angehen kann er nur als OB – und zwar ab Tag eins nach seiner Wahl. Denn es stimmt ja: die CDU Köln hat den einzigen OB-Kandidaten, der kein Anfänger ist. Markus Greitemann ist der einzige Kandidat, der nicht vorher noch eine Ausbildung braucht.
Zu den Personen:
Serap Güler ist am 7. Juli 1980 in Marl geboren. Sie ist verheiratet und ist Muslimin. Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau und studierte Kommunikationswissenschaften und Germanistik. Von 2007 bis 2012 war sie Referentin in der Landesregierung NRW und von 2012 bis 2017 Mitglied des Landtages in Nordrhein-Westfalen. Danach war sie für vier Jahre Staatssekretärin für Integration im Familienministerium des Landes NRW. Seit 2021 sitzt sie im Bundestag. Mittlerweile ist sie auch Kölner CDU-Parteichefin und Staatssekretärin im Auswärtigen Amt.
Florian Braun ist am 2. Juni 1986 in Aachen geboren. Er hat das Studium der Betriebswirtschaftslehre als Bachelor abgeschlossen. Von 2014 bis 2020 war er Vorsitzender der Jungen Union Nordrhein-Westfalen. Er ist Vize-Chef der Kölner CDU und sitzt seit 2017 im NRW-Landtag.