Bei der Verkündung des Eröffnungstermins von Oper und Schauspielhaus üben sich die Verantwortlichen in Vorfreude statt in Vergangenheitsbewältigung.
„Deine Bühne, Köln“Stadt beauftragt Werbeagentur Jung von Matt mit Kampagne für Oper

Die Kölner OB Henriette Reker am 1. Oktober auf der Opern-Baustelle in Köln.
Copyright: Arton Krasniqi
Über all diese Jahre, genauer gesagt fast eineinhalb Jahrzehnte, hat die Sanierung der Kölner Bühnen für eines nicht gestanden: Pünktlichkeit. Seit dem Baustart 2012 ist sie nicht fertig geworden, nicht 2015 wie ursprünglich geplant – und auch später nicht. Doch an diesem Mittwoch ist Henriette Reker, Kölns Noch-vier-Wochen-Oberbürgermeisterin, zu früh. Um 10.56 Uhr, vier Minuten vor der ursprünglich für 11 Uhr angesetzten Pressekonferenz, sagt sie auf der Bühne des Schauspielhauses: „Es gibt ein festes und ein realistisches Datum.“
Gemeint ist der Eröffnungstermin. Am 19. und 20. September 2026 soll ein Eröffnungsfest mit einem Tag der Offenen Tür für die Bevölkerung stattfinden, vier Tage später, am 24. September, der feierliche Festakt folgen. Das ist in 354 beziehungsweise 359 Tagen. Der Countdown läuft seit Mittwoch am Offenbachplatz.
Zum ersten Mal seit zehn Jahren nennt die Stadt also tatsächlich einen solchen Termin. Damals hatte die Verwaltung vier Monate vor der geplanten Eröffnung am 7. November 2015 gesagt: Das wird nichts. Und in all den Jahren seither wurden Millionen und Aber-Millionen in der Baustelle versenkt. Reker redet an diesem Mittwochmorgen offen, es ist jetzt angesichts der guten Neuigkeiten und dem bevorstehenden OB-Abschied der Moment für eine bemerkenswerte Ehrlichkeit. Erstes Beispiel: „Der Grundfehler war die Annahme, modernste Bühnentechnik ganz problemlos in denkmalgeschützte Gebäude pressen zu können. Das geht eben nicht.“
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Bloß keine Restzweifel
Es ist eine Erkenntnis, die diese Stadt mit reinen Planungs- und Baukosten von 798,6 Millionen Euro bezahlt, inklusive der Kosten für die Interimsspielstätten und die Finanzierung der Kredite werden es rund 1,465 Milliarden Euro sein.
Zweites Beispiel: Reker wollte diese Sanierung als OB überhaupt nicht, wie sie nun, vier Wochen vor dem Ende ihrer Amtszeit, betont: „Ehrlich gesagt, hätte ich dieses Opernhaus gar nicht saniert, sondern an anderer Stelle neu gebaut. Aber ich habe in den ersten Wochen meiner Amtszeit nicht den Mut gehabt, das vorzuschlagen.“ Damals waren aber auch schon 277 Millionen Euro ausgegeben, die verloren gewesen wären.

Werbeagentur Jung von Matt
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Doch bei dieser Pressekonferenz, das ist deutlich zu spüren, soll es nicht darum gehen, Vergangenes aufzuarbeiten. Die Stadt sucht ihr Heil nun in der Flucht nach vorn. Alle Beteiligten auf dem Podium – Reker, Stadtdirektorin Andrea Blome als Technische Betriebsleiterin der Bühnen, Kulturdezernent Stefan Charles und Projektleiter Jürgen M. Volm – geben sich optimistisch, um nur ja jeden Restzweifel auszuräumen. Und sie betonen, welche Bedeutung das dann wiedereröffnete Ensemble im Herzen der Stadt haben werde.
Kölner Oper: Neustart soll neue Ära einläuten
„Mit dem Neustart beginnt eine neue Ära“, verspricht der Kulturdezernent. Der Offenbachplatz werde zu einem hell erleuchteten Ort, zu einem kulturellen Zentrum mit Strahlkraft weit über Köln hinaus. Schon Wilhelm Riphahn habe das Ensemble von Anfang an als Haus für die gesamte Bevölkerung als Bürgertheater geplant. Dieser bedeutungsvolle Ort kehre zurück zu den Menschen dieser Stadt: „Dieses Haus war nie gedacht als abgeschotteter Tempel, es war von Anfang an ein offenes Haus. Ein Haus mit großen Foyers, mit Glasflächen, mit Präsenz in die Stadt hinein. Und genau das können wir jetzt wieder sichtbar machen. Das erfüllt mich mit großer Vorfreude.“
Um davon auch die zahlreichen Skeptiker zu überzeugen, hat die Stadt bei der Werbeagentur Jung von Matt eine Kampagne in Auftrag gegeben. „Deine Bühne, Köln“ lautet die Botschaft, die sie vermitteln soll. Offizieller Start soll im Februar 2026 sein. In einem ersten Imagefilm, der gezeigt wird, heißt es: „Wo die Kunst auf Bordsteinhöhe wohnt und niemand zu ihr aufschauen muss.“

Hein Mulders, Henriette Reker und Kay Voges (v.l.) in der Oper.
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Die Chefs der beiden Häuser, die genau das leisten müssen, was Reker und die anderen versprechen, kommen bei der Pressekonferenz nur am Rande zu Wort. Opernintendant Hein Mulders und der neue Schauspielchef Kay Voges wissen um die Mammutaufgabe, die vor ihnen liegt. „In den vier Jahren, in denen ich hier tätig bin, habe ich ein Mantra entwickelt: Wir sind immer vorbereitet“, sagt Mulders. Der Prozess von der ersten Idee für eine Operninszenierung bis zu dem Moment, in dem der Vorhang aufgeht, dauere bei seriöser Planung drei Jahre oder länger. Die Vorbereitungen für die Eröffnung laufen also schon lange. Vieles stehe bereits fest.
Großes Bürgerfest zum Auftakt
Das große Bürgerfest werde von Schauspiel und Oper gemeinsam geplant. Gleiches gelte auch für den Festakt im Opernhaus. Dieser werde aber keine Opern-Gala, sondern ein gemeinsames Fest der Bühnen Köln. „Die Tage danach sollen dann die spartenspezifischen Eröffnungen folgen: Großes Haus, Kleines Haus, Schauspiel, Oper. Und dann voraussichtlich zehn Tage später die Kinderoper.“ Dadurch soll die, laut Charles, einzige Institution dieser Art mit eigenem Haus weltweit, noch mehr Aufmerksamkeit erhalten.
Auch vor Kay Voges liegt viel Arbeit. Knapp 30 Premieren hat er für seine erste Spielzeit angekündigt, parallel muss er nun den Umzug stemmen. „Ich habe letztes Jahr darauf hingearbeitet, dass wir am Offenbachplatz eröffnen und habe innerhalb von einem Jahr Vorbereitungszeit alles ändern müssen, um dann nochmal ein Jahr lang im Depot arbeiten zu dürfen.“ Aber jetzt werde es konkret. Und es stehe viel Arbeit vor der Tür. „Wie schaffen wir diese Spielzeit mit all den Herausforderungen und gleichzeitig einen Umzug zu planen und die neue Saison würdig zu eröffnen am Offenbachplatz?“, so Voges. Das sei eine große Herausforderung, auf die er sich aber unglaublich freue.

Hein Mulders (Oper) und Kay Voges (v.l.) im Foyer der Oper.
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Er werde versuchen, so lange wie möglich den Spielbetrieb im Depot aufrechtzuerhalten. Aber versprechen könne er nichts. „Wann geht der Umzug los? Das ist ja unglaublich. Welche Werkstätten kommen wann in welche Räumlichkeiten? Wann können die Probebühnen bezogen werden?“ Lampen, Ton, Licht, Videotechnik – es seien einfach sehr viele Gewerke beteiligt. Trotz aller Herausforderungen verspricht Voges einen Premierenreigen, „der seinesgleichen sucht.“
Intendanten unter Druck
Die Vorfreude der Intendanten ist groß: „Wir freuen uns auf ein Haus mit einer super Akustik und auf ein echtes Theater, das funktioniert“, sagt Mulders. Das Depot dürfe nicht untergehen und müsste weiter leuchten, betont Voges. Aber auch er freue sich richtig auf diese Bühnen: „Endlich kann man ins Totenreich hinabfahren und von den Toten auferstehen und gen Himmel fahren.“ Es gebe zudem mehr Platz. „Es ist ein richtiges, echtes Theater, wie es einer großen Stadt gebührt – im Herzen der Stadt.“
Der Druck ist groß, im neuen Haus das Publikum zu begeistern, das wissen beide. Doch sie wollen sich durch diesen nicht lähmen lassen in ihrer künstlerischen Arbeit. „Ich glaube, wenn wir den Anspruch haben würden, mit jeder Inszenierung beweisen zu müssen, dass das 800 Millionen Euro Steuergelder wert ist, dann können wir nur verlieren“, betont Voges. „Das, was wir machen können, ist mit Liebe und Leidenschaft alles auf die Bühne zu bringen, um das Beste für die Menschen dieser Stadt zu präsentieren. Und dafür sind wir hier, und dafür werden wir uns den Arsch aufreißen.“