Patienten sterben alleineAngehörige verzweifeln an Besuchsverboten in Kölner Kliniken

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Wegen des Besuchsverbots in Krankenhäusern können viele Menschen aktuell nicht ihrer Angehörigen besuchen. (Symbolbild)

Köln – Helmut Steger hat Leukämie im Endstadium. „Ich habe nur noch sehr wenig Zeit“, sagt der Mann, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, gefasst. Ob er Weihnachten noch erlebe, sei unsicher. Neben ihm sitzen im zugigen Eingangsbereich der Uniklinik – auf Abstand und mit OP-Maske – seine beiden Kinder. Beklommen, fast verlegen. „Es ist das erste Mal seit vier Wochen, dass wir unseren Vater besuchen“, sagt der Sohn. „Wir hatten Angst, dass wir ihn nicht mehr lebend sehen.“

Ein Oberarzt der Uni-Klinik habe das möglich gemacht. Wer derzeit einen Angehörigen im Krankenhaus besuchen will, braucht zweierlei – sehr beharrliche Angehörige und vor allem das Glück, auf den richtigen Arzt zu treffen. Einen, der den Gesundheitsschutz sensibel gegen die Menschlichkeit abwägt. Und eine Ausnahmegenehmigung erstellt. Denn ein Anrecht auf Besuche gibt es in keinem Kölner Krankenhaus mehr.

Aus Angst, dass das Virus reingetragen wird

Während es für die Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen – zumindest noch – Besuchsrecht gibt, haben alle Kölner Krankenhäuser  Besuchsverbote verhängt, aus Angst, dass das Virus reingetragen wird. „Es war leider notwendig, alles zu tun, damit keine mit SARS CoV-2-infizierten Personen das Krankenhaus betreten“, erklärt Sigrid Krebs, Sprecherin der Kölner Kliniken. 

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Bestatter Brian Müschenborn

Am Schlimmsten trifft es diejenigen, die mit Covid-19 eingeliefert werden. Wer auf der Isolierstation an Corona sterbe, der sterbe auch in der zweiten Welle oft allein, erfährt der Kölner Bestatter Brian Müschenborn von Angehörigen Kölner Covid-Verstorbener. „Ohne dass ein Angehöriger auf der Intensivstation da sein kann und die Hand hält.“

Zurück bleiben traumatisierte Angehörige

Zurück blieben traumatisierte Angehörige, die schwer an dem Gefühl trügen, nicht da gewesen zu sein. In der Uniklinik heißt es dazu, dass Covid-Patienten „grundsätzlich unter Isolation stünden“. Wer nicht sediert und beatmet werde, dem werde Kontakt über Videooptionen ermöglicht.

Besuchsverbot

Besuchsverbot in der Uniklinik und allen anderen Kölner Krankenhäusern

Im „Einzelfall seien Besuche denkbar“, heißt es dazu vage. „Wenn sich der Zustand von Covid-Patienten auf der Intensivstation verschlechtert, ermöglichen wir einen Besuch der Angehörigen“, heißt es aus den Städtischen Kliniken. „Aber eben leider nicht regelmäßig.“

Oberarzt als einziger Entscheider

Sondergenehmigungen gibt es – außer bei Kindern – nur bei lebensbedrohlichen Erkrankungen und bei Palliativpatienten. Und zwar immer nur als Einzelfallentscheidung: „Ob der Besuch zwingend notwendig ist, entscheidet der behandelnde Oberarzt“, erklärt Timo Mügge, Sprecher der Uniklinik Köln. Er allein lege fest, ob eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird. Angehörige sollen sich dafür telefonisch an das Stationspersonal wenden.

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Das führe dazu, „dass Angehörige, die sich in einer emotionalen Extremsituation befinden, noch Kräfte aufbringen müssen, den Arzt ans Telefon zu bekommen und für ihre Rechte zu kämpfen“, sagt Müschenborn. „Das ist eine ethische Dimension, die überhaupt nicht beleuchtet wird.“ Da könne nach Gutdünken entschieden werden. „Wenn man Pech hat, sagt der Arzt halt nein.“

Rechtlich sieht die Corona-Schutzverordnung NRW Besuchsverbote in Krankenhäusern und Heimen derzeit nicht vor. Aber: Nur für die Heime hat die Landesregierung der Schutzverordnung die Allgemeinverfügung „Pflege und Besuche“ beigefügt. Diese legt fest, dass Besuche verpflichtend regelmäßig ermöglicht werden müssen. In Krankenhäusern entscheidet jeder Träger eigenverantwortlich, wem er Zutritt gewährt.

Einrichtung von Petitionsstellen als Idee

Der Ethikberater des Erzbistums Köln im Gesundheitswesen und Krankenhausseelsorger, Thomas Otten, gibt zu bedenken, dass in den Kliniken die Nerven blank liegen. Er bringt die Einrichtung von Petitionsstellen ins Gespräch, an die sich Angehörige wenden können, wenn ihnen der Besuch verweigert wird. 

Auch die Krankenhausseelsorger seien für Angehörige eine Anlaufstelle, wenn es Vermittlung brauche. „Es geht ja nicht nur um Menschen in der Sterbephase“, so Otten. Es gehe etwa auch um ältere Menschen, deren Gesundheitszustand sich ohne Kontakt zu Angehörigen akut verschlechtert und die in ein Delir rutschen – oder in der Demenz nicht wissen, was mit ihnen passiert.“ In den Kölner Krankenhäusern der Cellitinnen gilt daher auch Verwirrtheit als Kriterium, bei dem eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann.

Allerdings gibt es für Krankenhausbesucher, die eine solche bekommen, anders als von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Aussicht gestellt, weder Schnelltests noch FFP2-Masken. Abgesehen davon, dass eine Testung organisatorisch kaum zu bewältigen sein dürfte, stünden dafür leider nicht ausreichend Schnelltests zur Verfügung, so Uniklinik-Sprecher Mügge. „Das gilt auch für FFP2-Masken für Besucher.“

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