Can-Sänger stirbt mit 74Damo Suzuki lebte in Köln, aber er wurde auf der ganzen Welt verehrt

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2018-01-22  Tribute to Jaki Liebezeit; Damo Suzuki, Gianna Nannini
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Copyright: Max Grönert

Damo Suzuki wird beim Gedenkkonzert für den Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit in der Kölner Philharmonie von Gianna Nannini im Arm gehalten.

Mit Damo Suzuki nahm die legendäre Kölner Band ihre wichtigsten Alben auf. Nun ist der japanische Sänger mit 74 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

„Haare“ hieß die deutschsprachige Produktion des US-Hippie-Musicals „Hair“, die im Oktober 1968 ihre Premiere in München feierte. Zum damaligen Ensemble gehörten drei Namen, die nachhaltig die Musikgeschichte beeinflussten sollten: Donna Summer, die Disco-Diva, der Beyoncé auf ihrem aktuellen Album ein Denkmal gebaut hat; Liz Mitchell, die als Stimme von Boney M. nicht weniger zwingend Tanzflächen füllte und Kenji „Damo“ Suzuki, geboren 1950 in der Präfektur Kanagawa.

Der Japaner, unzufrieden mit der hierarchischen Gesellschaft seiner Heimat, war über Schweden, Frankreich, Finnland und Irland in München gestrandet und hatte im Orchester von „Haare“ ein Engagement als Gitarrist gefunden. Mit dem Job wollte er seine Rückreise nach Japan finanzieren, er träumte von einer Karriere als Cartoonist, jeden Abend dieselbe Musik spielen zu müssen frustrierte ihn. Im Mai 1970 macht er unweit der Schwabinger Großraumdiskothek Blow Up seinen Frust in einer Straßenperformance Luft, die vor allem aus seltsamen Tänzen und noch seltsameren Anrufungen bestand.

Damo Suzuki wurde von Holger Czukay in München von der Straße weg als Can-Sänger engagiert  

Langhaarige, kreischende Japaner waren im München der frühen 1970er ein eher ungewöhnlicher Anblick. Holger Czukay und Jaki Liebezeit, Bassist und Schlagzeuger der Kölner Band Can, fiel der junge Performer gleich ins Auge. Can hatte gerade erst seinen amerikanischen Sänger Malcolm Mooney verloren. Czukay engagierte den schmalen Schreihals vom Fleck weg: Noch am selben Abend trat Damo Suzuki ohne vorherige Probe mit der Band im ausverkauften Blow Up auf. Das Publikum reagierte verunsichert, man spielte erfolgreich den Saal leer, doch die Chemie zwischen Suzuki und den vier Kölner Musikern stimmte.

Einige Monate, bevor er auf Can traf, war Suzuki in Hamburg wegen unerlaubten Straßenmusizierens verhaftet worden. Der alte Fall holte ihn in Köln wieder ein, er wurde erneut in Gewahrsam genommen, die Abschiebung nach Japan drohte. Der Autor Paul Schallück, Kölns legendärer Kulturdezernent Kurt Hackenberg und der noch um einiges legendärere Komponist Karlheinz Stockhausen setzten sich für Suzuki ein. Schließlich intervenierte WDR-Moderator Werner Höfer bei seinem Freund Walter Scheel, dem späteren Bundespräsidenten und damaligen Außenminister: Damo Suzuki durfte bleiben.

Vier Jahre lang blieb Suzuki Can als Sänger erhalten. Vier Jahre, in denen sie mit ihm am Mikrofon ihre besten, einflussreichsten Alben aufnahmen: die Doppel-LP „Tago Mago“ (1971), „Ege Bamyasi“ (1972) und „Future Days“ (1973). Damo Suzukis Gesang war eher ein lautes Flüstern, er zerdehnte Vokale, improvisierte Texte. Vor allem musste er nun nicht mehr Abend für Abend denselben Routinen folgen. Und nur manchmal, wenn die kollektive Improvisation in einem Crescendo mündete, schrie er noch auf, wie damals in Schwabing.

German experimental rock group Can, from left to right; Holger Czukay, Michael Karoli, Damo Suzuki, Irmin Schmidt and Jaki Liebezeit, during the 'Tago Mago' period.   (Photo by Keystone/Getty Images)

Can in den frühen 1970er Jahren, von links nach rechts: Holger Czukay, Michael Karoli, Damo Suzuki, Irmin Schmidt und Jaki Liebezeit.

Sein Englisch war rudimentär, zum Glück, denn so konnte er seine eigene Sprache erfinden, durfte seine Stimme als ein Instrument unter anderen mit seinen Can-Kollegen einsetzen, Mantras erfinden, die erst in der Wiederholung ihren Sinn fanden: „Oh, sitting on my chair where nobody want to care“, singt er etwa in „Spoon“, dem Can-Titelsong zum TV-Straßenfeger „Das Messer“. Auch Suzukis kuriose Ermahnung „Hey you, you're loosing your vitamin C“ wurde zum Krimi-Hit, zuerst im Kölner Samuel-Fuller-„Tatort“ „Tote Taube in der Beethovenstraße“, später in Paul Thomas Andersons Thomas-Pynchon-Verfilmung „Inherent Vice“.

1973 verließ Suzuki die Band, er hatte geheiratet, war den Zeugen Jehovas beigetreten. Als er zehn Jahre später zur Musik zurückkehrte, waren er und seine ehemalige Band zu Gründungsfiguren für eine neue Generation von Musikern geworden: Mark E. Smith von der englischen Band The Fall versetzte sich 1985 für den Song „I Am Damo Suzuki“ in seine Haut, imaginierte sich zu psychedelischen Trommeln auf einem Kölner Marktplatz singen (zu finden auf dem Album „This Nation's Saving Grace“): In Großbritannien und auch im Rest der Welt verehrte man den Künstler, der in seiner Kölner Wahlheimat eher selten beachtet wurde.

Der echte Suzuki sang für Stefan Krachtens und Helmut Zerletts Ethno-Band Dunkelziffer und für seine eigene lose Formation Damo Suzuki’s Network, deren Besetzung sich von Kontinent zu Kontinent änderte. Später trat er unter anderem mit der Kölner Band Von Spar auf, die das progressive Erbe von Can bis heute würdig fortschreiben.

Bereits in den frühen 1980er hatte Suzuki eine Krebserkrankung überlebt. 2014 wurde bei ihm erneut Darmkrebs diagnostiziert, die Ärzte gaben ihm eine Überlebenschance von zehn Prozent. Aber Suzuki sang und improvisierte weiter. Zuletzt sah man ihn 2019 am Ebertplatz mit den Krautrock-Wiederbelebern von C.A.R. jammen.

Am Freitag, dem 9. Februar, ist Damo Suzuki im Alter von 74 Jahren in Köln gestorben, sein Tod wurde am Samstag auf der Instagram-Seite von Can verkündet: „Seine freundliche Seele und sein freches Lächeln werden wir für immer vermissen.“

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